Deckelbild

Modell: Battleship HMS Sans Pareil, 1891
Hersteller: Kombrig
Maßstab: 1/700
Material: Resin, Fotoätzteile
Art.Nr.: 70085
Preis: 50 € (bei NNT)

Das Original

Das britische Schlachtschiff/Linienschiff Sans Pareil war eines von zwei Schiffen der Victoria-Klasse und lief 1887 vom Stapel und wurde 1891 in Dienst gestellt. Das Schwesterschiff Victoria ist sicher das bekanntere Schiff, auch wenn der Ruhm recht zweifelhaft ist und auf ihren Untergang nach der Kollision mit der HMS Camperdown zurückgeht. Bei dem Unglück kamen 358 Menschen ums Leben.

Kombrig bringt nun zeitgleich von beiden Schiffen Bausätze auf den Markt. Auf dem Deckblatt der Bauunterlagen findet sich neben technischen Zeichnungen der Sans Pareil, eventuell handelt es sich auch um den allgemeinen Plan der Klasse, die technischen Daten und auch ein kurzer Abriß zur Geschichte des Originals, alles in englischer Sprache verfaßt.

Die beiden Schiffe der Victoria-Klasse sind eine Entwicklungsstufe auf dem Weg fort von der Breitseitenbewaffnung hin zum Turmschiff. Die Hauptbewaffnung bestand aus zwei 413 mm Kanonen, die in einem gemeinsamen Turm auf dem Vorschiff untergebracht waren. Das Kaliber war eine Notlösung, da die eigentlich vorgesehenen 340 mm Geschütze nicht verfügbar waren. Durch das höhere Gewicht der größeren Kaliber konnten keine zwei Türme installiert werden. Achtern wurde daher notgedrungen ein einzelnes, leichteres 254 mm Geschütz in einer Barbette aufgestellt. Die Sans Pareil war das letzte britische Linienschiff, das die gesamte Hauptartillerie in einem einzelnen Turm führte. Die Breitseiten waren mit der mittleren Artillerie in Kasematten bestückt.

Während die Bestückung der Hauptartillerie eine Kompromißlösung war, war der Antrieb der Schiffe der Victoria-Klasse erfolgreicher. Hier kam eine Dreifachexpansion-Dampfmaschine zum Einsatz, durch die der Kohleverbrauch deutlich reduziert werden konnte. Auf eine Takelage für Hilfsbesegelung konnte daher verzichtet werden.

Die beiden Schiffe der Victoria-Klasse waren für den Einsatz im Mittelmeer vorgesehen und die Sans Pareil tat dort auch zeitweise Dienst. Überwiegend wurde sie aber als Wachtschiff vor Sheerness verwendet. Im Zuge der Modernisierung der Flotte wurde das Schiff 1907 abgewrackt.

Quellen: Bauanleitung und Wikipedia (englisch und deutsch)

Technische Daten:
340 ft (110 m) Länge, 70 ft (21 m) Breite, 26 ft 9 in (8,15 m) Tiefgang bei einer Verdrängung von 11200 Tonnen. Die beiden installierten Dampfmaschinen leistete 8000 PS, womit 16 Knoten erreicht werden konnten. Die Besatzungsstärke betrug 550 Mann.

Bewaffnung:
2 x 16,25 inch (413 mm)
1 x 10 inch (254 mm)
12 x 6 inch (152 mm)
12 x 6 Pfünder
6 x Torpedorohre

Der Bausatz

Der Bausatz wird in einer Faltschachtel geliefert, auf dem sonst leeren Karton ist das Titelblatt mit einer historischen Aufnahme des Schiffes aufgeklebt. In der Schachtel ist der Rumpf lose abgelegt und mit Styroporchips gepolstert. Die Aufbauten und die Ätzteilplatine sind in separaten Beuteln verpackt. Die Bauanleitung, auf zwei DIN A4 Blättern beidseitig bedruckt liegt oben auf. Wie schon in anderen Rezensionen von Kombrig Bausätzen kritisch angemerkt, liegen auch hier sämtliche Resin-Anbauteile als Schüttgut im Beutel. Aber auch bei diesem Bausatz scheint sich das nicht negativ ausgewirkt zu haben.

Der Rumpf ist fehlerfrei gegossen, lediglich an der unteren Kante sind Grate zu spüren. Ebenfalls in diesem Bereich sind Schlieren eines Trennmittels (?) vom Abgießen zu sehen, beides sollte sich aber mit sehr feinem Schmirgelpapier beseitigen lassen. Davon abgesehen ist der 15,5 cm Rumpf detailliert gearbeitet. Sehr feine Strukturen wie Poller am Bug oder dünne Wände an den Aufbauten sind schön herausgearbeitet. Bei genauerer Inspektion konnte ich dann doch ein abgebrochenes Paar Poller am Bug entdecken.

Beim Auspacken der Kleinteile kamen ein paar Schornsteine mehr zum Vorschein als für das Schiff notwendig sind. Victoria und Sans Pareil hatten unterschiedlich hohe Schornsteine, beide Bausätze scheinen tatsächlich inhaltlich identisch zu sein. Von den hohen Schloten ist sogar die doppelte Anzahl enthalten.

Die Rohre der Kasemattgeschütze sind eine harte Nuss. Sie verlustfrei vom Träger zu bekommen dürfte nicht einfach werden. Hier wäre ein Überschuss sehr willkommen.

Die Rohre der übrigen Geschütze, Anker, Bootskräne etc. können problemlos verwendet werden.

Boote liegen dem Bausatz auch reichlich bei, sehenswert sind die beiden größeren Boote inkl. Torpedoboot.

Besonders gelungen ist auch die kleine Dampfbarkasse, die sich auch auf dem Deckelbild wiederfindet.

Größere Teile der Aufbauten sind auf eine Trägerplatte aufgebracht und müssen dort ausgeschnitten werden. Allerdings ist dieser Träger recht verzogen. Ob und wie sich das auf die Teile auswirkt läßt sich vor dem Ausschneiden nicht feststellen.

Die Fotoätzteile

Die Ätzteilplatine teilt sich der Bausatz mit dem der Victoria. Genau genommen ist es sogar der der Victoria, wie man der Beschriftung entnehmen kann.

Die Platine enthält etliche Details, wie die Anker und Ankerketten, Niedergangstreppen und Leitern, die Heckgalerie oder die Schornsteingitterroste. Seltsamerweise ist keinerlei Reling dabei, diese müsste im Handel zugekauft werden.

Die Anleitung

Die Bauanleitung birgt Licht- und Schattenseiten. Sämtliche Teile des Bausatzes sind als Foto abgebildet und man kann den Lieferumfang daran überprüfen.

Die eigentliche Bauanleitung besteht aus einer Serie von Explosionszeichnungen. Zur besseren Übersichtlichkeit ist der Zusammenbau in zwei größere Abschnitte gegliedert. Komplexere Teilschritte wie der Zusammenbau der Geschütze ist in separate Zeichnungen ausgegliedert.

Ätzteile sind in der Anleitung mit "PE" gekennzeichnet. Dennoch fällt das Zuordnen der einzelnen Teile nicht leicht und man sollte die Anleitung sorgsam studieren und mit den Bauteilen abgleichen um alles sicher zu identifizieren.

Masten, Spieren und Rahen müssen selbst hergestellt werden. Die benötigten Längen sind angegeben, die Durchmesser fehlen aber. Eventuell können diese auch aus der Zeichnung direkt abgenommen werden. Es mag Usus sein solche Teile selbst anzufertigen, als Neuling verwundert es dennoch weshalb solch relativ einfachen Teile dem Bausatz nicht beiliegen. Bei all den komplexen und kleinteiligen Baugruppen sollte dies eigentlich kein Problem sein.

Die Anleitungen enthält zwar einen Hinweis, dass Torpedonetz-Ausleger und Boote nicht gezeigt werden. Man fühlt sich allerdings recht alleine gelassen wohin diese denn nun gehören. Wie in anderen Rezensionen schon bemängelt schweigt sich die Anleitung zur Farbgebung oder zur "Takelage" gänzlich aus. Auf der technischen Zeichnung des Schiffes lässt sich zwar einiges identifizieren oder erahnen, hat man den Anspruch dies alles darstellen zu wollen, kommt man um das Studium anderer Quellen nicht herum.

Fazit

Mit der Sans Pareil bringt Kombrig ein interessantes Modell auf den Markt. Ein Erfolg war die Viktoria-Klasse wohl nicht. Es wurden nur zwei Schiffe gebaut, die nach der englischen Wikipedia den Spottnamen "Pair of Slippers", frei übersetzt "die Pantoffeln", trugen. Die Sans Pareil verbrachte den größten Teil des aktiven Dienstes unspektakulär als Wachschiff.

Dennoch geht für mich von dem Schiff, bzw. der Epoche eine gewisse Faszination aus. Antrieb und Bewaffnung waren im Umbruch und es wurde reichlich experimentiert. Durch Versuch und Irrtum entstanden einige recht originelle Entwürfe, nicht nur in England.

Zudem ist das Farbschema der viktorianischen Epoche für mich sehr ansprechend, hier ein Museumsmodell der Sans Pareil (Foto Lars Scharff):

Der Detailreichtum des Bausatzes war für mich beeindruckend, die filigrane leichte Artillerie der Breitseite zeigt auf was in diesem Maßstab möglich ist. Gerade das beschädigte Paar Poller unterstreicht dies, da mir die Beschädigung erst auf einem vergrößerten Foto aufgefallen ist. Dennoch kann die Verpackung der Bauteile optimiert werden.

Der Bausatz ist vergleichsweise übersichtlich und ich halte ihn auch für den Einsteiger geeignet. Zwar sind einige Kleinteile sicher eine Herausforderung, aber das ist bei einem Maßstab von 1/700 auch nicht anders zu erwarten.

Problematischer ist da schon die Bauanleitung, die sollte zuvor sehr gut studiert werden, einige Fragen werden dennoch offen bleiben. Studium von weiterführender Literatur und Internetrecherche sind unumgänglich. Wer so etwas nicht mag, wird mit dem Bausatz eher nicht glücklich werden.

Zur abschließenden Bewertung möchte ich noch anmerken, daß für mich das Modell im Vordergrund steht und ich daher die Bauanleitung weniger stark gewichte, auch wenn hier das größte Verbesserungspotential liegt. Wer das anders sieht, mag einen Stern vom Gesamtergebnis abziehen. Die Beurteilung bezieht sich ausschließlich auf den vorliegenden Bausatz. Vorbildtreue, Bauzustände oder gar Anachronismen aufgrund von Vermischung unterschiedlicher Bauzustände kann und will ich nicht bewerten, da mir hierzu schlicht das nötige Hintergrundwissen fehlt.

alt empfehlenswert

Holger

Wir danken Kombrig für das Bausatzmuster