Das Modell
Das Modell ist schon etwas älter, erfreut mich aber immer noch, wenn ich es in meiner Vitrine sehe. Es stellt einen Flußschlepper um ca. 1905 dar.
Als ich den „Plan“ damals auf einer Intermodellbau fand, faszinierte mich - und das tut sich auch noch heute - die Form dieses Schiffes, was sicherlich auch daran liegt, dass der Schornstein vor dem Deckshaus liegt, was, wie ich im Laufe der Recherche erkannte, gar nicht mal so selten war.
Der „Plan“ bestand aus einer DIN A3 Seite, auf der die Seitenansicht sowie eine Draufsicht zu sehen waren. Ich habe diesen Plan eigescannt und auf den Maßstab 1/72 hoch skaliert. Dabei stellte sich schnell heraus, dass weder die Proportionen, noch die Anordnung einige Bestandteile stimmig waren. Also zeichnete ich diese Bereiche neu und konstruierte die auszutauschenden Aufbauten neu, wodurch sich auch ein neuer Decksplan ergab. Hierbei standen mir Bilder der Wacht am Rhein und Bilder der Pieter Boele (welche eigentlich ein Schiff sind) sowie Bilder auf der Seite www.dordtinstoom.nl Pate.
Offene Fragen, konnte ich dann noch mit der freundlichen Unterstützung der Binnenschiff-Freunde auf der darauffolgenden Intermodellbau klären.
Die Geschichten der Binnenschiffer klärten viele Fragen und füllten so den Bau auch mit „Leben“ und Anekdoten der älteren Frauen und Herren.
Für meine Konstruktionszeichnung wähle ich immer Corel Draw, welches sich dafür gut eignet. Ziel war es das Modell "scratch" (was für ein blödes Wort) und möglichst „old school“, also ohne ausgeuferte Zukäufe zu bauen. Dieses gelang mir auch. Da ich zu damals noch keine Spritzpistole hatte, wurde alles mit dem Pinsel bemalt.
Mit der Bauhistorie will ich euch nicht unnötig langweilen, so dass ich hier nur einige Punkte exemplarisch anspreche. Der Rumpf wurde in Schichtbauweise gebaut; hierzu leimte ich drei Balsaholzplatten unter Druck übereinander und schliff dann die Form des Rumpfes heraus.
Die Planken wurden mit einem harten Bleistift in das Holz gedrückt bzw gezeichnet. Heute verlege ich lieber einzelne Planken, was wesentlich realistischer wirkt. Die Schweißnähte (für 1905 eigentlich ungewöhnlich aber nicht unmöglich), wurden durch ein feines Garn dargestellt.
Das Kesselhaus wurde nach dem neugezeichneten Plan aus Plastikplatten, Viertelrundleisten, Abklebeband und Draht erstellt.
Für das Grundgerüst des Schornsteins fand ein abgelenkter Grafikstift Verwendung. Die Polder wurden aus Rohren und Draht gebaut und für den Schornstein der Kombüse fand sich ein Q-Tipp, plus Draht und Plastikplatten. Für den Mast verwendete ich aufgrund seiner konischen Form einen alten Pinselstiel, sowie Klarsichtmaterial aus Spritzlingen für die Lampen. Das Deckshaus wurde neu konstruiert und aus Plastikplatten gebaut.
Die Ankerwinde stellte Anfangs ein großes Problem dar. Abbildung aus dem Harhaus-Katalog sowie Bilder im Netz halfen dann aber doch weiter, sodass die Winde aus selbst gebauten Teilen und „Kit-bashing“ besteht. Hierbei muß sich der Modellbauer von der eigentlichen Funktion der „gebashten“ Teile lösen (zum Beispiel ein Feuerlöscher 1/35) und diese durch seine Vorstellungskraft in der neuen Verwendung sehen. Ein sehr reizvoller Aspekt dieses Modellbaus.
Fazit
Zum Abschluss erlaube ich mir noch ein paar Worte zum sogenannten Scratchbau. Ein schreckliches Wort, aber „Eigenbau“ klingt irgendwie auch unsinnig, da natürlich alle selbst gebauten Modelle Eigenbauten sind.
Viele Modellbauer stehen dem Scratchbau sehr „ehrfürchtig“ gegenüber, was meiner Meinung völlig übertrieben ist. Letztendlich baut jeder seine Modelle aus einzelnen Teilen. Ob diese nun als Gesamtpaket (Bausatz) oder selber zusammengesucht (Scratchbau) daher kommen, spielt de facto keine Rolle. Letztendlich zählt nur die Wirkung des Modell. Der eigentliche Vorteil/Spaß beim Scratchbau ist nur, dass man gezwungen wird, sich etwas mehr mit verschiedenen Materialien auseinanderzusetzen und kreative Lösungen zu finden. Man scheitert auch öfter an Details, weiß daher aber auch manche „Bausatzlösung“ zu schätzen und sieht einiges lockerer. Ich kann nur jedem empfehlen mal selber etwas zu scratchen.
Man sieht bei der vorher nötigen Planung auch schon, ob das Wunschmodell eigentlich für einen auch wirklich so toll ist. Denn ein Scratchbau, der die Planung nicht übersteht, wird auch niemals realisiert und schon hat man wieder was gespart.
Patrick Deventer