Deckelbild

Modell: HMS Kittiwake
Hersteller: White Ensign Models
Maßstab: 1/350
Material: Resin, Ätzteile
Art.Nr.: WEM K3569
Preis: ca. 100 €

Das Original

Als Ersatz für noch aus dem ersten Weltkrieg stammende Geleitschiffe wurden zwischen 1935 und 1939 neun Einheiten der Kingfisher-Klasse gebaut. Diese nach Seevögeln benannten Schiffe (so ist Kittiwake z.B. die Dreizehen-Möwe) sollten im Küstenvorfeld als Konvoigeleit und Uboot-Jäger eingesetzt werden. Von daher war ihre Hauptbewaffnung die Wasserbombe, darüber hinaus besaßen sie zuerst lediglich ein 4 – Zoll - Geschütz (ohne Feuerleitsystem) und mehrere leichte MG, keine sehr effektive Flakbewaffnung also. Die Schiffe hatten Turbinenantrieb. Da Turbinenschaufeln aber sehr aufwendig in der Herstellung und die Produktionsmöglichkeiten begrenzt waren, eignete dieser Entwurf sich nicht zur Massenproduktion. Alles in allem waren es attraktive Schiffe, mit einem Aussehen wie kleine Zerstörer.

Laut Norman Friedman „British Destroyers & Frigates“ unterschieden sich die zuletzt gebauten drei Schiffe Guillemot, Pintail und Shearwater durch eine optimierte Rumpfform von den früheren Einheiten. Sie waren um etwa drei Meter kürzer, 30 Zentimeter schmaler und ihr (für die ASDIC – Funktion wichtiger) Tiefgang war etwa 30 Zentimeter größer. Die Standard – Verdrängung stieg von 498 auf 570 tons.

Diese Einheiten wurden im Krieg hauptsächlich, nun unter der Bezeichnung Korvetten, an der britischen Ost- und Südküste eingesetzt, ein Bereich, in dem die Gefahr nicht nur von U-Booten, sondern auch von Schnellbooten und Flugzeugen kam. Die Kingfishers wurden deshalb mit verstärkter Flakbewaffnung ausgestattet, zuerst mit einem 12,7 mm-Vierlings-MG, und später auch mit den allgegenwärtigen 20 mm-Oerlikons. Auch Seeüberwachungs-Radar vom Typ 271 in einer Plexiglas-„Laterne“ wurde nachgerüstet.

Einer der ungewöhnlichsten Einsätze der HMS Kittiwake ereignete sich im Juni 1941; vor der Küste von Norfolk nahm sie die Besatzung des „Fleet Tender C“ auf, der auf das Wrack eines Tankers aufgelaufen war. Kittiwake lieferte sich daraufhin ein Feuergefecht mit deutschen Schnellbooten und Flugzeugen, wobei sie nicht verhindern konnte, dass das aufgelaufene Schiff torpediert wurde und aufgegeben werden musste. Dieser „Fleet Tender C“ gehörte zur „Force W“, einem Verband von Kriegsschiffattrappen, und war die ehemalige SS Mamari, die so umgebaut worden war, dass sie dem Flugzeugträger Hermes glich.

Trotz der gefährlichen Einsätze ging nur eine der neun Sloops verloren; HMS Pintail sank am 10. Juni 1941 durch Minentreffer. Nach dem Krieg wurden die Schiffe außer Dienst gestellt, verkauft oder verschrottet.

Der Bausatz

Der Bausatz besteht aus einem an der Wasserlinie geteilten Rumpf, einer Anzahl Resinteile, einer recht grossen Ätzteilplatine und einem Stück Messingdraht für den Mast. Decals liegen nicht bei, die Kennungen müssen durch Abreibebuchstaben oder andere Techniken aufgebracht werden.

Die Resinteile sind generell sauber gegossen und weisen kaum Überschüsse auf, die Kleinteile liegen an „Gussästen“ vor. Trotzdem ist der Guss nicht völlig kantenscharf und die Details wirken ähnlich abgerundet wie bei modernen Airfix-Bausätzen. Regenabweiser an den Bullaugen und Wiedergaben der Rumpfplatten fehlen. Die Passung der Rumpfhälften ist sehr gut, und glücklicherweise waren die Teile auch nicht verzogen, ein häufiges Problem bei WEM.

Auf die unterschiedliche Rumpfform geht der Bausatz nicht ein. Ich messe sonst keine Bausätze aus, hier habe ich es der Neugier halber getan. Die Länge in der Wasserlinie entspricht einer Originallänge von 71,4 m und liegt damit zwischen den von Friedman angegebenen Werten der frühen und späten Baulose. Ich nehme an, dass der Unterschied am fertigen Modell sowieso nicht auffallen wird.

Der Detaillierungsgrad ist hoch und mit den zahlreichen Ätzteilen sollte ein sehr sehenswertes Modell entstehen. Die Ätzteile sind von sehr hoher Qualität, typisch WEM und von Peter Hall entworfen. Die Relings für das Vorschiff liegen als abgelängte und vorgeformte Teile bei, wodurch die Verarbeitung bestimmt erleichtert wird. Generell finden sich Teile sowohl für die frühe als auch späte Version, so sind z.B. die sehr schönen Wasserbombenrelings zweimal vorhanden, einmal in der längeren, frühen, und einmal in der kürzeren, späten Version. Sehr schön sind auch die reliefgeätzten Namensschilder für alle Einheiten der Klasse. Fraglich ist, ob die Flakwaffen als Ätzteile in diesem Maßstab gut aussehen, oder lieber durch Resinteile ersetzt werden sollten. Ähnliches gilt für die Kombüsenschornsteine, das Ruder, die Anker sowie die Ankerketten. Sehr schön sind die Schotten, die offen dargestellt werden können, und wie stets die Niedergänge und Davits. Der Draht für den Mast soll konisch zugeschliffen werden, hier könnte in Blick in das Programm von BMK hilfreich sein.

Die Anleitung

Die Bauanleitung ist WEM-typisch auf hohem Niveau. Neben einer Geschichte der Klasse findet sich eine Aufzählung der Teile und eine gut verständliche Bauanleitung in Einzelschritten. Wie immer gilt, dass, wer lesen kann und diese Fähigkeit auch anwendet, echt im Vorteil ist - ein aufmerksames Studium der Bauanleitung ist ein Muss. Die „other instructions“ auf der letzten Seite der Anleitung gehen auf die Modernisierungen ein und empfehlen John Lamberts-Artikel für weitere Informationen.

Die Bemalungsanleitung zeigt ein Farbprofil der HMS Kittiwake AP 507B über alles sowie eines der HMS Shearwater in attraktiver Western Approaches–Tarnung. Eine Decksansicht zeigt, welche Bereiche mit Cemtex beschichtet waren. Die Farbangaben beziehen sich auf WEM Colourcoats.

Fazit

Ein sehr schöner Bausatz einer weniger bekannten Geleitschiffklasse, gut ausgestattet und mit mehreren Optionen hinsichtlich Rüstzuständen und einzelnen Einheiten. Wegen Anstrichen und Kennungen empfiehlt sich eigene Recherche. Schon aus dem Kasten wird man ein sehenswertes und ungewöhnliches Modell erhalten. Jeder kann selbst entscheiden, welche Möglichkeiten der weiteren Verfeinerung sinnvoll erscheinen. Ist der Guß auch nicht so fein wie bei manchen Mitbewerbern, ist er auf jeden Fall sehr brauchbar – und die Ätzteile gehören zum Besten, was zu haben ist.

EMPFEHLENSWERT

Frank Spahr