07. Mai 1765: 250. Geburtstag der HMS Victory

 

Und es sieht so schmissig aus im Mantel- und Degenfilm: Der Freibeuter fährt in einer eleganten Kurve ein, auf „Anker los“ rasselt der Anker in die Tiefe, etwas später - der Feind kommt - drehen sechs verschwitzt aussehende Herren kurz am Spill und der Anker ist oben und man entkommt ...

Dass dies im realen Leben aber eine extreme Knochenarbeit war, die einige hundert Mann benötigt hat, das will ich hier an meiner Victory vorstellen.

Technik

Auf großen Schiffen wurden die Anker meist durch zweistöckige Spills bedient.

So konnten auf der einen Ebene bis zu 120 Mann stolperfrei drehen, und auf dem anderen Deck konnte ohne Behinderung das Kabel bedient werden. Dazu wurden bei Bedarf die Spaken in den Kopf gesteckt, die zusätzlich durch ein umlaufendes Tau – Swifter genannt - stabilisiert wurden.

So konnten an jeder Spake bis zu zehn Mann drücken und am Swifter nochmals zwei ziehen, insgesamt 120 Mann.

Was an Deck im Weg war, wurde beiseite geschoben – wie die Geschütze - ...

... oder die Stützen der Deckenbalken, die kurzerhand für die Dauer der Aktion mit einer Art Wagenheber ausgebaut wurden.

Um die Spills gegen Rückschlag zu sichern, befinden sich in der Basis die Pallen, eiserne Flügel, die in ein Lochraster der Bodenplatte greifen. Wenn die Drehrichtung des Spills umgedreht wurde, dann ließen sich diese Pallen einfach auf die andere Seite umlegen.

Die Drehrichtung ist immer von unten nach oben. Die unbelasteten Kabel liegen unten auf, während sich die belasteten Kabel langsam bis zur eingebauten Kante hocharbeiten.

Anker werfen

Schon für das Anker werfen waren umfangreiche Vorbereitungen nötig. Auf der Back - dem vorderen oberen Deck - waren einige Dutzend Herren damit beschäftigt, die Anker loszulaschen ...

... und an den Kranbalken / Cathead hängend zu platzieren. Dabei sind einige Tonnen Gewicht nur mit Muskelkraft über Flaschenzüge zu bewegen.

HMS Victory

(Bild NMM)

Derweilen war auf dem unteren Deck über eine Hundertschaft damit beschäftigt, das schwere und störrische Ankerkabel aus der Kabellast ein Deck tiefer zu holen und in langen Schlaufen auf dem Deck auszulegen.

Zuletzt wurde noch eine Schlaufe um die Beting gelegt, das große „Festmachholz“ ...

... da dies aber alleine nicht gehalten hätte, wurde das Ankerkabel noch durch eine Vielzahl von Stoppern zusätzlich gesichert.

Die Deckstopper, an Ringen im Deck befestigt und am Kabel angelascht ...

... die Bitstopper, die an der Beting befestigt sind ...

... und die Dogstopper, die die Kabelschlaufe um die Beting sichern, indem sie das Kabel davor und danach zusammenspannen.

Wenn jetzt der Befehl kam, „Anker los“, dann wurde die Halterung am Kranbalken freigegeben und der Anker rauschte in die Tiefe. Das heißt, das in Schlaufen ausliegende Kabel rauschte durch die Ankerklüsen hinterher - da möchte ich lieber nicht in der Nähe des Kabels gewesen sein. Auch wenn der Anker im Wasser langsamer sinkt als er in der Luft fällt, die dort wirkenden Kräfte dürften schon beachtlich gewesen sein. Da das Kabel immer länger als die Wassertiefe ist, wird es nach Grundkontakt des Ankers noch weiter auslaufen, bis es durch die Schlaufe um die Beting und die Stopper abrupt gebremst wird. Das gibt bestimmt einen guten Ruck durch die gesamte kinetische Energie. Gleichzeitig wird das Schiff mit backgestellten Segeln „rückwärts“ gesegelt, damit der Zug auf das Kabel den Anker gut im Boden eingräbt. Erst dann steht das Schiff.

Als Orientierungsgröße gilt, dass das Kabel dreimal die Wassertiefe haben sollte. Bei meinen 150 Meter Kabel - abzüglich des Teils, der im Schiff ist - sollte dies dann für knapp 40 Meter Wassertiefe reichen, wenn ich es richtig verstanden habe.

Bei tieferen Wassern werden zwei Ankerkabel zusammengespleißt. dann würden auf dem Deck etwa 9 Schlaufen liegen an Stelle der 5 jetzt gezeigten, das sollte vom Platz auch noch passen.

Anker lichten

Da die Ankertrosse viel zu dick und störrisch ist, um um das Spill zu laufen, wird ein dünneres Hilfskabel benutzt, das Kabelar oder Messenger. Das ist ein Endloskabel, das über eine Laschung zusammengehalten wird, hier ist diese beim Durchgang durch das Spill zu sehen.

Da auch dieses Kabel schwer ist, und um die Reibungskräfte auf dem Boden zu minimieren, wird es auf großen Schiffen auch in Deckenrollen geführt.

Im Bugbereich gleich hinter dem Manger - dem kleinen abgesperrten Bereich bei den Klüsen - werden dann das Kabelar und das Ankerkabel zusammengebunden, hier rot dargestellt.

Im Bugbereich läuft das locker ankommende Kabelar über die beiden Rollers auf die andere Seite ...

... um gleich nach dem Manger zusammengelascht / genippt (genippert?) zu werden..

Beide Kabel laufen dann zusammen über die Beting nach hinten.

Auf der Backbordseite ist zu sehen, wie die beiden Augen des Kabelars durch die hängenden Rollers laufen, auf der anderen Seite geht es eine kurze Strecke nur gerade aus ...

... um das Ankerkabel dann loszubinden und im Orlop verschwinden zu lassen.

Dazu sollte natürlich auch das rechte Grätingsteil entfernt werden, aber das hatte ich in unendlicher Weisheit in grauer Vorzeit schon viel zu final eingeklebt ...

Interessanterweise wird das Steuerbordkabel backbords gestaut und umgekehrt, was die Handhabung erleichtert.

Das Messenger hat aber noch die Ehrenrunde vor sich und läuft am Pumpenensemble vorbei, auf der Zugseite über die beiden Rollers in der stabilen Stütze ...

... um sich dann am Spill mehrfach um die runde Ecke zu schmiegen.

Und wer ganz genau hinsieht, der sieht Mr. Thor, der seinen Hammer schwingt :-)

Seine Aufgabe besteht darin, mit wuchigen Schlägen dafür zu sorgen, dass sich das ankommende Kabel nicht über die darüber liegenden Windungen wickelt. Rechts von ihm sieht man auch schon Jack, Ben und Phil ziehender und schwitzender Weise das ausgehende Kabel freihalten.

Hier noch einige Schnappschüsse:

Daniel Fischer

PS: Spielfeld für dieses Display ist der bekannte Heller 1/100 Bausatz der HMS Victory.

www.dafinismus.de

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Teil 2