Das Original
Die HMS Mary Rose war mit 800 t eines der größten Kriegsschiffe ihrer Zeit in der Marine des Tudor-Königs Henry VIII. Nur die Henry Grâce à Dieu, allgemein bekannt als Great Harry, übertraf sie in Bezug auf die Verdrängung und die Zahl der Kanonen.
Im Gegensatz zu einem populären Mythos sank die Mary Rose nicht auf ihrer Jungfernfahrt. Die Mary Rose lief 1511 vom Stapel und nahm erfolgreich an einer Reihe von Schlachten in den Kriegen mit Frankreich teil. Nach einer Modernisierung 1536 war sie eines der ersten Schiffe, das eine Breitseite abfeuern konnte.
Im Dritten Französischen Krieg (ein Teil des Italienischen Kriegs) versuchte am 19. Juli 1545 eine große französische Flotte in England zu landen. Sie griff die britische Flotte an, die im Solent vor Portsmouth vor Anker lag. Die Mary Rose, getrieben von einer aufkommenden Nachmittagsbrise von achtern, führte den Angriff der Flotte gegen die französischen Galeeren an. Nach dem sie ihre Backbordbatterie abgefeuert hatte, wendete sie, um ihre Steuerbordbatterie abfeuern zu können, während die Backbordbatterie nachgeladen wurde. Für das, was als nächstes passierte, gibt es eine Vielzahl von Theorien: eine plötzliche Windböe, eine zu scharfe Wende, die Franzosen behaupteten sogar, dass es ihr Geschützfeuer war…
Nach dem Wendemanöver bekam sie plötzlich eine dramatische Schlagseite. Das Wasser strömte schnell durch die geöffneten Stückpforten auf der Leeseite, so dass sie kenterte und innerhalb von kürzester Zeit sank. 500 Besatzungsmitglieder und Soldaten wurden getötet, die meisten waren unter den über die Decks gespannten Enterschutznetzen gefangen und konnten sich so nicht retten. Die plötzliche und schockierende Tragödie wurde von Henry VIII. miterlebt, der nur wenige Hundert Meter entfernt sich auf Southsea Castle, Portsmouth, aufhielt.
Mehr Details kann man hier und hier finden.
Die Reste der Mary Rose und eine umfangreicher Fund an Gegenständen wurden 1982 gehoben. Nach über 30 Jahren Konservierungsarbeit wird das ¾ der Steuerbordseite, das noch erhalten ist, einem neuen, modernen Museum im Portsmouth Historic Dockyard ausgestellt. Das Museum ist einen Besuch wert, insbesondere, wenn man ein Modell des berühmten Schiffs bauen will.
Das Modell
Der vor relativ kurzer Zeit erschienene Bausatz von Airfix im Maßstab 1/400 ist ein vereinfachter, relativ billiger und netter Bausatz. Die Abmessungen sind, soweit man dies sagen kann, vorbildgetreu. Der Bausatz wurde mit Unterstützung und Genehmigung des HMS Mary Rose Trust entworfen. Mit der Hilfe des für den Bausatz entworfenen Fotoätzteilsatzes von scalewarships.com erwartete ich einen schnellen und einfachen Bau. Wie schwer könnte dies schon sein?
Um zu sehen, wie falsch ich lag, lest bitte den detaillierten Baubericht hier.
Das Modell erhielt komplett aus Metall selbst gebaute Masten. Die Spieren sind aus Stahlrohren und die Rahe aus gedrehten Messingteilen.
Die Suche nach passenden Enterschutznetzen erwies sich alleine schon als eine langwierige Angelegenheit. Dabei lernte ich viel über die Welt von Netzen mit kleinen Löchern!
Eine umstrittene und viel diskutierte, aber letztendlich nicht gelöste Frage war die luvwärtige Anordnung der Ruten der Lateinersegel, obwohl diese von viele zeitgenössischen Zeichnungen und Abbildungen bestätigt wurde. Die Segel wurden aus feinen, einfachen Zeitungspapier hergestellt. Die Nähte wurden auf beiden Seiten aufgezeichnet. Die Nock- und Sprutgordings für das Reffen der Segel fertige ich aus gezogenem Gussast und befestigte sie mit Mattlack an den Segeln. Danach takelte ich das gesamte Modelle aus gezogenen Gussast in verschiedenen Brauntönen. Hierfür verwendete ich meine übliche Methode, die ich Schritt für Schritt hier beschrieben habe.
Das Modell habe ich auf eine Wasserfläche montiert, die ich mit meiner üblichen Methode aus Aquarellpapier auf hölzernen Cocktailspießen erstellt habe. Die Methode habe ich detailliert hier beschrieben.
Meine wichtigsten Quellen für die (teilweise widersprüchlichen) Informationen über die Mary Rose stammen aus Tudor Warship Mary Rose (Anatomy of the Ship) von Douglas McElvogue, Mary Rose Manual: An Insight Into the Building, Operation and Restor (Owners Workshop Manual) von Brian Lavery sowie The "Mary Rose": Your Noblest Shippe: Anatomy of a Tudor Warship und Sealed by Time: The Loss and Recovery of the Mary Rose von Peter Marsden. Dazu kam noch die Unterstützung durch meine Freunde aus aller Welt.
Das Fazit
Insgesamt war es eine herausforderndes, lehrreiches und absolut zufriedenstellendes Projekt ein Schiff aus einer Periode der Marinegeschichte zu produzieren, die oft von Schiffsmodellbauern der kleinen Maßstäbe übersehen wird.
Jim Baumann
(übersetzt aus dem Englischen von Lars)