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Takelage von Segelschiffen des 18. Jahrhunderts
Hier soll schrittweise der allgemeine Aufbau einer Vollschiffstakelage gezeigt werden. Erst folgt eine allgemeine, kurze Übersicht über die Elemente der Takelage, danach die Abbildungen mit weiteren Erläuterungen.
Vollschiffe sind Rahsegler, d.h. sie besitzen an allen Masten Quersegel. Daneben besitzen sie ein Gaffelsegel (den Besan), und an den Stagen können Schratsegel (Segel, die in der Längsachse des Schiffs stehen) gesetzt werden.
Die Hauptbestandteile einer Vollschiffstakelage sind
1. die RUNDHÖLZER. Das, was gemeinhin in seiner Gesamtheit als Mast bezeichnet wird, besteht meist aus drei verschiedenen Rundhölzern: dem Untermast, der daran befestigten und ihn verlängernden Marsstenge und einer weiteren Verlängerung, der Bramstenge. Jedes dieser Mastsegmente trägt eine Rahe. An diesen werden die Quersegel befestigt, welche das eigentliche Antriebsmittel des Vollschiffs sind.
Das Bugspriet hat eine wichtige stützende Funktion für die gesamte Takelage, denn die Spieren sind untereinander und mit dem Rumpf durch ein System aus starken Tauen verbunden, das
2. wichtige Element der Takelage, das sogenannte STEHENDE GUT. Das ist die Sammelbezeichnung für die Wanten und Pardunen, welche Masten und Stengen zur Seite hin abstützen, und den Stagen, welche die Masten und Stengen in der Längsrichtung stützen, sowohl nach hinten als auch nach vorn. Wenn z.B. das Bugspriet abbräche, hätte der Fockmast, der mit ihm durch Stage verbunden ist, keinen Halt mehr nach vorn, das ganze Stabilisierungssystem des stehenden Gutes wäre geschwächt und der ganze Rest der Takelage in Gefahr. Ein weiteres Element sind
3. die SEGEL, die in Quer- oder Rahsegel und in Längs- oder Schratsegel eingeteilt werden. Beim Vollschiff sind bilden die Rahsegel den Hauptteil der Segelfläche.
4. Bestandteil ist das LAUFENDE GUT, also jenes Tauwerk, das im Gegensatz zum bereits erwähnten beweglich ist und der Bedienung der Takelage dient. An dieser Stelle soll nur beispielhaft das wichtigste laufende Gut genannt werdem: Mit den Fallen können die Rahen vertikal auf und nieder bewegt werden, Brassen dienen dazu, die Rahen in der horizontalen Ebene zu schwenken, mit den Schoten werden die Segel an ihren unteren Ecken bedient. Mit den Bulinen werden die Segel luvwärtig nach vorn gestrafft.
Auf der folgenden Reihe von Abbildungen sind Kriegsschiffe verschiedener Ränge aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu sehen. Anhand der Darstellungen kann man gut nachvollziehen, in welchen Schritten ein Schiff aufgetakelt wurde; nur das schwierige Einsetzen der Untermasten, was mit Hilfe eines Kranes und / oder einer Masthulk stattfand, ist hier schon vorausgegangen.
I. Untermasten & ein Teil des stehenden Gutes (Wanten, Stage)
Die Abbildung zeigt ein 120-Kanonen-Schiff aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, bei dem bislang nur die Untermasten eingesetzt und durch Stehendes Gut abgestützt sind.
A - Goßuntermast
B - Fockuntermast
C - Bugspriet
D - Kreuzuntermast
E - Flaggenstock
F - Großmars. Die Marsen sind auf den Salingen (Kanthölzern) angebrachte Arbeitsplattformen. Die Salinge dienen ansonsten der Spreizung der Stengewanten (siehe unter II.)
G - Fockmars
H - Kreuzmars
I,I,I - Wanten. Sie sind die wichtigste Sicherung der Untermasten und stützen diese an der Bordwand ab. Sie sind nach dem (Unter-) Mast benannt, an dem sie sich befinden - von vorn Fockwanten, Großwanten, Kreuzwanten. Durch die sog. Webeleinen, praktisch Trittsprossen aus Tauwerk, werden die Wanten zu Leitern, über welche die Seeleute in die Takelage aufentern können.
K,K,K - Stage. Sie heißen ebenfalls nach dem Mast, den sie abstützen - von vorn Fockstag oder Vorstag, Großstag, Kreuzstag.
Man kann auf der Abbildung noch Tauwerk erkennen, das von den Wanten zu den Rändern der Marsen hin verläuft. Das sind die Püttingswanten, über welche die Matrosen von den Wanten auf die Marsplattformen gelangen können. Dieser Teil des Weges wird mit dem Rücken nach unten zurückgelegt.
II Marsstengen & weiteres stehendes Gut (Wanten, Pardunen, Stage)
Hier ist ein 90-Kanonen-Schiff zu sehen, bei dem die Marsstengen aufgebracht sind. Sie verlängern die Untermasten. Weiterhin ist das zur Abstützung der Marsstengen benötigte stehende Gut angebracht.
A - Großmarsstenge. Die Stengen sind Verlängerungen der Masten und mit ihnen durch Eselshäupter (s.d.) verbunden. Alle Stengen konnten mit Bordmitteln heruntergenommen werden, auf See wurden bei stärkerem Wind oft die Bramstengen gestrichen (zu diesen unter III).
B - Fockmarsstenge
C - Kreuzmarsstenge
D, D, D - Stengewanten
E, E, E - Pardunen. Sie geben den Stengen zu den Seiten hin Halt , indem sie diese an der Bordwand abstützen.
F, F, F - Stengestage. Sie dienen der Abstützung der Stengen nach vorn und sind nach der jeweiligen Stenge benannt, an der sie befestigt sind.
H, H, H - Hahnepooten. Diese sind netz- oder fächerförmig von den Vorderkanten der Marse zum Stag hin laufende dünne Leinen, die das Scheuern der Segel an den Kanten der Marse und an den Stagen verhindern.
I - Wasserstag. Es stützt das Bugspriet nach unten hin gegen das Galion ab.
III. Die Bramstengen und das dazugehörige stehende Gut.
Dieses 80-Kanonen-Schiff ist weiter aufgetakelt; die Bramstengen und der Rest des stehenden Gutes sind angebracht.
A - Großbramstenge. Die Bramstengen sind mit den Marsstengen ebenfalls durch Eselshäupter verbunden. An dieser Verbindungsstelle gibt es allerdings keine Marsen (beplankte Arbeitsplattformen) wie an der Verbindungsstelle von Untermast und Marsstenge, sondern nur die Salinge, eine Konstruktion aus Kanthölzern, welche die Bramwanten spreizen.
B - Fockbramstenge
C - Kreuzbramstenge
D - Klüverbaum. Er verlängert das Bugspriet.
E, E - Bramstengewanten (von vorn: Fockbramstengewanten, Großbramstengewanten).
F, F - Bramstengepardunen ( von vorn: Fockramstengepardunen, Großbramstengepardunen).
G,G - Bramstengestage. (Fockbramstengestag, Großbramstengestag).
IV Die Rahen und ihr laufendes Gut.
Bei diesem 64-Kanonen-Schiff sind die Rahen und das laufende Gut eingezeichnet, das zu ihrer Bedienung nötig ist. Die Segel sind durch Umrisse angedeutet.
A - Großrah
B - Fockrah
C - Besanrute. Sie trägt hier (siehe V, C) noch ein altmodisches Lateinsegel. Die Rute wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die leichter zu handhabende Gaffel ersetzt, ein Rundholz, das nur etwa so lang war wie der hintere Teil der Besanrute. Das vordere Ende der Gaffel griff mit einer Klaue um den Kreuzmast. Das zugehörige Segel war im Prinzip ein vor dem Kreumast abgeschnittenes Lateinsegel.
D - Blinderah
E - Großmarsrah
F - Vormarsrah
G - Bagienrah. Als einzige Unterrah führte diese hier fast nie ein Segel, was bei der hier gezeigten Konfiguration mit der altertümlichen Besanrute allerdings auch nicht möglich gewesen wäre. Aber auch nach Einführung der Gaffel war nur in seltenen Fällen ein Bagiensegel angeschlagen.
H - Großbramrah
I - Vorbramrah
K - Kreuzmarsrah
aaa - Fußpferde. Das sind unter den Rahen befestigte Taue, auf denen die Seeleute stehen können, wenn sie die Segel bedienen. (Diese Taue gehören nicht zum "laufenden Gut").
bbb - Fallen der Rahen, mit denen sie gefiert oder getoppt werden können. Die Bagienrah und die Blinderah besitzen keine Fallen.
ccc - Toppnanten halten die Rahen an ihren Enden (Nocken).
ddd - Brassen. Mit ihnen werden die Rahen horizontal geschwenkt. In der Zeichnung ist der Übersichtlichkeit willen pro Rah nur eine Brasse gezeichnet, jede Rah besitzt an jedem ihrer zwei Enden eine Brasse. Sie heißen Großbrasse, Großmarsbrasse usw.
V. Die Segel und das zugehörige Laufende Gut.
Dieses 50-Kanonen-Schiff hat die meisten seiner Segel gesetzt. Es ist hier nur das zur Bedienung der Segel notwendige laufende Gut mit Buchstaben gekennzeichnet.
A - Großsegel
B - Focksegel
C - Besansegel
D - Großmarssegel
E - Vormarssegel
F - Kreuzmarssegel
G - Großbramsegel
H - Vorbramsegel
I - Blinde
K - Klüver
L - Vorstagsegel
M - Stagsegel
OOO - Schoten. Sie sind bei den Rahsegeln an den unteren Ecken an den sogen. Schothörnern festgemacht und dienen dazu, das Segel in die richtige Lage zu bringen und gespannt zu halten.
PPP - Bulinen. mit ihnen werden die luvwärtigen Seitenlieke eines Segels nach vorn gespannt.
QQQ - Bauchgordings. Taue zum losen Zusammenholen der Segel, bevor sie z.B. vollständig geborgen werden.
RRR - Nockgordings
aaa - Reffbändsel. Die durch kleine, senkrechte Striche auf den Segeln angedeuteten Bändsel ermöglichen es, die Segelfläche zu verkleinern, indem mit ihnen Reffe eingebunden werden; d.h. der oberhalb der jeweiligen Bändselreihe befindliche Streifen des Segels wird mit den Bändseln an die Rah gebunden. Während Rahsegel und Besan gerefft werden können, besitzen die Stagsegel keine Reffbändsel.
Von Knut Gerling (McCool)
www.line-of-battle.de