01.06.1794 - 220 Jahre Seeschlacht am Glorreichen 1. Juni

 

Queen Charlotte

Heute vor 220 Jahren kam es im Ersten Koalitionskrieg im Atlantik zur Schlacht am Glorreichen Ersten Juni/bzw. Schlacht am 13. Prairial zwischen der britischen Flotte unter Howe und der französischen Flotte unter Villaret de Joyeuse (siehe Jahrestage auf Modellmarine). Das Flaggschiff der britischen Flotte war das Linienschiff 1. Ranges Queen Charlotte.

Das Original

Gebaut wurde HMS Queen Charlotte nach den Plänen der im Jahre 1781 von Sir E. Hunt gezeichneten Unterlagen ihres Schwesterschiffes HMS Royal George, jedoch um 3 Fuß verlängert. Hunts Entwürfe zeigten erstmals seit 1765 (Victory) ein Kanonendeck mit 30 statt bisher 28 Stückpforten. Darüber hinaus wurde die Queen Charlotte als Erste mit einer Bewaffnung von 32-Pfündern, statt den bisher üblichen 42-Pfündern, auf dem Gundeck ausgerüstet.

Beide Vertreter der Royal George-Klasse gehörten damals zu den größten ihrer Zeit und und waren die letzten 100-Kanonen-Schiffe, die in Chatham gebaut wurden. Benannt nach Sophia Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, Gemahlin von King George III., wurde die HMS Queen Charlotte am 1.9.1785 auf Kiel gelegt und lief am 15.4.1790 vom Stapel.

Die Gründe für einen Wechsel der Kaliber im Kanonendeck der Queen Charlotte beruhten auf einer Veränderung der britischen Angriffstaktik auf See nach Ende des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775-1783). Während man bis dahin die Seit- zu Seitformation in Kampflinie bevorzugt hatte und dabei das hohe Geschosskaliber eher als vorteilhaft angesehen hatte, vertraute man von nun an einer höheren erzielbaren Feuerfolge einzelner Schiffe, die aus der eigenen Linie ausscheren und die feindlichen Reihen mit kurzem, heftigen Beschuss der empfindlichen Heck- und Bugbereiche des Gegners durchbrechen sollten. Hierbei schien die hohe Ladegeschwindigkeit der 32-Pfünder-Langgeschütze besser geeignet (3 Schuss/2 min, dagegen 3 Schuss/4 min bei den 42-Pfündern). Die neue Taktik der Navy resultierte aus ihrer erfolgreichen Anwendung in der Schlacht bei den Saintes 1782 (Battle of the Saintes/Bataille des Saintes). Auch für Admiral Howe an Bord der HMS Queen Charlotte bei der Schlacht am Glorreichen 1. Juni 1794 war sie beispielgebend. Im Verlauf dieser Schlacht zeigte sich allerdings auch ein möglicher Nachteil derartiger Angriffsmethodik: Schwere, überkommende See setzte das Gundeck über beidseitig geöffnete Stückpforten derart unter Wasser, dass die Pumpmannschaften Mühe hatten, die knietiefe Überflutung an Deck zu bekämpfen.

Trotz ihrer Größe war die Queen Charlotte offenbar ein durchaus schnelles Schiff mit guten Segeleigenschaften. Bei der Schlacht von Groix (1795) holte sie die als schnelle Segler bekannten, französischen Gegner im Rahmen des Gefechts ein und zwang sie zum entscheidenden Kampf.

Neben Konvoi-Einsätzen in Neuseeland, der Karibik und des Mittelmeers, gehörte sie die meiste Zeit ihres Einsatzes als Flaggschiff (u.a. unter Admiral Lord Howe) zur Kanalflotte der Engländer. 1797 stand sie erneut im Mittelpunkt des Interesses, als auf ihr die bis dahin größte Meuterei der Kanalflottenbesatzungen zufriedenstellend gelöst wurde und die Forderungen der zahlreich beteiligten Seeleute nach besseren Arbeitsbedingungen mit Siegel des britischen Parlaments an Bord der HMS Queen Charlotte unterzeichnet und voll erfüllt wurden. Ein für damalige Verhältnisse fast revolutionärer Vorgang.

Das tragisches Ende der Queen Charlotte ging als eine der größten Schiffskatastrophen ihrer Zeit in die Geschichte der Seefahrt ein: Bei einer Erkundungsfahrt am 17.3.1800 zur Insel Capraia fing sie 12 Meilen vor der italienischen Hafenstadt Livorno (engl.: Leghorn) durch Unachtsamkeit eines Besatzungsmitgliedes Feuer, das sich ausbreitete und schließlich die Pulvermagazine erfasste und zur Explosion brachte. Neben 673 Mann auf der Queen Charlotte starben zudem mehrere Besatzungsmitglieder von zu Hilfe kommenden Schiffen aus dem Hafen von Livorno, die durch Geschosse überhitzter Kanonen (sie waren wegen Salutbezeugungen geladen) getötet wurden.

Queen Charlotte

Das Modell

Das hier gezeigte, unfertige Modell der HMS Queen Charlotte (Maßstab 1:48) wurde nach Plänen des NMM (London) in Anlehnung an das Erscheinungsbild der Navy Board Modelle des späten 18. Jahrhunderts gebaut. Typisch für diese Art der Darstellung war ein vollbeplanktes Rumpfmodell ohne Bewaffnung, Bemastung oder Takelage. Demgegenüber wurden, mit Ausnahme des Orlopdecks, die Einzelheiten der jeweiligen Decks (Deckbalken, liegende und hängende Knie, Betings, Spills, Niedergänge, Grätings usw.) konstruktiv berücksichtigt und eingebaut, auch wenn nach deren Fertigstellung nur wenige Teile in der Kuhl oder durch die offenen Stückpforten erkennbar waren. Um die Einsicht darüber hinaus zu erleichtern, wurden die Decks nur teilweise beplankt. Da die Modelle Ende des Jahrhunderts häufig parallel zum Originalschiff erstellt wurden, wird angenommen, dass die wirklichkeitsnahe Decksausstattung am Modell als eine Art dreidimensionales Muster des Originals für Admiralität und Werftführende diente und zum Vergleich oder Änderungen herangezogen wurde.

Birne und Ahorn waren meine bevorzugten Materialien. Das Modell ist ca. 1,5 m lang, 0,3 m breit und 0,47 m hoch.

Queen Charlotte

Weitere Bilder dieses außergewöhnlichen Modells gibt es in unserer

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Dr. Volker Wendt