USS "Boyd", Zerstörer der "Fletcher"-Klasse, Bauzustand 1968

Das Schiff
Die Schiffe der „Fletcher“-Klasse gelten geradezu als Synonym für Zerstörer der US Navy im Zweiten Weltkrieg. Die ersten Einheiten dieser 115 Meter langen und rund 2050 ts verdrängenden Schiffsklasse gingen 1942 von den Bauwerften und in den Dienst bei der Flotte. Die meisten der 175 „Fletcher“-Zerstörer kamen im Pazifik zum Einsatz, vor allem als Geleitschiffe bei den schnellen Trägerkampfverbänden, doch auch zur Sicherung von Landungsunternehmen oder als unabhängige Kampfgruppen.
Mit einer Hauptbewaffnung von fünf Türmen Kaliber 12,5 Zentimeter, Typ 38, zehn Torpedorohren in zwei Fünfergruppen, Kaliber 53,3 Zentimeter, sowie Wasserbomben zur U-Boot-Abwehr und zahlreicher 40- und 20-Millimeter Flak waren die Schiffe äußerst stark bewaffnet. Sie liefen offiziell 35 Knoten, doch ist von „Fletchern“ die Rede, die locker 42 Knoten hinlegten. Für derartige Fälle werden auf der Brücke üblicherweise Motorradbrillen ausgegeben. Das Design galt als ideal und setzte Maßstäbe für die folgenden Zerstörergenerationen der US Navy.
USS

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Es verwundert nicht weiter, dass derart erfolgreiche Schiffe auch nach Kriegsende weiterhin das Rückgrat der Zerstörerflottillen bildeten, zumal sie ja noch vergleichsweise jung waren, wenn auch im Kriegsdienst stärker beansprucht als in Friedenszeiten. Die „Fletcher“-Klasse wurde vor allem in den 50er und 60er Jahren noch intensiv zur U-Boot-Abwehr und als Radarfrühwarnschiffe genutzt. Dies betrifft vor allem die 136 Einheiten, die nicht nach dem Programm „Fleet Rehabilitation and Modernization"(FRAM) umgebaut wurden. Diese Schiffe behielten im Prinzip ihre Grundkonfiguration und wurden entweder „Daly“-Klasse (vier 12,5 Zentimeter-Geschütze) oder „La Valette“-Klasse (fünf Türme) genannt. Die Schiffe boten ausreichend Raum, um die modernisierte Bewaffnung und Elektronik der Nachkriegsjahre aufzunehmen. Erst die 70er Jahre mit dem Wandel weg von der Artillerie hin zu Flugkörpern und Schiffen mit Hubschrauberdeck setzte der „Fletcher“-Klasse wie auch ihren Nachfolgern „Allen M. Sumner“-Klasse und „Gearing“-Klasse Grenzen. Die altehrwürdigen „Fletchers“ gingen anschließend noch im Dutzend an die Flotten der Türkei, Griechenlands, Taiwans oder südamerikanischer Staaten, in denen sie noch bis weit in die 80er Jahre fuhren.
USS „Boyd“ ist ein typischer Vertreter ihrer Klasse. Sie ging am 8. Mai 1943 in Dienst und nahm in den zwei folgenden Jahren an allen größeren Operationen im Pazifik teil. Die Liste reicht von Hollandia bis Okinawa. Das Schiff wurde 1948 außer Dienst gestellt und 1950 reaktiviert. „Boyd“ machte dann zwei Einsatzfahrten im Koreakrieg und blieb anschließend bis 1969 bei der Pazifikflotte. Doch die Laufbahn des Zerstörers dauerte noch weitere zwölf Jahre: als „Iskenderun“ bei der türkischen Marine. Erst 1981, nach 38 Dienstjahren, ging es zum Verschrotten.
von Steuerbord

Das Modell

Wer - wie ich - Schiffe der US Navy ab 1950 baut, muss selbstverständlich auch einen Nachkriegsfletcher in der Sammlung haben. Da mir mein Sohn freundlicherweise zu einem Geburtstag den Tamiya-Fletcher in 1:350 geschenkt hatte, lag ein Umbau auf der Hand. Der Tamiya-Bausatz hält, was die zahlreichen Reviews versprechen. Er ist für Einsteiger in den Schiffsmodellbau bestens geeignet und wer mehr will erhält eine sehr gute Ausgangsbasis für Verfeinerungen, Superdetails und Umbauten. Kleinere Defizite wie die Rohre der Hauptartillerie – sie sitzen in der Mittelachse der Türme, sollten aber rechts davon sein – fallen weniger ins Gewicht.
Vorbereitung
Da ich ein möglichst exaktes Modell eines Nachkriegsfletchers bauen wollte, verließ ich mich nicht nur auf Fotos, sondern beschaffte mir von „Floating Drydock“ Pläne der „Boyd“ in 1:96, Bauzustand 1968. Darüber hinaus erstand ich den Umbausatz von Toms Modelworks, die Fletcher-Fotoätzplatine von Gold Medal Models (GMM) und neue Artillerietürme von White Ensign (WEM).
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Nachkriegsfletcher vom Kriegstyp nur durch einen Dreibeinmast, andere Elektronik und geänderte Bewaffnung. Doch das Planstudium machte schnell deutlich, dass es damit nicht getan ist. Ich stand praktisch vor einem Scratch-Projekt:
von oben
Die gesamten Aufbauten des Mitteldecks mussten neu gemacht werden, ebenso die achteren Aufbauten ab B-Ebene. Die Brücke ist eckig mit „Wintergarten“, nicht rund, wie im Bausatz. Die Schornsteine haben keine Scheinwerferplattformen , dafür aber Elektronik-Plattformen und Antennen. Die Wasserbombenwerfer achtern müssen abgeschliffen, dafür neue Hedgehog-Werfer hinter Turm „Bravo“ installiert werden. Zwischen Brückenaufbauten und Mitteldeck musste die Unterkunft für den Geschwaderchef gebaut werden, das Steuerbord-Boot fällt dafür flach. Zwischen den Schornsteinen steht ein Deckshäuschen. Die ursprünglichen Fünffach-Torpedorohrsätze werden durch zwei Dreifach-Anlagen Mk 32 ersetzt und schließlich entfällt Turm „Q“. Ach ja, und dann noch ein Dreibeinmast mit SPS 6-Suchradar und SPS 10 Navigationsradar als Hauptelektronik. Trockenübungen machten schnell deutlich, dass dieses Modell am besten in einzelne Baugruppen unterteilt zu bauen ist, die dann am Schluss zusammengesetzt werden.
backbord

Rumpf und Deck


Also begann ich mit dem Rumpf. Da ich meine „Boyd“ in ihrem Element darstellen wollte und obendrein in einer Modellbaugemeinschaft, die sich IG „Waterline“ nennt, mitarbeite, schnitt ich das Unterwasserschiff mittels Dremel-Minitool ab und klebte statt dessen eine Grundplatte aus Styrene, 0,8 mm Stärke, an. Anschließend das übliche Verspachteln und Verschleifen, bevor der Rumpf mit „Haze-Gray“ von WEM aus der Colorcoat-Reihe gespritzt wurde.
An dieser Stelle ein Einschub: Wer mit Enamel-Farben arbeitet, sollte diese Reihe einmal ausprobieren. Die Farben sind hervorragend in ihrer Deckkraft und lassen sich ausgezeichnet verarbeiten.
Nächster Schritt war das Hauptdeck. Vorbereitend wurden die Sockel für die Wabo-Werfer abgeschnitten und verschliffen. Die angedeuteten Luken bekamen Deckel aus dem GMM-Ätzteile-Satz. Die angeformten Klüsen wurden vorsichtig aufgebohrt. Dann wurden die Laufwege an Deck gespritzt: „US-Navy Deck-Gray“, mit Schwarz abgedunkelt. Nach dem Durchtrocknen, zwei Tage haben sich bewährt, klebte ich die Laufwege mit Revell-Folie ab und spritzte das Deck in „US-Navy Deck-Gray“ (WEM). Poller, Luken und Deckdetails wurden in „Haze-Gray“ mit dem Pinsel bemalt und das Deck dann auf dem Rumpf geleimt.
achtern

Ausrüstung


Als nächsten Schritt baute ich die vier Geschütztürme von WEM incl. Fotoätzteilen zusammen und spritzte sie „Haze-Gray“ sowie die obere Fläche „Deck-Gray“. Die Türme wurden anschließend vorsichtig mit hellgrauer Pastellkreide „gealtert“, vor allem an den Stoßkanten. Denn dort wäscht die Farbe auf See schneller aus. Es folgten die Schornsteine. Sie müssen aufgebohrt werden und erhielten die fotogeätzten Grillkappen von GMM. Die Schlitze für die Scheinwerferplattformen wurden geschlossen und verspachtelt. Dafür entstanden neue Plattformen für die Tacan-Antennen und die Peitschenantennen an den Schornsteinen. An der Vorderseite installierte ich GMM-Leitern. Anschließend? Genau: lackieren und altern. Ähnlich wurde mit den 76 Millimeter-Doppellafetten verfahren, die als Metallguß-Teile im Umbausatz von Toms Modelworks beiliegen.
Eine ganz spezielle Fingerübung sind die Hedgehog-Werfer. Der Werferkasten ist noch schnell aus Evergreen-Streifen gemacht, doch die Munition..... Nachdem ich mehrfach Versuche unternommen hatte, kleine Stückchen vom 0,5 mm Plastikrundstab einzeln einzusetzen und nahe daran war, mir die Finger zu brechen und alles vor Wut in die Tonne zu treten, kam mir irgendwann nachts die entscheidende Idee: Ich klebte jeweils eine Reihe (vier Kartuschen) aneinander und baute dann die fertigen Reihen in den Werferkasten ein.
Waffen

Aufbauten


Jetzt ging es an die Aufbauten. Ich begann am Heck. Das achtere Deckshaus muss von der zweiten Ebene (B-Level) an komplett neu aufgebaut werden. Aus Evergreen-Platten (0,8 und 1mm) und –Profilen baute ich anhand der Pläne, die ich hatte, das Deckshaus neu auf, einschließlich der Wanne für das 76-mm-Geschütz und der Feuerleitanlage Mk 56. Die Schotts stammen von der GMM-Platine, ebenso die Feuerlöschanlagen und die Reling. Farbgebung wie bereits oben beschrieben.
Noch ein Einschub: Ich setze die Reling zum Abschluß einer Baugruppe. Es gibt zu diesem Thema ja sehr unterschiedliche Ansichten. Für meine Arbeitsweise hat es sich bewährt, die Reling an der Platine zu lackieren und auf die bereits lackierten Aufbauten zu setzen. Ich verwende in der Regel Sekundenkleber-Gel, der noch kleinere Korrekturen zuläßt. Blanke Stellen werden dann mit dem Pinsel nachgetupft. Bei der alles abschließenden Lackierung mit Mattversiegelung verschwinden eventuell auftauchende Kleberänder wie durch Zauberhand.
achtaufbauDie Mitteldeckaufbauten entstanden als Nächstes. Sie wurden wie schon das achtere Deckshaus aus Evergreen-Platten nach Plan geschnitten und gebaut. Die Munitionskästen für die Flak baute ich aus quadratischen und rechteckigen Profilen entsprechender Größe. Für die Detaillierung mit Schotts, Luken, Deckelklappen und Feuerlöschstationen sorgt wieder GMM. Mitteldeckaufbauten und Vordeck sowie Brückenaufbauten müssen miteinander verbunden werden. Als größte Schwierigkeit des gesamten Projekts erwies sich dabei das Einpassen der rechteckigen Brücke aus dem Umbausatz von Toms. Denn das Resin-Ding ist leider schief. Es kostete mich viel Schleifarbeit und Spachtelei, bis es endlich passte. Das Schanzkleid der Brücke war obendrein so dünn gegossen, dass ich es lieber abschnitt und durch entsprechende Evergreen-Streifen ersetzte. Wer sich jetzt fragen sollte, warum ich mir diesem Teil überhaupt kommen ließ – na ja, das frage ich mich heute auch. Wohl wegen der beigepackten 76-mm-Flak.
mittelDer vordere Teil der Brücke wurde mit Klarsichtplastik verkleidet und bekam ein Dach aus Styrene – der Wintergarten. Abschließend baute ich die Mk 37 Feuerleitanlage und versah den gesamten Komplex mit Reling. Die Farbgebung ist analog zu den übrigen Baugruppen, wobei auf dem Vordeck und auf dem Mitteldeck wieder Laufwege abgeklebt werden müssen.bruecke

Mast und abschließende Arbeiten

Als letzte Baugruppe kam der Dreibeinmast an die Reihe. Er entstand aus Evergreen-Rundstäben. Die Alternative wäre Messing, doch auch der Kunststoff erwies sich als fest genug, die Takelage zu halten. Die Elektronik – SPS 6 und SPS 10 – stammt aus der Fotoätz-Grabbelkiste, Kleinteile wie Windfahne und Antennen sind von der „Fletcher“-Platine.
Nachdem nun alle Baugruppen beisammen waren und beim Zusammenstecken schon richtig wie ein „Fletcher“ aussahen, kamen die abschließenden Arbeiten an die Reihe. Der Rumpf bekam seine Reling und wurde am Bug mit Erdal-Glänzer gespritzt als Vorbereitung für die Seriennummer: GMM Abziehbilder aus der Grabbelkiste. Kleine Details wie Rettungsringe (GMM) und weitere Feuerlöschstationen sorgen für Farbe im grauen Einerlei. Ich setzte die einzelnen Baugruppen zusammen und takelte die Signalleinen sowie etliche Antennen nach Plan mit Lycra-Faden. Da ich von meiner „Enterprise“ noch einige Signalflaggen übrig hatte, bekam die „Boyd“ als Flaggensignal: „November, Echo, Six“ „Vorsicht, unbekanntes U-Boot!“ sowie die „Stars and Stripes“.
Als Besatzung habe ich die Resin-Figuren 1:350 von L’Arsenal verwendet. Ich finde sie realistischer als fotogeätzte Figuren.
Zum Schluß kam die bereits erwähnte Schicht Mattlack und fertig war der Kahn nach rund zehn Wochen Bauzeit. Als Grundplatte habe ich die sehr realistische „Wasser“-Platte von Norsemen verwendet, doch später stellte ich fest, dass man dies selber viel billiger und sogar noch besser machen kann. Doch das ist eine andere Geschichte.

Verwendete Literatur:
Stefan Terzibaschitsch, Zerstörer der US Navy
Robert F. Sumrall, Sumner-Gearing-Class Destroyers

Infos im www:
www.destroyer-online.com
www.navsource.org
Mast