Modell: Chinesische Piratendschunke
Hersteller: Amati
Maßstab: 1:100
Grösse: Länge 40 cm, Höhe 32 cm, Breite 10 cm
Preis: ca. 105 €

Zum Original / geschichtliches


Eine Dschunke ist ein Segelschiff traditioneller Bauart aus China, die heute noch in dieser Form im Einsatz sind. Ihre Verwendung war sehr vielseitig; hauptsächlich dienten sie dem Handel, wurden aber auch als Hausboote verwendet oder dienten der Fischerei. Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen, kann man noch zwischen Dschunken für Flüsse und Meer unterscheiden und zwischen nordchinesische und südchinesische.
Ihre Größe war je nach Einsatzzweck unterschiedlich, und die üblichen Exemplare erreichten eine Größe von ca. 20-60 m. Ab dem Jahre 1400 n.Chr. erreichten die grössten Dschunken eine Länge von bis zu 160 meter und besaßen bis zu neun Masten. Damit waren die Dschunken die grössten Segelschiffe. Andere Quellen sprechen jedoch von "nur" 120 Meter.
Die typische Konstruktion einer Dschunke wird in Wikipedia wie folgt umschrieben:
Die Dschunke ist mit europäischen oder arabischen Schiffsbauten nur bedingt zu vergleichen, da es sich bei ihr um ein so genanntes Kastenboot handelt. Sie besitzt keinen Kiel, hat einen flachen Boden und die Seitenwände sind fast senkrecht hochgezogen. Die Beplankung ist in Klinkerbauweise ausgeführt, jedoch werden die Planken hier, anders als im europäischen Schiffbau, von oben beginnend, nach unten hin angesetzt. Viele Dschunken zeichnen sich durch ihre hochgezogenen Enden aus, die dem Schiff manchmal eine fast bananen-ähnliche Form verleihen.
Das Modell widerspricht dem, indem es eine klassische Kielbauweise besitzt, und auch eine Klinkerbeplankung ist nicht vorgesehen. Schauen wir einmal in den Karton, um zu sehen, was der Bausatz so alles bietet.

Inhalt Box





Die stabile Schachtel ist, wie bei solchen Modellen üblich, mit einem Blister ausgestattet. Oben sind die langen Teile wie beispielsweise Leisten und Rundhölzer für die Masten untergebracht, während im unteren Teil die Zurüstteile in zwei separat herausnehmbaren Boxen untergebracht sind. Über all dem sind die Bauanleitung, der Plan sowie die Sperrholzteile gelegt. Alles in allem eine gute Verpackung, die den Inhalt zuverlässig schützen sollte.

Bauanleitung





Die 8 seitige Anleitung ist auf Italienisch, Französisch und Englisch gehalten; für den deutschsprachigen Raum ist nur ein kopiertes A4-Blatt beigelegt. Es sind keine Photos der Baustufen abgebildet, sondern nur Zeichnungen. Allgemeine Tipps sind nicht zu finden, so sollte sich ein Anfänger vor dem Bau mit weiterführender Literatur eindecken, bevor er sich auf den Bau stürzt. Ein Plan mit 3-Seiten-Riss ist vorhanden, leider fehlt ein Spantenriss, um die Rumpfform zu überprüfen (und gegebenfalls zu korrigieren). Alles in allem sind die Unterlagen eher dürftig. Von "anfängertauglich" leider keine Spur.

Holzplatten





Die Spanten und der Kiel sind auf 4 mm-(Pappel?)Sperrholz gelasert, was einen zügigen Baufortschritt ermöglicht. Teile, die wie z.B. das Deck etwas flexibler sein müssen, sind hingegen auf 1 mm-Sperrholz - ebenfalls mittels Laser - vorgeschnitten. Die Deckshäuser sind aus dem gleichen Material gefertigt. Soweit hält sich der Baukasten an die üblichen Standards.

Rundhölzer und Leisten


Das Material für die Rumpfbeplankung fällt etwas knapp aus. Es sind exakt 50 Leisten beigelegt, 3 x 1 mm, 35 cm lang. Damit ist es möglich, den Rumpf mit einer einfachen Beplankung zu versehen. Ein Anfänger wäre mit einem doppelt beplankten Rumpf besser bedient; zwar bringt dies mehr Arbeit, man kann aber mit der ersten, unsichtbaren Beplankung seine Fertigkeit trainieren. Die zweite Beplankung würde dann sicherlich besser aussehen.
Für das Deck sind 25 Leisten geplant, 3 x 1 mm, 45 cm lang. Das Deck kann damit zwar beplankt werden, aber eine Reserve ist nicht vorgesehen, resp. der Anfänger muss sich noch Gedanken machen, das Material möglichst effizient einzusetzen. Die Bauanleitung weist auf eine Beplankung hin, die höchstwahrscheinlich falsch ist, da jede zweite Plankenreihe gleich verlaufen soll.
Vierkant- und Rundhölzer für die Masten sind in ausreichender Anzahl vorhanden.

Zurüstteile








Es sind diverse Zurüstteile vorhanden:

  • Die zwei Beiboote sind aus einem hellbeigen Kunststoffguss, eine Holzstruktur ist vorhanden. Es ist dennoch empfehlenswert, sich Beiboote aus Holz zu beschaffen, da die Farbgebung dadurch stimmiger wird.

  • Die zwei Anker sind aus Holz (!)

  • Die Kanonen sind mitsamt Lafette aus Messing. Da diese nicht besonders schön sind, kann man auch darauf verzichten und aus der Piratendschunke eine Handelsdschunke machen. Damit entfällt auch das Ausschneiden der Stückpforten. Hinweise, wie die Kanonen korrekt vertäut werden, sind nicht vorhanden

  • Die Winden sind nicht sehr genau vorgebohrt, entweder man bohrt die Löcher für diese Winden neu oder man schleift die Seitenwände dünner. Eine unnötige Arbeit, wenn die Qualität etwas besser wäre.

  • die Treppen sind aus breiten Holzleisten im Sägezahnprofil angefertigt. Eine schnelle Montage ist dadurch möglich, dafür sieht das Resultat alles andere als überzeugend aus.


Farbgebung





Für die Farbgebung hat sich Amati etwas interessantes einfallen lassen: die "Bemalung" wird mittels Abreibefolie (!) auf die Sperrholzteile angebracht. Die Haftung der Farbe auf dem Holz ist für den Moment ausreichend, aber es wird sich zeigen müssen, ob die dünne Schicht den Bau unbeschadet übersteht. Ich habe da so meine Zweifel.

Segel und Takelgarn





Für die Segel ist bedruckter Stoff beigelegt. Takelgarn ist in drei verschiedenen Stärken vorhanden, leider schweigt sich die Anleitung aus, welches Garn wo eingesetzt werden muss. Für die Knoten sieht es ähnlich düster aus. Auf der Anleitung sind zwar viele Knoten abgebildet, aber welcher Knoten wo verwendet wird, darüber wird der Erbauer im Dunkeln gelassen.

Der Baubeginn


Die Dschunke bin ich momentan mit meiner Freundin am bauen. Da sie praktisch keine Erfahrung im Modellbau hat, ist das eine gute Gelegenheit, das Modell auf Anfängertauglichkeit hin zu überprüfen. Die Probleme beginnen schon ganz am Anfang: der eine Spant ist völlig falsch. Wenn man das zusammengesteckte Spantengerüst von vorne betrachtet, so fällt gleich auf, dass der Spant in der Mitte viel zu rechteckig ist, und nicht mit den anderen, eher spitz zulaufenden Spanten harmoniert. Mangels Spantenriss kann man das nur mit Aufwand wieder korrigieren. Die ersten Zurüstteile, die wir begonnen haben (die drei Winden), waren falsch angebohrt, und der hinterste Spant (beim Ruder) muss nicht dünner gefräst werden, wie die Anleitung vorgibt, sondern komplett halbiert werden, da sonst die Ruderachse keinen Platz hat. Die ersten Baustufen sind somit nicht gerade aufbauend...

Fazit


Von einem Anfängermodell erwarte ich, dass es Lust auf mehr weckt. Dazu sollte die Qualität so gut sein, dass der Bau ohne Probleme vonstatten geht, die Anleitung klar und übersichtlich ist und auch genügend Tipps für den Erbauer bereithält, der sich noch nicht mit dem Holzmodellbau auseinandergesetzt hat. Die Dschunke erfüllt die Bedingungen für einen Anfängerbausatz in keinster Weise. Im Gegenteil, wer als Anfänger dieses Modell baut, wird sehr schnell die Freude am Modellbau verlieren, da viel Nacharbeit nötig ist. Dazu, von "Museum Quality", wie auf der Verpackung steht, ist das Modell meilenweit entfernt.
Finger weg!

Alex