Titel: The World´s Worst Warships
Verlag: Conway Maritime Press
Autor: Antony Preston
Umfang: 192 Seiten
Erscheinungsdatum: 2002
ISBN: 0 85177 754 6
Preis: sehr variabel
Der Wert bestimmter Schiffsklassen, ihre Einschätzung als Erfolg oder Misserfolg, hat mich schon immer interessiert, insbesondere als darüber selten Einigkeit herrscht. Antony Preston (1938-2004) war ein sehr erfahrener Marine - und Schiffbauexperte. Wenn man z.B. seinen Namen bei Amazon aufruft, erhält man 56 Treffer. Von daher hat mich interessiert, was er zum Thema "die schlechtesten Kriegsschiffe der Welt" zu sagen hatte, und ich habe mir das Buch zugelegt, von dem ich weiß, dass es durchaus umstritten ist.
Hier meine Meinung:
Preston hat für sein Buch 30 seiner Meinung nach misslungene Schiffsklassen vom Beginn der Panzerschiffära bis in die 1970er Jahre ausgesucht. Jeder Schiffsklasse werden in dem Buch etwa fünf Seiten gewidmet. Es werden jeweils der Entstehungsprozess und die Einsatzgeschichte beschrieben. Die wichtigsten technischen Daten und ein bis zwei Fotos sowie Linienrisse mit Maßstabsangabe runden das Bild ab. Das Kapitel wird jeweils mit einer Schlussfolgerung des Autors abgeschlossen.
Nun wird allein die Auswahl der Schiffe bei vielen zu mehr oder minder leidenschaftlichen Missfallensäußerungen führen, besonders, wenn man bedenkt, wie intensiv und oft emotional gerade über die Vorzüge und Nachteile bestimmter Schiffstypen in vielen Internetforen debattiert wird. Wir interessierten Laien haben ja nun alle ein unterschiedlich ausgeprägtes Wissen und jede Menge Ansichten, und so wird jeder von uns angesichts der Liste manchmal spontan nicken, manchmal zuerst nicht wissen, was gemeint ist und manchmal spontan sich an den Kopf fassen. So ist z.B. die HMS Captain ein relativ zweifelsfreier Kandidat für die drastischste Fehlkonstruktion, während andererseits viele von uns allein angesichts der Aufnahme der Bismarck, der Yamato und der Flugkörperschnellboote der La Combattante II–Klasse (in Deutschland Klasse 148, Tiger-Klasse) in dieses Buch an den Geisteskräften des Autors zweifeln werden.
Wenigstens kann man Preston keine nationale Voreingenommenheit vorwerfen, denn es finden sich Projekte aller wesentlichen Seemächte, nicht zuletzt britische, in der Liste. Interessant ist es, sich intensiver mit dem Vorwort des Autors zu beschäftigen, um seine Motivation und die Auswahl der Schiffsklassen zu verstehen.
Preston stellt zuerst fest, wie komplex das Waffensystem Kriegsschiff eigentlich ist. Er weist darauf hin, dass mit dem Einzug von Maschine und Panzerung sowie mit der Erfindung wirksamerer Artillerie immer mehr Ingenieurswissen erforderlich wurde, um erfolgreiche Konstruktionen zu produzieren, wodurch der Schiffbau vom Handwerk zur Wissenschaft wurde.
Er betont, dass viele Laien, Politiker, Offiziere der Nachrichtendienste und bestimmte Entscheidungsträger in Marineführungen die Komplexität der Kriegsschiffkonstruktion nicht erfassen. Er nennt Beispiele wie die öffentliche Diskussion und den Druck auf die Royal Navy nach den britischen Schiffsverlusten im Falklandkrieg, als der Bau vermeintlich revolutionärer neuer Schiffstypen gefordert wurde. Auch die während des kalten Krieges weit verbreitete Überschätzung sowjetischer Schiffstypen und ihr Einfluss auf westliche Konstruktionen werden als Beispiel für unangemessene Einflüsse auf Schiffskonstruktionen aufgeführt. Später im Buch finden sich noch mehrere Beispiele überschätzter fremder Schiffstypen und als Ergebnis dieser Fehleinschätzungen konzipierter Klassen des jeweiligen Gegners.
Diese Einmischungen von Laien egal welcher Herkunft in das komplexe Waffensystem Kriegsschiff ärgern den Autor sichtlich. Eins der im Vorwort angeführten Beispiele ist recht deutlich: Bei einer Sitzung der britischen Admiralität in den dreißiger Jahren griff der Leiter des Marinenachrichtendienstes (der DNI) den Leiter der Konstruktionsabteilung (den DNC) an. Er fragte nach, warum die aktuellen britischen Kreuzer den japanischen der Furutaka-Klasse sowohl in Bewaffnung, Geschwindigkeit und Raumausnutzung so sehr unterlegen seien. Der DNC antwortete darauf, dass entweder die japanischen Zahlen nicht der Wirklichkeit entsprachen (was stimmte), oder aber die Japaner ihre Schiffe aus Karton bauen mussten.
Preston gibt mehrere Punkte an, die Kriegsschiffskonstruktionen beeinflussen. Er sieht
- Kostendruck
- Empfundene Bedrohungen
- Die industrielle Leistungsfähigkeit
- Die Kompetenz der Konstrukteure
- Das Einsatzgebiet des Schiffes und
- Fehlerhafte Gefechtsanalysen
als entscheidend an.
So enthält das Buch Beispiele, wie Schiffe aus Kostengründen nach ungünstigen Plänen gebaut wurden, aber auch viele Beispiele ungeheurer Geldverschwendungen für im Nachhinein nutzlose oder ihren Zweck nicht erfüllende Schiffe.
Es enthält viele Beispiele, wie nach unvollständigen oder fehlerhaften Daten gewonnene Bedrohungsabschätzungen zu unnötigen Reaktionen führten. Hier finden sich die der russische Kreuzer Rurik und sowjetische Konstruktionen wie die Alfa–Unterseeboote als Beispiele für überbewertete Schiffe wieder.
Es enthält Beispiele für Konstruktionen, die aufgrund mangelnder industrieller Leistungsfähigkeit scheiterten und – sehr interessant – für die Nachteile massenproduzierter Schiffsklassen.
Es geht auf Konstruktionen ein, die auf Druck der Entscheidungsbefugten und über den Kopf der Fachleute hinweg unternommen wurden, bis hin zu solchen, deren Entstehungsprozess von mangelndem Verständnis für ihren Zweck und die technischen Notwendigkeiten, ja sogar die Naturgesetze gekennzeichnet war. Schließlich geht er auf gezielte Fehlinformationen und Schummeleien auf, durch die die Ergebnisse von Probefahrten manipuliert und geschönt wurden.
Er bezieht sich auf administrative Fehler, die durch Konkurrenz oder mangelnde Kommunikation innerhalb des Regierungsapparats entstehen.
Schließlich betont er, wie wichtig es ist, dass Schiffe im Hinblick auf ihr geplantes Einsatzgebiet entworfen werden, um durch Anpassung an die See- und Klimabedingungen nutzbringend und sicher eingesetzt werden zu können – eine ständig seekranke Mannschaft wird eher Fehler machen als eine nicht dadurch beeinträchtigte.
Abschließend betont er, dass er nach drei Jahrzehnten der Beschäftigung mit dem Thema immer noch von dessen Komplexität beeindruckt wird, und dass er deshalb dieses Buch verfasst hat.
Aus diesem Blickwinkel wird klarer, worin Prestons Kritikpunkte bestehen und was seine Auswahlkriterien waren.
Fazit
Das Buch liest sich recht schnell. Störend sind die auffällig zahlreichen Druckfehler, ansonsten ist es recht flüssig geschrieben. Ich habe einiges Neues beim Lesen erfahren und konnte meist nachvollziehen, was den Autor an den einzelnen Schiffsklassen störte.
Für mich ist der Titel des Buches nicht angemessen, er ist mir zu reißerisch. Abgehandelt werden nicht nur wirklich schlechte Schiffe, sondern auch solche, die zwar Fehler haben, aber nicht herausragend schlecht sind – allerdings illustrieren sie die Überzeugung des Autors über die schädliche Einmischung von Nicht-Fachleuten in die Kriegsschiffskonstruktion.
Für mich war es sehr interessant, die Ansichten Prestons als ausgewiesenem Fachmann kennen zu lernen. Ich möchte das Buch jedoch nicht rundweg empfehlen. Für das, was es bietet, ist es in meinen Augen zu teuer.
Frank Spahr