Sinkende Minenschiffe Tannenberg, Preußen und Hansestadt Danzig

Sinkende Minenschiffe Tannenberg, Preußen und Hansestadt Danzig, Quelle: Kringla.nu

Die Versenkung der Tannenberg, Preußen und Hansestadt Danzig

Die katastrophalen Folgen von Nachlässigkeit und Missverständnissen

Nach der deutschen Besetzung Dänemarks 1940 gab es praktisch keine Gefechtshandlungen im Ostseeraum. Deutschland und die Sowjetunion waren durch den Molotov-Ribbentrop-Pakt verbündet. Deswegen durften deutsche Schiffe unter Handelsflagge schwedische Territorialgewässer befahren. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wollten die Deutschen wieder schwedische Territorialgewässer befahren, um sowjetische Minen und U-Boote zu vermeiden.

Auf deutsche Anweisung wurde am 28. Juni eine Minensperre östlich von Öland bei Össby (manchmal auch Östby genannt) angelegt, um sowjetische Schiffe an der Durchfahrt zu hindern. Die Sperre bestand aus zwei Linien von Minen, durch die es an einer Stelle eine Fahrrinne gab. Das Anlegen der Sperre wurde öffentlich angekündigt und die deutschen und die sowjetischen Botschaften wurden benachrichtigt.

Um Schiffe vor der Minensperre zu warnen und Handelsschiffe durch die Fahrrinne zu begleiten, wurde die Sperre von einem Schiff der schwedischen Marine überwacht.

Der 9. Juli 1941 war ein schöner Sommertag ohne Seegang. Wegen Dunst war die Sicht aber auf einige Seemeilen begrenzt. Um Treibstoff zu sparen, wurde an Bord des Minensuchbootes HMS Sandön nur einer der zwei Kessel befeuert.

HMS Bremön, Schwesterschiff der HMS Sandön

Bild des Schwesterschiffs der Sandön, der HMS Bremön (Quelle Wikipedia Commons). Siehe auch das Schwesterschiff HMS Bremön heute als Museumsschiff in Karlskorna.

Um zirka 17 Uhr wurden nördlich von der Minensperre drei große, deutsche Passagierschiffe gesichtet, die von acht Räumbooten begleitet wurden. Die deutschen Schiffe steuerten geradewegs auf die Sperre zu. Oberleutnant Stig Axelson versuchte mit der HMS Sandön den Geleitzug abzufangen und sich zwischen die Sperre und die deutschen Schiffe zu legen, aber mit nur einem Kessel in Betrieb gelang ihm das nicht. Stattdessen nahm er Kurs auf das nächste Räumboot und Flaggensignale wurden gehisst, um die Deutschen vor der Minensperre zu warnen. Als sich das Räumboot näherte, rief er es mithilfe seines Megafons auf Deutsch an, sagte, dass die deutschen Schiffe unterwegs in eine Minensperre seien und bat sie, dies den anderen Schiffen mitzuteilen. Die Deutschen antworteten, dass sie verstanden hätten und gierten nach Backbord hin zu den Passagierschiffe. An Bord der HMS Sandön löste man die Sirene aus und gierte, um achterlich an die Passagierschiffen heranzukommen. Die Passagierschiffe reagierten nicht und Hansson wurde klar, dass eine Katastrophe vor der Tür stand.

Um ungefähr 18:10 erreichten die drei Passagierschiffe die erste Minenlinie und trafen je auf eine Mine. Sie trieben dann in die zweite Minenlinie und jedes traf auf eine weitere Mine. Durch das Feuer an Bord der Schiffe explodierten ihre Munitionskammern. Schrott und Splitter flogen durch die Luft, die Schiffe kenterten und brennendes Treiböl bedeckte die Wasseroberfläche. (Hier unterscheiden sich die Quellen ein wenig. Laut des deutschen Wikipedia wurde die Preußen nur von einer Mine getroffen und dann von ihrer eigenen Besatzung gesprengt.)

Sinkendes Minenschiff Tannenberg

Sinkendes Minenschiff Tannenberg, Quelle: Kringla.nu

Die Räumboote und die HMS Sandön fingen an, die im Wasser schwimmenden Überlebenden zu retten. Oberleutnant Axelson rief die Räumboote an und schlug vor, dass sie die Überlebenden auf das Deck der HMS Sandön legen sollten, da es dort mehr Platz gab. Bald lagen Räumboote an beiden Seiten der HMS Sandön.

Die deutschen Offiziere sammelten sich auf dem Achterdeck der HMS Sandön. Der Chef des deutschen Verbandes erklärte Axelson, dass sie von russischen Torpedos getroffen worden seien.
,,Nein’’, antwortete dieser, ,,Sie wurden von schwedischen Minen getroffen. Es ist eine schwedische Minensperre.’’
,,Was, eine schwedische Minensperre? Warum sind wir nicht informiert und gewarnt worden?’’
Jetzt war Axelson mit seiner Geduld fast am Ende. Er bat den Chef des ersten Räumbootes vorzutreten und fragte ihn:
,,Sind Sie der Chef des westlichsten Räumbootes?’’
,,Jawohl.’’
,,Habe ich mit Ihnen vor der Katastrophe gesprochen?’’
,,Jawohl.’’
,,Was habe ich gesagt?’’
,,Dass es vorne eine Minensperre gäbe, dass wir entweder stoppen oder Backbord gieren müssten und dass ich das dem Chef des Verbandes mitteilen sollte.’’
,,Und Sie machten das?
,,Jawohl, Herr Oberleutnant.’’

Sinkendes Minenschiff Tannenberg

Sinkendes Minenschiff Tannenberg, Quelle: Kringla.nu

Dann bat Axelson den Chef des deutschen Verbandes mit zur Brücke zu kommen und zeigte ihm die Signalflaggen, die immer noch gehisst waren. Es erwies sich, dass die Signale missverstanden worden waren.
,,Ich konnte keine Rücksicht auf Ihre Signale nehmen, da wir uns im Krieg befinden.’’
Sie gingen zurück zum Achterdeck und Axelson sagte den Deutschen:
,,Ich bin bereit, die am schwersten Verletzten nach Kalmar zu befördern. Um die Toten und leicht Verletzten müssen Sie sich selbst kümmern und sie nach Deutschland befördern.’’
Der Chef des Verbandes protestierte und wollte mit dem ganzen Verband nach Kalmar fahren. Axelson weigerte sich. Die Stimmung wurde bedrohlich. Axelson befahl der Besatzung der achteren 20 mm Maschinenkanone, die Kanone auf den Chef des Verbands zu richten.
,,Wir sind in Seenot.’’ sagte der Deutscher.
,,Wenn das hier die deutsche Auffassung von Seenot ist, kann ich das nur bedauern. Die See ist glatt wie ein Spiegel und Sie können den nächsten deutschen Hafen in nur einigen Stunden erreichen. Sie müssen unser Achterdeck sofort räumen, sodass ich die am schwersten Verletzten nach Kalmar mitnehmen kann.’’

Sinkendes Minenschiff Tannenberg, hinten brennende Hansestadt Danzig

Sinkendes Minenschiff Tannenberg, hinten brennende Hansestadt Danzig, Quelle: Kringla.nu

Das Verteilen der Überlebenden auf die Räumboote geschah unter ,,hässlichen Rufen und Schreien’’, so Axelson. Erst jetzt erkannte er, dass die drei versenkten Schiffe die Minenschiffe Hansestadt Danzig, Preußen und die Tannenberg waren. Es sagt viel über die mangelnde schwedische Aufklärung und Kommunikation aus, dass diese Schiffe den ganzen Weg von Finnland, entlang der schwedischen Ostküste fahren konnten, ohne beobachtet zu werden und ohne dass es Axelson mitgeteilt wurde.

Nachdem die nicht verletzten Deutschen die HMS Sandön verlassen hatten, nahm sie mit 16 schwer Verletzten Kurs auf Kalmar. Das hatte Axelson dem Krankenhaus mitteilen lassen, und als er um 23 Uhr Kalmar erreichte, war alles gut vorbereitet.

Sinkendes Minenschiff Tannenberg

Sinkendes Minenschiff Tannenberg, Quelle: Kringla.nu

Die Zahl der Ertrunkenen scheint unklar zu sein. Laut deutschem Wikipedia starben neun Besatzungsmitglieder der Hansestadt Danzig. Fregattenkapitän Wilhelm Schröder von der Danzig gibt 20 Seeleute als Gesamtzahl der Toten an. Wenn man bedenkt, dass die Besatzungen der drei versenkten Schiffe 650 Mann betrug, scheint das unwahrscheinlich wenig zu sein.

Der Minenreferent im deutschen Oberkommando der Marine, der die Information über die Lage der Minensperre nicht weitergegeben hatte, wurde später von einem Kriegsgericht zu einem Jahr Festungshaft unter Strafaussetzung bis Kriegsende verurteilt.

1941 wurde bei Össby an der Ostküste Ölands in Anwesenheit von Kronprinz Gustav Adolf und seiner Gemahlin Louise ein Gedenkstein für die Ertrunkenen eingeweiht.

Im März 1942 wurde Axelson der Verdienstorden ,,Deutscher Adler’’ verliehen. Er nahm die Medaille mit zum Hofjuwelier Barkman und ließ die Hakenkreuze entfernen. Er glaubte fälschlicherweise, dass es sich um einen alten deutschen Orden handelte, den die Nationalsozialisten übergenommen hatten. Tatsächlich ist der Orden am 1. Mai 1937 gestiftet worden. Aussehen und Name des Ordens waren aber eine Nachahmung des Preußischen Schwarzen bzw. Roten Adlerordens.

1952 und 1953 wurden die Wracks durch die schwedische Firma Intermarin geborgen und verschrottet.

Explodierendes Minenschiff Preußen

Explodierendes Minenschiff Preußen, Quelle: Kringla.nu

Hauptquelle

Im Buch gibt es einen langen Auszug aus Oberleutnant Axelsons Memoiren. Die Wiedergabe der Gespräche an Bord der HMS Sandön stammen daraus. Sie wurden auf Deutsch geführt, sind im Buch aber auf Schwedisch wiedergegeben. Ich habe sie wieder ins Deutsche übersetzt und ein wenig gekürzt.

Nebenquellen

Ulf Lundberg