Deckelbild

Modell: HMS Victoria Battleship, 1890
Hersteller: Kombrig
Maßstab: 1/700
Material: Resin, Fotoätzteile
Art.Nr.: 70084
Preis: 50 € (bei NNT)

Das Original

Die HMS Victoria war das Typschiff der Victoria-Klasse. Auf Kiel gelegt am 23. April 1885 trug sie bis zu ihrer Fertigstellung im April 1887 den Namen HMS Renown. Entworfen von Sir Nathaniel Barnaby, stellte sie die britische Antwort auf die französischen Schlachtschiffentwicklungen der Hoche- und Marceau-Klasse von 1881-1883 dar.

Als erste Schlachtschiffe der Royal Navy erhielten die HMS Victoria und ihr Schwesterschiff HMS Sans Pareil neu entwickelte Dreifachexpansionsmaschinen und zwei, nebeneinander stehende Schornsteine. Der Vorläufer der Victoria-Klasse, die Admiral-Klasse, war wegen der auf diesen Schiffen installierten ungeschützten Barbette-Geschütze sowie teilweise unzureichender Panzerung in der Royal Navy stark kritisiert worden. Bei der Victoria-Klasse kehrte man nun zum Design des Turm-Schiffes zurück. Der gepanzerte Turm beherbergte zwei jeweils 110 t schwere 413 mm Hinterlader auf Doppellafette, der Turm befand sich auf dem Vorderdeck und war in einen zusätzlichen Panzerring eingelassen. Die Konzentration der zwei Geschütze in einem Turm brachte eine Gewichtsverringerung, die für zusätzliche Panzerung des Schiffskörpers genutzt wurde. Die Geschütze befanden sich allerdings nur knapp 5 Meter über der Wasserlinie und der Feuerradius (theoretisch 300 Grad) wurde durch die Gefahr der Beschädigung durch die Druckwelle beim Abfeuern der gewaltigen Geschütze eingeschränkt. Die geringe Höhe ab Wasserlinie und zwei nicht wasserdichte Türen unmittelbar hinter dem Hauptgeschützturm führten dazu, dass das Vordeck des Schiffes praktisch ständig nass war, was zu einer weiteren Beeinträchtigung der Hauptgeschütze beitrug. Im August 1890 wurden die beiden, bis dahin 5,20 Meter hohen Schornsteine nach oben verlängert, da der ausgestoßene Rauch die Sicht und das Arbeiten an Deck stark beeinträchtigte.

Technische Daten:

Länge: 110,64 m
Breite: 21,34 m
Verdrängung: 11.400 ts

Antrieb: zwei Humphreys & Tennant Dreifachexpansions-Maschinen mit zwei Schrauben
Geschwindigkeit: 16 Knoten, max. 18 Knoten

Reichweite: 7.000 nm bei 10 Knoten

Bewaffnung:
2 x 431 mm Armstrong Hinterlader-Geschütze
1 x 254 mm Geschütz auf dem Achterdeck
12 x 152 mm in Kasematten im Mitteldeck
12 x 6 pdr QF auf dem Oberdeck
9 x 3 pdr QF, ebenfalls Oberdeck
4 x 356 mm Torpedorohre

Besatzung: 650 Offiziere und Mannschaften

Nach ihrer Indienststellung am 19. März 1890 in Chatham legte die HMS Victoria am 15. April des gleichen Jahres in Portsmouth ab, um am 24. April ihren Dienst als Flaggschiff der Mittelmeer-Flotte aufzunehmen. Am 22. Juni 1893 führte die britische Mittelmeer-Flotte unter dem Befehl von Vize-Admiral Sir George Tryon vor Tripolis (Libanon) Seemanöver durch. Dafür war die Flotte in zwei Divisionen aufgeteilt. Die erste Division bestand aus dem Flaggschiff der Mittelmeerflotte, der HMS Victoria sowie vier weiteren Schlachtschiffen (HMS Dreadnought, HMS Inflexible, HMS Nile und HMS Colligwood) und dem Kreuzer HMS Phaeton. Vize-Admiral Tryon befand sich auf der HMS Victoria. Die zweite Division unter dem Befehl von Konteradmiral Albert Markham bestand aus den drei Schlachtschiffen HMS Camperdown, HMS Edinburgh, dem Schwesterschiff der HMS Victoria, der HMS Sans Pareil, sowie den zwei Kreuzern HMS Amphion und HMS Edgar und den zwei Torpedokreuzern HMS Barham und HMS Fearless.

Bei dem von Admiral Tryon befohlenen Wendemanöver der beiden Divisionen, um den Ankerplatz vor Tripoli zu erreichen, kam es aufgrund einiger Missverständnisse und Fehleinschätzungen um 15.34 Uhr zu einer Kollision. Dabei rammte die HMS Camperdown mit einer Geschwindigkeit von ca. 6 Knoten die HMS Victoria steuerbords kurz hinter dem Bug. Innerhalb von 10 Minuten sank die HMS Victoria und riss 358 der 650 Mann Besatzung in den Tod, darunter auch den Befehlshaber der Mittelmeerflotte Vize-Admiral Sir George Tryon. Der erste Offizier der HMS Victoria lag zum Zeitpunkt der Kollision mit Fieber in seiner Kabine und konnte sich nur unter größter Anstrengung retten. Es handelte sich dabei um den späteren Befehlshaber der Grand Fleet in der Schlacht am Skagerrak, Sir John Jellicoe. Diese Kollision war die bis dahin größte Katastrophe, die die Royal Navy in Friedenszeiten hinnehmen musste. Danach gab es nie wieder ein Schiff mit diesem Namen in der britischen Kriegsmarine.

Vor einigen Jahren wurde das Wrack der HMS Victoria von Tauchern vor Tripoli entdeckt. Es steht als wohl einziges, je gefundenes Schiffswrack senkrecht im Meeresboden. Kurz danach wurde es zu einer offiziellen Grabstätte erklärt, es darf betaucht werden, aber nichts darf geändert oder entfernt werden.

Quellen:

  • Battleships and Battlecruisers von Tony Gibbons
  • Der Krieg der Panzerschiffe von Adm. Richard Hill
  • Panzerschiffe um 1900 von Ulrich Israel und Jürgen Gebauer

Der Bausatz

Wie bei Kombrig schon gewohnt, kommt das Modell in einer kleinen Pappschachtel daher, die mit Styroporflocken gefüllt ist. Darin befinden sich der ungeschützte Rumpf, eine Resinplatte mit den Aufbauten, eine kleine Plastiktüte mit weiteren Teilen und eine Tüte mit einem Fotoätzrahmen sowie dem Bauplan. Die Kleinteile sind gegen Bruch nicht gesichert. So sind an meinem Modell fünf der acht Poller am Bug abgebrochen.

Doch nun der Reihe nach.

Der einteilige Rumpf besticht durch die Vielfalt der aufgebrachten Details. Kohlenluken, Oberlichter, alles ist vorhanden. Die Schanzkleider auf dem Oberdeck sind Hauchdünn, an dem Kasematte-Pforten sind sogar die Scharniere zu sehen. Besser geht es kaum noch! Das Holzdeck ist gleichmäßig und sauber graviert, leider durchgehend und ohne Unterbrechung.

Was leider sehr negativ auffällt, ist das völlige Fehlen der Bug- und Heckzier. Auf allen zeitgenössischen Fotos des Schiffes, fällt dem Betrachter sofort die mächtige Bugzier ins Auge! Auch auf dem Schachtelfoto und dem beiliegenden Bauplan ist sie zu erkennen. Nur umgesetzt hat man sie nicht, schade!! Das Modell weist eine massive Ausbuchtung am Bug im Bereich der Bugzier und des Bugtorpedorohrs auf, die beim Schwesterschiff Sans Pareil vorhanden war, aber eventuell bei der Victoria fehlte.

Natürlich handelt es sich hier um ein Wasserlinienmodell, dennoch liegt mir persönlich die Victoria doch etwas zu tief im Wasser. Bei der Darstellung in voller Fahrt muss der Modellbauer zusätzliches „Fleisch“ in Form von Plastikplatten, die entsprechend geschnitten und verspachtelt werden, anbringen.

Die Teile der Aufbautenplatte sind hervorragend gestaltet. Maßstabsgerechte Schanzkleider in Höhe und Dicke, unterschiedlich gelegte Plankenstrukturen, alles scharfkantig und ohne Versatz!

Dem Bausatz liegen drei Schornsteinpaare bei: die ersten beiden Paare von links auf dem Foto gehören zur Victoria. Sie wurde mit kurzen Schornsteinen fertig gestellt und erhielt später deutlich längere. Das lange Paar ganz rechts ist vom Schwesterschiff Sans Pareil.

Alle Kleinteile sind von sehr guter Qualität, teilweise winzigst!! Hier kommt man bei einigen Baustufen wohl öfter an seine Grenzen! Aber gerade das ist ja die immer wiederkehrende Herausforderung bei diesem Maßstab!!

Die Beiboote sind wie immer bei Kombrig sehr schön gestaltet, ich habe bis heute noch keine besseren gesehen.

Auch das beiliegende Torpedoboot ist Klasse, nur leider fehlen die im Bauplan gezeigten Torpedos!? Trotz intensiver Suche konnte ich sie an keinem Gussast entdecken.

Die Fotoätzteile

Die Fotoätzteile von Kombrig waren in den letzten Bausatzvorstellungen ein immer wieder angesprochener Kritikpunkt, hielten sie doch mit der Qualität der Modelle kaum Schritt. Das schein sich jetzt geändert zu haben, denn diesem Bausatz liegt ein Fotoätzrahmen der, ebenfalls russischen, Firma Northstar bei. Hoffentlich ist man hier eine Kooperation eingegangen, die Zukunft wird es zeigen. Die Qualität dieser Fotoätzteile ist um Längen besser, als das, was wir bisher bekamen, leider fehlt immer noch die Reling. So sehr kann es doch den Preis dieser Modelle nicht in die Höhe treiben, wenn man sich seitens Kombrig dazu entschließen könnte, diese Teile endlich mitzuliefern.

Die Anleitung

Der Bauplan ist, wie gewohnt bei Kombrig, schnell ein Quell der Frustration. Die passenden Fotoätzteile haben keine Nummerierung, so dass man sie anhand ihrer Form identifizieren muss. Dass Masten und Rahen aus Messingdraht selbst anzufertigen sind, ist ja bekannt. Allerdings wird es für den Anfänger sehr schwierig, wenn sich, wie bei diesem Modell, der Hauptmast nach oben hin deutlich verjüngt. Nicht jeder hat eine Drehbank zu Hause!

Auch wird es erst nach längerem Hinsehen klar, das einige Teile der Beibootträger auf dem Hauptdeck zusammengeklebt oder besser gelötet werden müssen. Auch wird die Position der Beiboote und der Torpedonetzspieren nicht gezeigt, worauf der Bauplan allerdings auch hinweist. Die Torpedonetzspieren sucht man im Bausatz trotzdem vergebens. Farbangaben? Wie gewohnt, Fehlanzeige!

Fazit

Dennoch muss ich sagen, dass das Modell der HMS Victoria bis auf die genannten Mängel wirklich ein erstklassiges Produkt in diesem Maßstab ist. Mit Beharrlichkeit, Zeit, Erfahrung und Geschick unter Zuhilfenahme von allen erreichbaren Unterlagen zu dieser Schiffsklasse, kann eine sehr schöne Replik dieses interessanten Schiffes entstehen, das in der heimatlichen Vitrine aber auch auf Ausstellungen ein echter Hingucker sein wird. Einem Anfänger in diesem Maßstab kann ich diese Modell nicht empfehlen!!

Trotz der beschriebenen Mängel finde ich dieses Modell

alt empfehlenswert

Thomas Schmidt

Wir danken Kombrig für das Bausatzmuster