Deckelbild

Modell: German S-Boat
Hersteller: Airfix
Maßstab: 1/72
Material: Polystyrol, Decals
Art.Nr.: A 10280
Preis: ca. 60 € (bei Modellbau Universe)

Das Original

Schnellboote waren mit hoher Geschwindigkeit operierende Torpedoboote, die von der deutschen Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden. In Großbritannien waren sie als „E-Boats“ bekannt, eine Abkürzung für „Enemy War Motorboats“. Diese schlagkräftigen Schiffe, schwer bewaffnet und in hohem Maße seetüchtig, waren zu Kriegsbeginn sämtlichen Küstenschiffen der Küstenstreitkräfte der Royal Navy in der Entwicklung weit voraus.

Das Deutsche Reich hatte zwar schon im Ersten Weltkrieg Erfahrungen mit Torpedobooten sammeln können, doch waren die Ergebnisse damals enttäuschend ausgefallen. 1933 setzte dann die Wiederaufrüstung unter der Führung Adolf Hitlers ein. Die Kriegsmarine begann mit der Entwicklung eines Schiffes, das an die Konstruktion des früheren britischen Küstenschiffes (Coastal Motor Boat – CMB) angelehnt war, jedoch viele weiterentwickelte Funktionen und konstruktive Verbesserungen beinhaltete. Anstatt der unzuverlässigen und im Einsatz oft gefährlichen Benzinmotoren wurden nun drei Diesel für Dreischraubenantrieb verwendet. Weiterhin wurden die Rundspantkonstruktion und eine lange, niedrige Silhouette zu typischen Merkmalen des neuen Schiffstyps. In der Lürssenwerft in Bremen-Vegesack entworfen und gebaut, wurde die frühe S-Boot-Bauserie 1935 in der 1. S-Boot-Flottille zusammengefasst. Bei den darauf folgenden Versuchsfahrten wurden entsprechende Einsatztechniken entwickelt. Bis zum Kriegsausbruch im September 1939 waren 23 Schiffe gebaut, 18 waren bereits in Dienst gestellt und eine weitere Flottille war eingerichtet worden. Der Kriegseinsatz begann bereits am 1. September in der Ostsee mit Aktionen gegen polnische Schiffe. Patrouillen in der Nordsee setzten zwei Tage später vom Stützpunkt der 2. Flottille in Helgoland ein. Bei probeweisen Einsätzen hatte sich gezeigt, dass bei Nachtangriffen Schiffe mit weißgrauem Anstrich höhere Erfolgschancen hatten. Eine solche Tarnung war durch die nachts leuchtende Wasserspiegelung der See besonders günstig. Als im Mai 1940 die Offensive im Westen gegen Frankreich und die Niederlande gestartet wurde, trafen die S-Boot-Flottillen zum ersten Mal auf britische Schiffe. Mit der Einnahme der französischen Kanalhäfen erhielten die S-Boote guten Zugang zu den britischen Geleitzugstrecken. Obwohl die Royal Navy dabei nur beschränkt erfolgreich war, musste sie beträchtliche Ressourcen zur Abwehr der deutschen Angriffe aufwenden. Die Flottillen griffen nämlich nicht nur Schiffe an, sondern sie legten auch Minen, wobei jedes S-Boot bis zu acht Minen auf dem Achterdeck mitführen konnte. Bis Juni 1941 waren sechs S-Boot-Flottillen formiert worden. Der Bau neuer Schiffe konnte jedoch kaum mit den tatsächlichen Anforderungen Schritt halten, deshalb verfügten die Flottillen nur selten über ihren Gesamtbestand von zehn Schiffen. S-Boote kämpften an nahezu jedem Kriegsschauplatz auf See. Dabei wurden ständig Verbesserungen vorgenommen. Spätere Versionen waren mit Panzerungen an der Kalottenbrücke versehen. Diese wurden dann schließlich durch eine gepanzerte mehreckige Kuppel ersetzt. Die Bewaffnung wurde ebenfalls verstärkt. Anstelle der früheren 20 mm Heckkanone wurden 37 mm oder 40 mm Bofors-Geschütze und anstatt der MG 34 schließlich 7,62 mm MG 42 montiert. Die Besatzungen wurden von 18 auf 30 Mann erhöht. Durch Verbesserungen der Motoren konnten Höchstgeschwindigkeiten von 40 Knoten erreicht werden. Im Mai 1945 kapitulierten schließlich 91 S-Boote vor den Alliierten; diese Boote wurden dann zwischen Großbritannien, den USA und die Sowjetunion aufgeteilt.

Die frühen S-Boote wurden durch drei 16-Zylinder-Dieselmotoren von Daimler-Benz angetrieben. Mit ihrer Leistung von jeweils 1320 PS konnten Höchstgeschwindigkeiten von 35 Knoten erreicht werden. Die Bewaffnung umfasste vier Torpedos, eine 20 mm Flak mit 3000 Schuss und verschiedene leichte MG. Die Gesamtlänge betrug 32 m bei einer Verdrängung von 78 t.

Quelle: Airfix Bauplan

Der Bausatz

In einer großen roten Schachtel kommt ein alter Bekannter auf den Modellbautisch. Bei dieser Neuauflage eines Bausatzes aus dem Jahre des Herrn 1975 ist die Schachtel aber leider etwas zu klein, was dazu führt, dass diverse Teile verbogen oder zerbrochen sind. Das liegt auch daran, dass der Hersteller fünf Gießäste und die großen Rumpfteile in nur einem Plastiksäckchen unterbringt. Zum Glück sind wenigstens die Klarsichtteile separat verpackt.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mit 15 Jahren in einem „Spielzeuggeschäft“ mit leuchtenden Augen vor der Schachtel mit dem tollen Actionbild stand. Leider überstieg der damalige Preis mein Budget und Mädchen wurden auch immer interessanter, so blieb die Schachtel im Regal und das Modell geriet in Vergessenheit.

Umso erfreulicher, das das Modell nun doch seinen Weg zu mir gefunden hat, das tolle Deckelbild von damals prangt übrigens immer noch auf der Schachtel. Nur der Preis… Rechnet man den in die gute alte D-Mark um, dann fragt man sich, woher bei einem solchen, doch alten Modell die Berechtigung dafür kommt.

Doch nun zum Bausatz: Der Karton beinhaltet 290 Bauteile, einen kleinen Decalbogen, der die Markierung von vier S-Booten (S-10 bis S-13) erlaubt, sowie eine kleine, aus selbstklebenden Folie gefertigte „Reichskriegsflagge“ und den achtseitigen Bauplan.

Airfix bietet dem Modellbauer die Möglichkeit einer Wasserlinien- oder Vollrumpfversion an. Der Rumpf besteht aus zwei Hälften, für die Vollrumpfversion muss unten nur der Kiel befestigt werden. Bei der Darstellung der Wasserlinienversion muss man darauf achten, das Boot ein wenig mehr in der Dioramenplatte zu versenken, es steht sonst unnatürlich hoch aus dem Wasser.

Das durch die zu kleine Schachtel bei meinem Modell leider verbogene Deck weist diverse Strukturen wie Wartungsklappen, Taue und ähnliches auf. Die übrigen Bauteile sind an mehreren Gießästen befestigt (oder haben sich durch die einfache Verpackung von diesen gelöst...) und können ihr Alter leider nicht verbergen. An vielen sichtbaren Stellen findet man Auswurfmarken (z.B. Paddel und Ruderblätter). An vielen Teilen ist auch Grat zu beseitigen, was zusätzliche Arbeit bedeutet. Die Klarsichtteile sind separat verpackt und von brauchbarer Qualität.

Im Internet findet man in vielen einschlägigen Foren Bauberichte zu diesem Modell. Ob das Modell tatsächlich so gravierende Unterschiede zum Original oder historisch-technische Ungenauigkeiten aufweist, kann ich nicht beurteilen. Hier hilft nur die entsprechende Literatur, die in großer Zahl vorhanden ist. Was auf jeden Fall ins Auge fällt, sind die viel zu großen Wasserbomben und das dafür vorgesehene Abwurfrack, sowie die Torpedos. Diese sollten ersetzt werden, um den Gesamteindruck zu verbessern. Schatton-Modellbau und CMK haben zum Beispiel dafür einiges im Programm. Meines Wissens gibt es nur für das S-100 von Revell Fotoätzsätze. Inwieweit Teile davon für ein frühes S-Boot zu verwenden sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht kommt ja demnächst mal etwas Neues auf den Markt.

Die beiliegenden Figuren sind allerdings der Beweis dafür, warum Airfix bei „Kiellegung“ dieses Modells führend war in der Modellbauwelt. Diese kleinen Herren brauchen den Vergleich mit den heute hergestellten Figuren nicht zu scheuen, in manchen Fällen sind sie sogar immer noch besser!

Abziehbilder

Bei den Decals sind, wie schon erwähnt, die Bugnummern der Boote S-10 bis S-13 vorhanden. Dazu kommen noch zwei Hoheitsabzeichen in Form des „Reichsadlers“, der in seinem Lorbeerkranz kein Hakenkreuz sondern ein eisernes Kreuz führt. Ich finde, das hätte sich Airfix sparen und den entsprechenden Bereich des Kranzes unbedruckt lassen können. Ebenso verhält es sich mit der „Reichskriegsflagge“. Sie erinnert sehr stark an die frühen Zeiten des Modellbaus, als solche „Klebemarken“ noch üblich waren. Der Zubehörmarkt bietet auch hier Besseres.

Die Anleitung

Der Bauplan ist übersichtlich gestaltet und führt auf acht Seiten zum fertigen Modell. Auf der Rückseite des in Heftform gestalteten Bauplans findet man eine Farbgrafik mit Ansichten den Boots von oben und backbord. Dazu Farbangaben, die sich (natürlich) auf die Humbrol-Farbpalette beziehen.

Fazit

Für viel Geld bekommt der Modellbauer einen betagten Bausatz, aus dem man aber trotz vieler Kritikpunkte mit einiger Initiative ein attraktives Modell eines frühen deutschen Schnellbootes fertigen kann, zumal es in diesem Maßstab konkurrenzlos ist. Eigentlich ein Oldie, aus dem ein Goldie werden kann.

alt empfehlenswert

Thomas Schmidt

Wir danken Airfix für das Bausatzmuster