Wasa

Das Original

Einer der größten Glücksfälle der Schiffsarchäologie ergab sich aus einem monumentalen und äußerst peinlichen Unglücksfall. Der schwedische König Gustav Adolf ließ während des Dreißigjährigen Krieges als Teil seiner Großmachtambitionen ein so mächtiges Kriegsschiff bauen, wie es Schweden bis dahin nicht gesehen hatte. Die Wasa, benannt nach der königlichen Familie, sollte in Sachen Kampfkraft und Prunk alles bis dahin dagewesene in den Schatten stellen.

Leider mischte sich der König sehr stark in den Entwurf des Schiffes ein, und zwar so weit, dass er Abmessungen und Bewaffnung vorschrieb. Im Nachhinein erwies sich das Schiff für die schwere Bewaffung mit 64 24-Pfündern als unterdimensioniert und gefährlich instabil. Die Werftleitung konnte sich gegen die Anweisungen des Souveräns nicht wehren, und so nahm das Unheil seinen Lauf. Seinerzeit wurden Schiffe ohne mathematisch-wissenschaftlichen Hintergrund gebaut, und bei solchen Großprojekten bewegte man sich stets am Rand des technisch Machbaren sowie des Unbekannten. Von daher wäre es in dieser Bauphase auch schwergefallen, dem König mit Argumenten zu begegnen.

Das Schiff wurde zu Wasser gelassen und ausgerüstet; ein Neigungsexperiment (man liess eine Anzahl Seeleute von Backbord nach Steuerbord und wieder zurück laufen) zeigte einen besorgniserregenden Mangel an Stabilität. Es musste rasch abgebrochen werden, sonst wäre das Schiff im Hafen gekentert. Obwohl nun Beweise für die mangelnde Stabilität vorlagen, getraute sich niemand, beim König vorstellig zu werden und die Indienststellung der Wasa zu verhindern. Das Kriegsglück war den Schweden und besonders ihrer Marine nicht hold, und zahlreiche bitter benötigte Schiffe waren verloren gegangen. Der König forderte ultimativ eine möglichst baldige Indienststellung der Wasa - und ihm wurde gehorcht.

Am 10. August 1628 wurde die Wasa bei gutem Wetter zuerst aus dem Windschatten der heutigen Altstadt Gamla Stan geschleppt; sie setzte dann drei Segel und nahm die Fahrt zum Marinearsenal von Älvsnabben auf, wo 300 Soldaten und Ausrüstung an Bord gehen sollten. Aus unerfindlichen Gründen waren die Stückpforten geöffnet, so dass das Schiff sehr viel Wasser übernahm, als eine Böe es überholen ließ. Trotzdem die Schoten losgeworfen wurden, krängte die Wasa so sehr, dass sie nach wenigen Minuten und einer Fahrtstrecke von weniger als zwei Kilometern unrühmlich im Schlick des Stockholmer Hafens versank. Glücklicherweise kamen nur 30-50 Menschen ums Leben. Dass die Katastrophe vor den Augen nicht nur zahlreicher Bürger, sondern auch der versammelten Militärattachés der europäischen Mächte geschah, fügte dem beachtlichen materiellen Verlust die Schmach der Peinlichkeit hinzu.

Die vom erbosten König angeordnete Untersuchung versuchte, einen Sündenbock für die Katastrophe zu finden; in ihr wurde das misslungene Neigungsexperiment offengelegt und auch die riskanterweise offenen Stückpforten kamen zur Sprache. Trotzdem konnte keiner Einzelperson die Schuld zugewiesen werden. Unterm Strich teilten sich der König, der das Neigungsexperiment überwachende Admiral und der Kapitän der Wasa die Schuld. Heute gilt der Fall Wasa als Negativbeispiel in der Unternehmensführung.

Das heutzutage praktisch unbekannte Schwesterschiff der Wasa, die Äpplet (Reichsapfel), das 1,5 m breiter gebaut worden war, bewährte sich übrigens gut und diente viele Jahre in der schwedischen Marine. Lange nach dem Ende der Äpplet blieb die Wasa jedoch als Zeitkapsel aus dem Barock erhalten. 333 Jahre lag das Wrack im stark verschmutzten Wasser des Stockholmer Hafens. Ein Großteil seiner wertvollen Kanonen wurde kurz nach dem Untergang geborgen, ansonsten richteten die Zeit, ins Wasser geworfener Schutt und die Anker anderer Schiffe ihren Schaden an. Eisen verrostete, die Weichteile der Opfer des Untergangs vergingen. Trotzdem blieb das Holz des Schiffes erstaunlich intakt. 1956 wurde die Wasa schließlich von Anders Frantzén gefunden und in einer großangelegten und langwierigen Bergungsaktion 1961 zurück an die Oberfläche gebracht. Das Holz wurde mit Polyethylenglykol konserviert und das Schiff zuerst in einem sehr beengten Bau der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1990 schließlich wurde das Wasa-Museum eröffnet, das heute das besucherstärkste Museum Schwedens ist. Neben der Wasa und vielen Funden aus dem Schiff gehören mehrere Museumsschiffe zu ihm. Die langfristige Erhaltung des Schiffs ist jedoch immer noch nicht gesichert, da das Holz unter Säurefraß leidet.

Die Aufarbeitung der zahllosen Funde aus dem Schiff und seiner Umgebung hat viele Jahre gedauert; so konnte man erst Ende der 1990er Jahre mit einiger Sicherheit sagen, welche Farben das Schiff tatsächlich hatte. Ursprünglich war man von einer eleganten Dekoration in schwedischen Farben ausgegangen, also mit blauer Grundfarbe und gelben bzw. goldenen Dekorationen. Die Wirklichkeit war jedoch von einer uns heute schrill und grell erscheinenden Farbigkeit, einem stilistischen Nachhall des skandinavischen Mittelalters und der Wikingerzeit. Das beeindruckende Modell im Maßstab 1:10, das direkt neben dem Schiff ausgestellt ist, wurde deshalb ursprünglich unbemalt ausgestellt und erst in den letzten Jahren gemäß den Forschungsergebnissen bemalt.

Das Modell

Die Wasa ist ein sehr bekanntes und beliebtes Modellbauthema. Der am weitesten verbreitete Bausatz wurde von Airfix in den frühen Siebziger Jahren im Maßstab 1:144 erstellt. Er wird heute noch verkauft, auch im Museumsladen in Stockholm. Er war seinerzeit auf der Höhe der Zeit in Sachen Detaillierung und Ausstattung und entsprach auch dem damaligen Wissen um das Original. Besonders der Figurenschmuck ist sehr schön wiedergegeben, wenn auch andere Einzelheiten wie die Decksausrüstung und die Möglichkeiten zur Takelung dagegen abfallen. Die Form und den Charakter des Schiffes gibt er gut wieder und ist für uns Plastikmodellbauer alternativlos. Ich erhielt den Bausatz 2009 auf der Modellbauausstellung in Wilnsdorf (Danke an die Crew von www.modellmarine.de!) und habe ihn tatsächlich hiermit zum ersten Mal in meinem Leben gebaut – viele von uns zählen ihn zu den modellbauerischen Freuden und/oder Sünden ihrer Jugend. Für mich besonders interessant war es, die neuen Erkenntnisse über die Farbigkeit der Wasa, die ich im Vorjahr beim Besuch des Museums gesehen hatte, selbst umzusetzen.

Der Bau des Modells

Ich entschied mich rasch, die Wasa als Wasserlinienmodell bzw. als Diorama zu bauen. Mit den Plastikmasten und -rahen bin ich nie so richtig warm geworden; sie sind mir zu weich, sie verziehen sich bei Zug durch Takelgarn, und der Kunststoff altert und wird langfristig brüchig. Zudem stellte sich mir der Gedanke daran, dieses Modell zu takeln, als nicht besonders erstrebenswert dar – allein die Wanten und Webleinen hätten mich zielsicher in den Wahnsinn getrieben. Glücklicherweise fiel mir ein Diorama im Royal Navy Museum in Portsmouth ein, das ein Kriegsschiff des 17. Jahrhunderts beim Stapellauf zeigte. Es war schon bemalt, mit allen Verzierungen, aber anstelle der Masten trug es nur Flaggenstöcke mit Bannern. Das klang schon eher machbar und würde auch nicht von den schreiend bunten Verzierungen ablenken. In Wirklichkeit scheint die Wasa beim Stapellauf alles andere als komplett gewesen zu sein. Teile der Heckaufbauten und das Galion sowie die ganzen Verzierungen wurden wohl erst später angebracht. Ich habe darüber großzügig hinweggesehen und der hundertprozentigen Authentizität freundlich hinterhergewinkt. In diesem Geist wurde das Modell dann gebaut.

Zuerst wurden die Decks versäubert und bemalt. Sie erhielten eine Grundierung aus hellbeiger Acrylfarbe, darauf wurde mit Ölfarben gearbeitet. Auf ein Betonen der Plankennähte wurde verzichtet, weil diese sowieso überdimensioniert sind. Das Deck blieb heller und die Grätings und anderen Einbauten wurden dunkler eingefärbt. und der Rumpf zusammengebaut. Passprobleme gab es eigentlich nur beim Abschluss des obersten Decks zum Heckspiegel, hier musste mit Polystyrolprofil nachgeholfen werden. Spachtelmasse kam achtern am Übergang zwischen Heck und Galerien zum Einsatz, ihr Gebrauch hielt sich jedoch in Grenzen.

Nun konnte der Rumpf zum späteren Einbau in die Basis vorbereitet werden. Ich entschied mich dagegen, das Unterwasserschiff abzusägen, und legte stattdessen in ein zurechtgeschnittenes Stück Hartschaumplatte einen Ausschnitt an. Dieser wurde mit einem alten Brotmesser vorbereitet und mit Raspeln, Feilen und grobem Schleifpapier weiter angepasst. Ebenso wurde ein Ausschnitt für den Kutter der Wasa geschaffen.

Die Oberfläche der Hartschaumplatte wurde auch angeschliffen, um sie für den Farbauftrag vorzubereiten. Grüne Abtönfarbe aus dem Baumarkt wurde mit einem Heizkörperpinsel reichlich aufgestippelt und ergab beim Trocknen die gewünschte leicht unregelmäßige Oberfläche. Nach ausreichendem Durchtrocknen wurde die Oberfläche aus der Airbrush mit diversen Acrylfarben schlammig-hafensuppig eingefärbt. Nach wiederum gründlichem Durchtrocknen der wasserbasierten Farben kam eine Spraydose mit lösungsmittelbasiertem Hochglanzlack aus dem Baumarkt zum Einsatz. Mehrere Schichten Lack ließen eine schön glänzende und widerstandsfähige Oberfläche zurück – für Hafenwasser allemal OK. Nun konnte die Hartschaumplatte von unten in den gewählten Bilderrahmen eingeklebt werden, wozu ich Dichtsilikon verwendete.

Der Schiffsrumpf wurde derweil zum Bemalen vorbereitet. Dazu mussten die Stückpfortendeckel eingeklebt werden. Der Bausatz weist keine Batteriedecks auf, bei geöffneten Stückpforten müßten diese selbst eingebaut werden, und das wollte ich mir nicht antun. Zumal es auch erheblich schlauer gewesen wäre, die Pforten beim Stapellauf geschlossen zu halten – von der Jungfernfahrt mal ganz zu schweigen.

Der praktischerweise schon braune Plastikrumpf wurde mit mittelbrauner Vallejo ModelAir-Farbe gespritzt und dann mit diversen Ölfarben in ocker und braun trockengemalt. Die Bereiche der Plankennägel wurden dunkler gehalten. Eine deutliche Holzstruktur wurde nicht angelegt, das hätte ich für nicht maßstäblich gehalten. Relativ rasch gefiel mir der Rumpf recht gut und ich näherte mich dem Kern dieses Projekts, der Bemalung der Verzierungen.

Eine alte Weisheit beim Bemalen ist, dass gelb oder rot nur auf einer weißen Grundierung richtig wirkt. Von daher trug ich für die großen Farbflächen rote Acrylfarbe direkt auf den braunen Untergrund auf – dadurch wurde die Farbe etwas abgedunkelt. Bei den gelben Zierstreifen und den anderen Dekorationen jedoch bestand der erste Schritt im Bemalen mit weißer Farbe, um später die intensive Farbigkeit des Vorbildes zu erreichen.

In diesem Stadium brachte ich auch den einzigen wesentlichen Umbau des Projekts an. Mir fiel auf, dass am Vorkastell keine Reling oder Schanzkleid vorhanden war, im Gegensatz zum Stockholmer Modell. Stattdessen wies die Reling am obersten Deck gitterartige Aufbauten mit Skulpturenschmuck auf, die einerseits unmotiviert wirkten und andererseits in Stockholm fehlten. Ich gehe davon aus, dass der Stand der Rekonstruktion um 1970 so war und inzwischen neuere Erkenntnisse vorliegen. Von daher wurde das Zuviel an Reling achtern abgesägt und durch Polystyrolprofile ersetzt. Am Bug wurde aus dem abgetrennten Material einige geschnitzte Relingsstützen hergestellt und aus Polystyrolprofil die dazugehörige Reling.

Die insgesamt sechs zwiebelturmartigen Dächer an den Seitentaschen wurden als Baugruppen erstellt, versäubert und vorbemalt. Hier und an den anderen Bedachungen der Seitentaschen versuchte ich, die in Stockholm gut sichtbare weiße Betonung der Stöße zwischen den Dachschindeln durch einen weißen Wash zu imitieren, leider nur mit magerem Erfolg.

Nun ging es daran, die Verzierungen des Schiffes zu bemalen. Hierzu benutzte ich als Vorbilder Fotos, die ich selbst in Stockholm aufgenommen hatte, Bilder von der Website des Museums sowie eine Zeichnung des Heckspiegels ebenfalls von der Museums-Website. Sonst nie benutzte Farben wie Pink wurden reichlich eingesetzt, aber auch orange, rot, grün, gelb, verschiedene Blautöne, grau, violett, eisenmetallic und manches mehr. Am Heckspiegel zeigten sich einige Unterschiede zwischen dem Modell und dem heutigen Rekonstruktionsstand, ich musste jedoch nur am achterlichen Ende der Bordwand Verzierungen aus zahntechnischem Gußwachs andeuten bzw. ergänzen. Dieser Bemalungsprozeß war zeitaufwendig, machte aber viel Spaß und ließ mich ernsthafte Ehrfurcht sowohl vor den alten Handwerkern als auch vor den Bausatzentwicklern von Airfix empfinden.

Ähnlich wie am echten Schiff blieb es nicht bei einfacher Bemalung, sondern es wurde auch nass in nass gemalt und Details wurden durch washing hervorgehoben und eingeblendet. Hierzu hat sich bei mir Humbrol-Verdünnung und Künstler-Ölfarbe bewährt, auch und gerade auf Acrylfarben.

Ein wahrer Genuss war es, die für diesen Anlaß frisch gekaufte Revell – Enamel – Goldfarbe aufzutragen – die Bugzier und das Heckwappen wirken absolut überzeugend dadurch.

Die „Zwiebeltürme“ paßten nicht auf Anhieb und mußten angepaßt bzw. Spalten gefüllt werden. Dazu hat sich bei mir Weißleim bewährt. Dieser läßt sich auch erstaunlich gut mit Acrylfarbe übermalen.

TEIL 2

Frank Spahr

VMF-06 "German Gamblers"

IG Waterline