Hersteller: HP-Models
Maßstab: 1/700
Art. Nr.: WW I-WL-G-047
Preis: 45 Euro
Material: Resin
Original
Die Graudenz war das Typschiff einer Klasse von zwei deutschen Leichten Kreuzern, die, klassifiziert als Kleine Kreuzer, im Haushaltsjahr 1911 bewilligt wurden. Sie stellten eine Weiterentwicklung der Magdeburg- und Karlsruhe-Klasse da, wobei die Zahl der Kessel von 16 bei der Magdeburg über 14 bei der Karlsruhe auf 12 bei der Graudenz gesenkt werden und so wieder auf einen Schornstein verzichtet werden konnte. Ein weitere Verbesserung war, dass die achteren beiden 10,5 cm Geschütze überhöht angeordnet wurden, so dass die Breitseite von sechs auf sieben Geschütze gesteigert wurde. Die Graudenz hatte eine Länge von 143,7 m, eine Breite von 13,8 m und einen Tiefgang von 5,8 m. Die maximale Verdrängung betrug 6382 ts bei einem Konstruktionsdeplacement von 4912 ts.
Bewaffnung 1914
12 x 10,5 cm L/45
2 x 50 cm Torpedorohre (unter Wasser)
Bewaffnung 1916
7 x 15 cm L/45
(2 x 8,8 cm L/45, auf Photos nicht nachweisbar!)
2 x 50 cm Torpedorohre (unter Wasser)
2 x 50 cm Torpedorohre (über Wasser)
Bewaffnung 1926 (als italienische Ancona)
7 x 15 cm L/45 (als 14,9 cm L/43 bezeichnet)
3 x 7,62 cm L/40
3 x 6,5 mm MGs
2 x 50 cm Torpedorohre (unter Wasser)
2 x 50 cm Torpedorohre (über Wasser)
1 x Macchi M.7 ter Bordflugzeug
Graudenz wurde 1912 auf Kiel gelegt, lief am 25.10.1913 vom Stapel und wurde am 10.8.1914 wegen des Kriegsausbruchs vorzeitig in Dienst gestellt. Sie war an mehreren Vorstößen in der Nord- und Ostsee beteiligt, u.a. gemeinsam mit den Schlachtkreuzer Moltke, Seydlitz und Derfflinger, dem Panzerkreuzer Blücher (der versenkt wurde) und den Leichten Kreuzern Kolberg, Stralsund und Rostock, sowie 18 Zerstörern an der Schlacht an der Doggerbank am 24.1.1915. Vom 26.10.1915 bis zum 18.2.1916 wurde Graudenz umgebaut, wobei die 10,5 cm Geschütze gegen 15 cm Geschütze ausgetauscht wurden und zwei zusätzliche Torpedorohre installiert wurden. Hierbei sollen auch zwei 8,8 cm Flak montiert worden sein, die aber auf den Photos nicht nachweisbar sind. Am 22.4.1916 lief Graudenz bei einem Vorstoß in die Nordsee auf eine Mine und musste von dem Zerstörer S 51 und dem Geschützten Kreuzer Frauenlob eingeschleppt werden. Die Reparatur dauerte bis zum 13.9.1916, weshalb Graudenz die Schlacht vor dem Skagerrak am 31.5/1.6.1916 verpasste. Graudenz wurde 1919 in die Reichsmarine eingegliedert und am 10.3.1920 außer Dienst gestellt.
Im Juni 1920 wurde sie als ‚E‘ nach Cherbourg ausgeliefert. 1921-25 wurde sie in Taranto umgebaut und am 6.5.1925 als ‚Esploratori‘ (Spähschiff) Ancona in Dienst der italienischen Marine gestellt. Bei diesem Umbau wurde ihre Brücke modifziert und 7,62 cm Flaks an Bord genommen. 1926 erhielt sie vor dem Großmast ein Macchi M.7 ter Bordflugzeug und einen Ladebaum am Großmast, um das Flugzeug für Start und Landung ins bzw. aus dem Wasser heben zu können. 1928/29 wurde der Bug zu einem Klipperbug verlängert, um auf dem Vorschiff ein Katapult für das Bordflugzeug installieren zu können. Dabei wurde Ancona auch zum ‚Incrociatore‘ (Kreuzer) umklassifiziert. Ab September 1935 war Ancona Reserve, am 11.3.1937 wurde sie außer Dienst gestellt und 1937/38 abgewrackt.
Bausatz
Der Bausatz soll – wie schon auf der Packung vermerkt, auf der die Graudenz in einem späten Zustand abgebildet ist – die Graudenz im Zustand von 1917 darstellen. Aber dazu noch mehr. Der Rumpf ist zwei Millimeter zu kurz, hat aber die korrekte Breite. Die Darstellung der Holzplanken ist sehr fein. Auch die Darstellung der Ankerketten ist gut. Die angegossenen Treppen werden viele durch Ätzteile erstetzen. Nicht sorgfältig sind die Positionen der 15 cm Geschütze gestaltet. Diese Achtecke sind überall verzerrt, was schon ein Fehler des Mastermodels sein muss.
Die Aufbauten sind gut detailliert und fast gratfrei. Es fällt aber erneut die nicht sorgfältige Ausführung der 15 cm Positionen auf.
Sichtbar wird aber hier ein grundsätzliches Problem des Bausatzes: das obere Brückendeck stellt den Zustand als Ancona nach dem Umbau da. Hier Abbildungen des Originals (links 1921 vor dem Umbau, rechts 1929 nach dem Umbau):
Im Vergleich dazu die Teil des Bausatzes. Links ist das untere Brückendeck, welches schon bei der Graudenz 1917 verglast war. Rechts ist das obere Brückendeck, was erst von der italienischen Marine verglast wurde, mit dem zusätzlichen Brückendeck darüber.
Für den Rückbau zur Graudenz muss das zusätzliche Brückendeck und die Verglasung der Brückenfront des rechten Bauteils entfernt werden. Zudem stimmt der Grundriss dieses Decks im vorderen Bereich nicht ganz. Hierfür kann die in der Anleitung beiliegende Aufsicht genutzt werden, wobei der Plan das achtere Teil dieses Decks (etwa ab dem Entfernungsmesser) falsch darstellt. Hier ist das beigelegte Teil korrekt.
Hier noch die restlichen Plattformen, die oberen Teile der Schornsteine, die Untermasten, Boote, Scheinwerfer, 15 cm Geschütze, Flakgeschütze (7,62 cm!!) und die Torpedorohre:
Ähnliche Probleme wie bei der Brücke treten bei der Hütte auf. Hier wurde eine zusätzliche Plattform für eine 7,62 cm Flak hinzugefügt, die erst von der italienischen Marine installiert wurde. Statt 8,8 cm Flak, die ich allerdings auf Photos nicht nachweisen konnte, liegen sechs 7,62 cm Flak bei.
Die 15 cm Geschütze sind eine weitere Enttäuschung. Die Schutzschilde sind als Block dargestellt und die Andeutung des Verschluss des Geschützes hinten ist auch noch seitlich versetzt. Diese Geschütze wird man neu herstellen müssen.
Die beiliegenden Boote kann man auch nur teilweise verwenden und die in der Anleitung dargestellten Positionen sind falsch. Graudenz verfügte über sieben Boote, während in der Anleitung nur sechs angeben sind. Dem Bausatz liegen neun Boot bei: drei Pinassen, drei Kutter und drei nicht näher identifizierbare Boote. Die Angaben im Groener "Die deutschen Kriegschiffe 1815-1945" sind leider unklar und auf den Photos sind zwar sieben Davit-Paare zu erkennen, aber auf den mir vorliegenden Photos sind nicht alle Boote an Bord. Ich vermute: ein Großes Dampf-Beiboot, ein Dampf-Beiboot, eine Pinasse, zwei Kutter und zwei Jollen, wobei Backbord von vorne nach hinten eine Pinasse, eine Jolle, ein Dampf-Beiboot und ein Kutter positioniert waren und an Steuerbord von vorne nach hinten ein Dampf-Beiboot, eine Jolle und ein Kutter. Auf den Photos sind aber lediglich eine Jolle backbord und die beiden Kutter erkennbar:
Es ist also notwendig sich aus anderen Quellen Boote zu besorgen oder sich mit den auf den Photos erkennbaren Kuttern zu behelfen. Falls ein Leser hier nähere Informationen hat, bitte an
Davits liegen nicht bei. Diese waren im Original aus Doppel-U-Profilen. Zu beachten ist, dass, wie auf den Photos erkennbar, die Davits unterschiedliche Höhen hatten.
Bei den Masten liegen nur die Untermasten bei, wobei die Krähennester – zwei auf dem Fockmast und eines auf dem Großmast – fehlen. Ebenso fehlen die Entfernungsmesser auf dem Kommandoturm und der Brücke, die selbst hergestellt werden müssen.
Der Bausatz enthält keine Ätzteile, aber ein Flaggenset:
Der Bausatz ermöglicht ohne größere Veränderungen nur den Bau der Ancona 1925. HP-Models hat auch die Ancona im Programm, wo bei mir nicht bekannt ist, ob die Bausätze identisch sind. Für spätere Zustände der Ancona ist die Macchi M.7 ter notwendig, wobei für den Zustand zwischen 1926-28 nur noch ein Ladebaum am Großmast hinzugefügt werden muss. Für den letzten Zustand muss der Bug modifiziert und ein Katapult auf dem Vorderdeck installiert werden.
Um die Graudenz 1917 korrekt darzustellen, ist es notwendig die Hütte und die Brücke zu modifizieren. Hierfür muss das obere Brückendeck umgebaut oder gleich neu hergestellt werden. Die Darstellung der Graudenz im ursprünglichen Zustand mit 10,5 cm Geschützen benötigt einen grösseren Umbau, wobei u.a. auch die Back verkürzt werden muss, da die 10,5 cm Geschütze Nr. 3 und 4 im Gegensatz zu den 15 cm Geschützen auf dem Oberdeck standen.
Anleitung
Die Anleitung besteht aus einem Profil und einer Aufsicht der Graudenz 1917, einer Teileliste und einer Explosionszeichnung. Das Profil und die Aufsicht sind relativ wenig detailliert (es fehlen z.B. die Boote), aber bis auf die Umrisse des oberen Brückendecks korrekt. Die Zeichnung zeigt übrigens deutlich, dass der Bausatz nicht mit dem Zustand der Graudenz 1917 übereinstimmt! Die Explosionszeichnung stellt dann auch den Zustand der Ancona 1925 da, wobei die Darstellung relativ unübersichtlich ist und es unklar ist, wo genau welche Teile positioniert werden müssen. Es gibt Größenangaben für die nicht beiliegenden Davits - wobei aber nur ein Typ angeben ist, während Graudenz zwei verschieden hohe Davit-Typen hatte - und die beiliegenden Untermasten (der Großmast muss noch gekürzt werden), aber keine Größenangaben für die nicht beiliegenden Obermasten und die fehlenden Entfernungsmesser. Farbangaben oder Hinweise auf die Geschichte der Graudenz fehlen komplett.
Graudenz hatte hölzerne Decks, die Aufbautendecks waren wahrscheinlich mit Linoleum belegt (Revell 83), der Rumpf in Mittelgrau (etwa Humbrol 165) und die Aufbauten Hellgrau (etwa Humbrol 129).
Fazit
HP-Models verkauft hier eine Ancona im Zustand von 1925 als Graudenz im Zustand von 1917. Wenn die notwendigen Veränderungen für einen Rückbau das einzige Problem wären, würde ich diesen Bausatz trotzdem noch empfehlen. Es kommen allerdings noch die schlechten 15 cm Geschütze, die falschen Boote, die fehlenden Davits und Entfernungsmesser und die schlechte Anleitung hinzu, so dass ich angesichts des recht hohen Preises diesen Bausatz
NICHT EMPFEHLE.
(was angesichts des Fehlens von Alternativbausätzen jammerschade ist.)