Küstenwachboot Neustrelitz 1/350 von Werner Falke

Das Original

Meine Eltern haben seinerzeit die Fernsehserie „Schwarzwaldklinik“ nur wegen der schönen Landschaftsaufnahmen angesehen – nicht wegen der Handlung! Es soll heute Leute geben, welche die beliebte Fernsehserie „Küstenwache“ nur deshalb ansehen, weil dabei öfters schöne Sequenzen des in voller Fahrt in See stechenden Patrouillenboots Bad Düben zu sehen sind...

Nur Insider wissen, dass die beiden typgleichen Patrouillenboote (das zweite Boot heißt Neustrelitz) der Küstenwache eine interessante Vorgeschichte haben. Ursprünglich waren sie die ersten Boote einer großangelegten, neuen Klasse von großen Raketen-Schnellbooten der ehemaligen DDR-Volksmarine, die in größeren Stückzahlen für die Volksmarine der DDR, für die polnische Seekriegsflotte und für die Sowjetmarine gebaut werden sollten. Die Grundkonstruktion mit der Projektbezeichnung 151 wurde in der Peene-Werft in Wolgast erarbeitet. Von der Sowjetunion wurde die Hauptbewaffnung der Boote, ein Schiff-Schiff-Flugkörper „Switschblade“ (NATO-Code SS-N- 25) entwickelt; von der Peene-Werft eine Startanlage, bestehend aus jeweils vier röhrenförmigen und stapelbaren Lager-, Transport- und Startcontainern.

Küstenwachboot Neustrelitz 1/350 von Werner Falke

Die Boote haben Rümpfe, welche eine Zwischenform eines Verdränger- und eines Gleitbootes darstellen. Sie sind 48,90 m lang und 8,65 m breit; waren aus Stahl über 80 Rahmenspanten gebaut. Die Rumpfseitenwände wurden relativ schräg gestellt, damit ausreichend Decksfläche für die Raketen-Startanlagen zur Verfügung stand. Vom Vorschiff bis zum schrägstehenden Spiegelheck haben die Seitenwände etwa 1,30 m unterhalb der Kante Seite- Deck einen leichten Knick nach außen. Auch die Abrisskante am Spiegel läuft als Knick noch ein Stück nach vorn, bevor sie in die Rundung der Kimm übergeht. Die Kante Seite-Deck ist zur Stabilitätserhöhung gerundet ausgeführt. Als Raketenboote waren drei Hauptmaschinen - 7,5 t schwere 56-Zylinder-Stern-Reihenmotore vom sowjetischen Typ M-520 - und drei parallel liegende Propellerwellen eingebaut. Diese insgesamt 16.200 PS gaben den Booten 35 kn Höchstfahrt.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der Auflösung der Volksmarine wurden im Zeitraum von 1992 bis 1996 zwei Boote des Projekts 151 bei einem Umbau an die Bedürfnisse des Bundesgrenzschutzes angepasst und als Neustrelitz (ex Sassnitz) und Bad Düben (ex Ostseebad Binz) in Dienst gestellt. Weitere wichtige Veränderungen waren der (vorläufige) Ausbau des Mittelantriebs, eine Verlängerung des Deckshauses hinter den Strahlabweisern nach achtern, die Vergrößerung des Fahrstandes nach vorn, Einbau einer Querstrahl-Ruderanlage im Vorschiff zur Verbesserung der Manövrierfähigkeit, natürlich der Ausbau der Waffen und Waffen-Leitanlagen, Veränderungen der Sensorentechnik, die Errichtung von zwei konischen Abgasschächten, der Einbau von Bootsaussetzvorrichtungen für Speedboote, die Unterdeckkammern erhielten in den Bordwänden runde Schiffsfenster. An der Stelle der 76-mm-Universalkanone auf der Back erhielten die Boote kurzfristig eine 40-mm-Bofors-Einzellafette mit den zugehörigen Munitionsspinden an Seite-Deck. Zur Steuerung dieser Waffe stand auf dem oberen Deck eine kleine, drehbare Steuerkabine. An gleicher Stelle findet man heute ein Infrarot-Nachtsichtgerät auf einem Rundum-Podest. Auch innerhalb der Boote gab es Änderungen in der Raumaufteilung. So ist z.B. die Kombüse aus dem hinteren Teil des Rumpfes nach oben in das Deckshaus verlegt worden.

Küstenwachboot Neustrelitz 1/350 von Werner Falke

Die Boote, auf denen 14(17) Beamte/innen Dienst tun, vermessen heute 428 BRZ. Die beiden Außen-MTU-Hauptdiesel Typ 12V595 TE90 erbringen insgesamt 6.480 kW (7.340 PS). Das gibt den Booten heute eine Geschwindigkeit von etwa 26 kn. Später wurde wieder eine Mittelwelle mit Diesel-Elektroantrieb für langsame Revierfahrt eingebaut. Dieser ist bei den Booten unterschiedlich: BP 22 (Neustrelitz) hat hier 680 PS für 10kn und BP 23 (Bad Düben) 272 PS für 6kn.

BP 22 kommt durch das Küstenwachzentrum „Nordsee“ in Cuxhaven und BP 23 durch das Küstenwachzentrum „Ostsee“ in Neustadt/Holstein (Standort Warnemünde) zum Einsatz.
Einem breiten Fernsehpublikum bekannt geworden sind die Boote durch die ZDF Serie „KÜSTENWACHE".

Küstenwachboot Neustrelitz 1/350 von Werner Falke

Das Modell

Entgegen meiner sonstigen Art der Urmodellherstellung in konventioneller Schichtbauweise entstand in diesem Fall der Rumpf und die Hauptaufbauten im modernen Rapid Prototyping-Verfahren. Möglich geworden durch den Einsatz meines Sohnes, der sich der mühsamen Aufgabe der 3D-Datenerstellung widmete, konnte ich in kürzester Zeit über ein im RPT-Verfahren hergestelltes Urmodell verfügen, dass nur noch geringer Nachbehandlung durch Schleifen der Oberflächen bedurfte, um es in einen abformbaren Zustand zu bringen.

Parallel dazu wurden die Ätzteile (Reling umlaufend und aufwändiger Gittermast) in bewährter Weise mit Corel Draw entworfen und zum Lohnätzen geschickt.

Küstenwachboot Neustrelitz 1/350 von Werner Falke

Nach ersten Ergebnissen der Abformungen in eigener Werkstatt waren dann doch noch einige Änderungen am Urmodell notwendig um zufriedenstellende, wenig Nacharbeit erfordernde Abgüsse zu erhalten. Die Farbgestaltung war ebenfalls eine Herausforderung, denn beim Vollrumpfmodell kommt es schon auf eine saubere Trennung der Wasserlinie an. Ohne aufwändige Abklebearbeiten kommt man weder beim Rumpf noch bei den Aufbauten aus. Die auf Deck und Aufbauten mitgegossenen Einzelteile wie z.B. Poller, Seilrollen, Rettungsinseln und Staukästen wurden manuell mit dem Pinsel nachgezogen. Der zusammengebaute Gittermast und die Rauchabweiserbleche mit Abgasrohr vervollständigen vorerst den Rohbau des Bootes. Die selbstentworfenen Abreibebuchstaben für die Beschriftungen an Bordwand und Brückennockgeländer sowie das Wappen der Küstenwache an der Schornsteinverkleidung runden das Gesamtbild des Bootes positiv ab.

Küstenwachboot Neustrelitz 1/350 von Werner Falke

Gebaut wird das Boot in Vollrumpfbauweise mit drei Schrauben auf Mahagoniholzsockel mit Plexiglasschutzhaube sowie als Wasserlinienmodell in silikongeformter Wasserfläche. Alles in allem ein, wie ich meine, interessantes Modell mit zivilem „Look“, dass sich in meiner sonst „Grauen Flotte“ angenehm abhebt.

Werner Falke

Der Text „Das Original“ mit freundlicher Genehmigung weitgehend entnommen der Website http://www.ship-model-today.de/bad-dueben.htm von Jürgen Eichhardt
Fotos: Werner Falke ; Ulrich Wiecker
Graphik: Joern Falke