Britischer Flugzeugträger HMS Vindictive: Deckelbild

Modell: Hawkins Class Cruiser HMS Vindictive
Hersteller: AJM Models
Maßstab: 1/700
Material: Resin, Fotoätzteile, Abziehbilder, Draht
Art.Nr.: 700-012
Preis: 109,6 € (bei NNT)

Das Original

Der britische Flugzeugträger HMS Vindictive wurde ursprünglich als ein Schwerer Kreuzer der Hawkins-Klasse begonnen. Diese 1915 entworfene Klasse sollte deutsche Kreuzer und Hilfskreuzer bekämpfen und so Handelsschiffe schützen. Anforderungen waren ein großer Fahrbereich, eine Geschwindigkeit von 30 kn und eine Bewaffnung, die es den neuen Kreuzern ermöglichen sollte, fliehende deutsche Kreuzer zu stellen und zu versenken. Diese Ansprüche machten einen relativ großen Rumpf notwendig. Um über Geschütze mit größerer Reichweite als die potentiellen Gegner zu verfügen, entschied man sich für eine einheitliche Bewaffnung mit 19 cm-Geschützen. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs gab es allerdings wegen der effektiven britischen Blockade kaum mehr deutsche Handelsstörer außerhalb der Nordsee, so dass der Bau der Hawkins-Klasse keine Priorität mehr hatte und nur langsam voran ging. Als entschieden wurde, die Vindictive als Flugzeugträger fertigzustellen, erhielt ihr Bau wieder Priorität.

Die notwendigen Änderungen wurden so durchgeführt, dass das Schiff im Falle eines Scheiterns leicht wieder zum Kreuzer umgebaut werden konnte. Die Vindictive ähnelte dann der Furious nach deren komplettem Umbau zum Flugzeugträger. Die größte Änderung war der Einbau eines Hangars für sechs Flugzeuge vor der Brücke, der das zweite 19 cm-Geschütz ersetzte. Das Hangardach war nach vorne über das erste Geschütz erweitert und diente als Startdeck. Zwei der zuvor geplanten achteren 19 cm-Geschütze wurden nicht eingebaut. Dadurch wurde die Zahl der schweren Geschütze von sieben auf vier reduziert. Über den achteren Teil des Schiffs, hinter den Schornsteinen bis zum hintersten Geschütz, wurde ein Landedeck gesetzt. Das Landedeck war mit dem Startdeck durch eine Passage an den Aufbauten vorbei verbunden. Das Ergebnis war ein Hybrid zwischen einem Kreuzer und einem Flugzeugträger. Wie bei der änlichen Furious verursachten die Aufbauten und Schornsteine Turbulenzen auf dem Landedeck, so dass das Landen gefährlich war - und anscheined auf der Vindictive nur einmal (!) versucht wurde. Dazu war die Hangarkapazität für ein Schiff dieser Größe relativ gering. Die Vindictive kam trotzdem als Flugzeugträger während der britischen Intervention im Russischen Bürgerkrieg 1919 zum Einsatz. Der Umbau zum Flugzeugträger wurde aber als nicht erfolgreich betrachtet. Ein Umbau in einen Träger mit einem durchgehenden Deck wurde wegen der zu geringen Größe des Schiffs nicht durchgeführt, stattdessen erfolgte später der Rückbau zu einem Kreuzer. Der Hangar wurde dabei aber beibehalten und auf diesem das erste Katapult auf einem britischen Kreuzer montiert.

Die Vindictive war 184,4 m lang, 19,8 m breit und verdrängte 12.600 t. Der Antrieb bestand aus zwölf Kesseln (vier Kohle- und acht Öl-befeuert) und vier Dampfturbinensätzen mit insgesamt 60.000 PS, womit 30 kn erreicht werden sollten (bei Probefahrten im Krieg aber nur 29,1 kn). Die Besatzung bestand aus 648 Mann.

Bewaffnung 1918
4 x 19 cm L/45 BL Mk VI (vier Mk V-Einzellafetten)
8 x 7,62 cm L/40 Mk (vier PI-Lafetten und vier Mk II-Flak)
6 x 53,3 cm-Torpedorohre (zwei unter Wasser, vier über Wasser)
6 Flugzeuge (1919 aber drei Grain Griffin, zwei Sopwith 2F.1 Camel, drei Sopwith 1½ Strutter und vier Short Type 184)

Die Vindictive wurde 1916-18 von Harland & Wolff in Belfast gebaut. Sie lief noch als Cavendish vom Stapel, wurde aber im Juni 1918 in Vindictive umbenannt, um den im Mai in Ostende versenkten Geschützten Kreuzer zu ehren. Sie wurde am 1. Oktober 1918 in Dienst gestellt und am 18. Oktober Teil der Trägerstreitkräfte der Grand Fleet (Flying Squadron) - knapp vor Ende des Ersten Weltkriegs am 11. November, so dass sie im Krieg nicht mehr zum Einsatz kam. Im Juli 1919 wurde sie in die Ostsee geschickt, um dort die britische Intervention im Russischen Bürgerkrieg zu unterstützen. Aber schon am 6. Juli lief sie bei Tallinn auf eine Sandbank und wurde stark beschädigt. Auflaufen scheint eine Spezialität der Hawkins-Klasse gewesen zu sein: die Schwesterschiffe Raleigh und Effingham gingen beide durch Auflaufen verloren. Erst nachdem 2200 t Vorräte aus dem Schiff entladen worden waren und nach mehreren erfolglosen Versuchen, konnte sie nach einer Woche bei Hochwasser geborgen werden. Danach operierten ihre Flugzeuge primär von Land aus. Aber am 30. Juli starteten zwei Sopwith 1½ Strutter und zwei Grain Griffin trotz der Beschädigungen von der Vindictive aus für einen Angriff auf Kronstadt, bei dem der Tanker Tatiana beschädigt wurde. Bei einem weiteren Angriff auf Kronstadt am 17./18. August unterstützten ihre Flugzeuge einen Angriff durch CMB-Schnellboote. Im November 1919 kam es an Bord, wie auch auf vielen anderen britischen Schiffen im Einsatz gegen die Bolschewiki, zu meutereiartigen Arbeitsverweigerungen, die zu mindestens 29 Festnahmen und teilweise langjährigen Strafen führten. Im Dezember 1919 wurde die Vindictive und der Großteil ihrer Flugzeuge zurückgezogen. Sie wurde in Portsmouth repariert, blieb aber danach bei der Reserveflotte.

1923-25 wurde sie zum Kreuzer umgebaut. Dabei wurden das Lande- und Startdeck entfernt, die Zahl der 19 cm-Geschütze auf sechs erhöht und ihre 7,62 cm-Geschütze durch drei 10,2 cm-Flak ersetzt. Der Hangar wurde beibehalten und sie erhielt einen Kran und ein Katapult auf diesem. 1925-28 wurde sie in China eingesetzt, danach kam sie 1930-36 erneut zur Reserveflotte. Wegen des Londoner Flottenvertrags wurde sie 1936-37 zum Schulschiff umgebaut. Hierfür wurden die Hälfte der Kessel und Maschinen ausgebaut (und deshalb auch der achtere Schornstein entfernt), zusätzliche Deckshäuser errichtet und die Bewaffnung auf zwei 12 cm-Geschütze reduziert. Im Gegensatz zu ihren Schwesterschiffen wurde sie nach dem Scheitern der Flottenverträge nicht wieder zum Kreuzer umgebaut, da dies wegen der entfernten Maschinen, Schrauben und Kessel sehr aufwendig gewesen wäre. Stattdessen erfolgte ein Umbau zum Reparaturschiff und sie erhielt eine Flakbewaffnung. Sie diente in Norwegen, Südatlantik, Mittelmeer und schließlich zur Unterstützung der Landung in der Normandie. Dort soll sie von einem Dackel-Torpedo beschädigt worden sein. Sie wurde 1945 außer Dienst gestellt und 1946 zum Abwracken verkauft. Die Vindictive erhielt einen Battle Honour für den Einsatz in Norwegen 1940.

Der Bausatz

Der Bausatz der Vindictive von AJM Models ist der erste Bausatz dieses Schiffs im Maßstab 1/700. AJM Models plant auch weitere Bausätze der Hawkins-Klasse. Bisher gibt es von der Hawkins-Klasse nur die Bausätze der Hawkins und Frobisher im Zustand des Zweiten Weltkriegs von HP Models.

AJM Models stellt die Vindictive im Zustand als Flugzeugträger 1918 dar. Der Bausatz ermöglicht den Bau eines Wasserlinienmodells. Der Rumpf ist 1 mm zu kurz, stimmt aber von der Beite und ist überwiegend vorbildgetreu. Allerdings ist der Seitenpanzer am Bug und insbesondere am Heck viel zu stark ausgeprägt und die Schrägstellung des Seitenpanzers und damit der Seitenwand des Rumpfs mittschiffs ist nicht dargestellt. Diese Schrägstellung fälllt auch auf Fotos des Originals kaum auf, aber den Seitenpanzer an Bug und Heck sollte man dünner schleifen. Die Detaillierung des Rumpfs ist ansonsten gut. Die Gussqualität ist überwiegend gut. An der Wasserlinie muss man etwas nachschleifen und einige Details am Seitenpanzer mittschiffs sind etwas verwaschen. Am Urmodell gab es außerdem wohl ein Problem, da zwischen dem kleinen Aufbau und dem hinteren Ende des Backdecks eine kleine Spalte ist, die man verschließen muss.

Die beiden größten Teile der Aufbauten sind das Landedeck und der Hangar samt des Unterbaus der Brücke. Beide Teile sind gut detailliert, bei den Seitenwänden des Hangars kann man teilweise aber noch erkennen, dass das Urmodell gedruckt wurde, d.h. die Oberflächen sind nicht perfekt. Ich denke, dass die Streben an den Seiten etwas mit dem ausfahrbaren (ausklappbaren?) Windschutz des Startdecks zu tun haben.

Für die Aufbauten findet man sonst noch einige Deckshäuser, Teile der Brücke und die Schornsteine. Die Schornsteine haben oben eine angedeutete Öffnung. Bei den anderen Aufbauteilen kann man teilweise auch erkennen, dass die Urmodelle gedruckt und nicht oder kaum nachbearbeitet wurden.

Die sonstigen Kleinteile, 19 cm- und 7,62 cm-Geschütze, Otter, Anker, Scheinwerfer, Entfernungsmesser, Winden, Beiboote etc. sind gut detailliert und gut gegossen. Allerdings lässt die Verpackung zu wünschen übrig: Bei meinem Exemplar sind fast alle Otter abgebrochen, d.h. man muss die hinteren Flossen wieder ankleben. Leider sind für die Geschütze keine Messingrohre im Bausatz enthalten. Für die 7,62 cm-Geschütze gibt es Rohre von Master, für die 19 cm-Geschütze sind mir keine Alternativen bekannt.

Der Bausatz enthält insgesamt sechs Flugzeuge: zwei Sopwith 2F.1 Camel, zwei Sopwith 1½ Strutter und zwei Short Type 184. Diese Teile sind gut detailliert, die Rippenstruktur der Flügel ist für den Maßstab etwas heftig, aber vielleicht wirkt sie ja gut? Durch die unzureichende Verpackung gab es auch hier kleinere Schäden, z.B. am Flügel einer Short. Leider fehlt die Grain Griffin, ein Typ, der länger an Bord stationiert war. Über die Zusammensetzung der Bordgruppe 1918 habe ich nichts gefunden - nur, dass der einzige Landeversuch mit einer Sopwith Pup durchgeführt wurde. Dieser Typ ist nicht enthalten, ist aber von Admiralty Model Works erhältlich. Für die volle Bordgruppe 1919 während des Einsatzes in der Ostsee muss man ein paar zusätzliche Flugzeuge kaufen - die es von AJM Models auch extra gibt - und muss sich überlegen, wie man an die Grain Griffin kommt.

Dem Bausatz liegen auch Drahtstücke verschiedener Stärken bei, die u.a. für die Masten verwendet werden sollen. Diese sind allerdings alle verbogen und müssen erst wieder gerade gebogen werden.

Die Fotoätzteile

Die Fotoätzteile des Bausatzes sind sehr umfangreich. Eine große Platine (Foto links oben) enthält die Stützen des Landedecks, die Verbindung des Lande- und Startdecks, die Erweiterung des Startdecks, den Lukendeckel des Hangars und einige Plattformen. Die Barriere, um die Flugzeuge bei der Landung vor dem Schornstein abzufangen, hatte feinere Seile dazwischen, um Flugzeuge sicher zu stoppen. Beim Fotoätzteil sind nur die groben Streben dargestellt - eventuell besser so, da man die Seile dazwischen mit Fotoätzteilen wohl nur schwer fein genug darstellen kann. Die ausgeklappte Windbarriere für das Startdeck ist nicht enthalten. Eine zweite Platine (rechts oben) könnte für mehrere Bauzustände der Hawkings-Klasse konzipiert sein. Hier finden sich die Schornsteingrille, Wellenbrecher, weitere Plattformen, bereits abgelängte Reling, Niedergänge, Kabeltrommeln, Teile für die Beiboote, Anker, Ankerketten etc. Die Teile für die Bordflugzeuge - wie schon erwähnt fehlt die Grain Griffin - finden sich auf einigen kleinen Platinen (links unten), die zusammen mit den Resinteilen wohl auch extra erhältlich sind. Außerdem finden sich Teile für die 19 cm-Geschütze (rechts unten), u.a. das Schutzschild und Teile für die Lafetten. Diese sind ebenfalls extra erhältlich.

Die Fotoätzteile sollten alle für den Bau notwendigen Teile umfassen - außer eben die fehlende Grain Griffin (ja, das ärgert mich wirklich).

Abziehbilder

Die Abziehbilder umfassen Flaggen sowie Hoheitszeichen für die drei enthaltenen Flugzeugtypen.

Die Anleitung

Die Anleitung umfasst eine Übersicht der enthaltenen Teile, eine Bemalanleitung für das sehr aufwendige und eindrucksvolle Tarnschema der Vindictive von 1918 und für die drei enthaltenen Flugzeugtypen (Farbangaben beziehen sich auf Lifecolor) sowie eine Bauanleitung, die den Zusammenbau in 31 Schritten erklärt. Die Anleitung wirkt klar, insbesondere in Kombination mit der Seiten- und Aufsicht in der Bemalanleitung.

1919 während des Einsatzes in der Ostsee im Rahmen der britischen Intervention in den Russischen Bürgerkrieg war die Vindictive wohl grau über alles gestrichen. Die Farbe wirkt wie ein mittleres Grau. Alle späteren Zustände würden größere Umbauten erfordern. Selbst für den Umbau zurück in einen Kreuzer und den Einsatz in China (weißer Rumpf, ockerfarbene oder graue Aufbauten?) würde es schon größere Änderungen brauchen. Man müsste das Landedeck und die Erweiterung des Startdecks vor dem Hangar weglassen, auf dem Hangar das Katapult und den Kran ersetzen. Außerdem müsste man auf dem Achterschiff die beiden fehlenden 19 cm-Geschütze (gibt es extra von AJM Models) und deren Unterbauten und Splitterschutz ergänzen, wofür man einen kleinen Aufbau entfernen und einen anderen ergänzen müsste. Auch die achtere Feuerleitposition, der Großmast und die Positionen der Flak müssten überarbeitet werden.

Quellen

Fazit

AJM Models ist zur Wahl dieses sehr eindrucksvollen und interessanten Vorbilds, dem zum Flugzeugträger umgebauten Kreuzer HMS Vindictive (ex Cavendish), zu gratulieren. Der Bausatz macht auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck. Er ist durch den umfangreichen Fotoätzteilsatz, die Abziehbilder und enthaltene Metallstäbe auch bereits sehr vollständig und die Gussqualität ist überwiegend sehr gut. Als Nachteil fällt mir zunächst die unzureichende Verpackung auf, es gab doch einige abgebrochene und angebrochene Teile. Weitere negative Punkte am Modell selbst sind der zu massiv dargestellte Seitenpanzer an Bug und Heck, der nicht schräg gestellte Seitenpanzer mittschiffs, die fehlenden Grain Griffin-Bordflugzeuge und kleinere Unzulänglichkeit des Urmodells. Insgesamt dürfte dieser Bausatz aber mit überschaubarer Nacharbeit den Bau eines tollen Modells ermöglichen.

alt empfehlenswert

Lars