Baubericht HMS Tiger 1/600

Das Original

Zeit für einen neuen Schiffsbau, diesmal wieder etwas für Freunde der gepflegten Schnitzereien. Ich baue zur Zeit den britischen Kreuzer HMS Tiger im Maßstab 1/600. Die Ausgangssituation ist nicht ganz optimal. Der Airfixkit aus dem Jahr 1960 hat einige Schwächen und brauchbares Originalmaterial ist rar gesät.

Aber als ich nach längerer Internetrecherche Anfang Dezember ca. 100 verwertbare Fotos und einige mehrminütige Filmdokus zusammengetragen hatte, sowie die Klassenbiografie von Neil Mc Cart und das Profile Morskie Heft 42 über den leichten Kreuzer HMS Swiftsure auf der Werkbank lagen, stand dem Projektstart nichts mehr im Weg.

Das Schiff wurde 1941 als leichter Kreuzer der Minotaur Klasse „HMS Bellerophon“ auf Kiel gelegt. Geplant war der Bau von 8 Schiffen, auf Grund des Kriegsendes wurden aber nur 3 fertig gestellt, unter anderem der Kreuzer HMS Swiftsure. Für die Rumpfform der HMS Tiger ist deshalb der Profile Morskie Band #42 hilfreich.
Der bei Kriegsende schwimmfähige Rumpf der HMS Bellerophon wurde 1945 in HMS Tiger umbenannt und rostete 10 Jahre vor sich hin, bevor das Schiff mit einem gänzlich modernisierten Konzept fertig gestellt wurde. Die Indienststellung erfolgte 1959 aber bereits 1969 war das Konzept schon wieder veraltet und HMS Tiger wurde zu einem Helikopter- und Kommandokreuzer umgebaut. 1978 wurde das personal- und kostenintensive Schiff vorläufig außer Dienst gestellt und in 1986 Spanien abgewrackt.

Optional: Das Modell

Schiffsbausätze von Airfix sind bekanntermaßen nicht ganz vorbildgetreu und so sind einige Anpassungen und Umbauten unvermeidbar. Auf geht’s! Zuerst wurden die Rumpfhälften zusammengeleimt –was sonst- und das Hauptdeck aufgesetzt, um einen ersten Eindruck von den Strukturen und Proportionen zu gewinnen.

Baubericht HMS Tiger in 1/600 - Teil 1Baubericht HMS Tiger in 1/600 - Teil 1

Auf den ersten Blick sind einige typische 60er Jahre Modellbausünden erkennbar: Aztekentreppen, Vierkantschotts, runde Formteilkanten, überdimensionierte und gering detaillierte Bauteile wie z.B. Poller, Spills und Rettungsinseln.
Ohne richtige Maße war eine weitere Bewertung nicht leicht, aber der Profile Morskie-Deckplan der Swiftsure zeigte, dass der Rumpf im hinteren Mittschiffsbereich zu früh nach hinten abknickt und deshalb die gesamten hinteren Aufbauten zu spitzwinklig auslaufen. Die Aufbauten des Achterdecks wirkten zu niedrig und auch zu schmal. Bullaugen sind nur am Vorderrumpf angedeutet.

Bei solch alten Bausätzen ist man eigentlich immer gezwungen entweder die Kernmaße nachzumessen oder wenigstens Vergleiche mit Bilddokumenten durchzuführen. Begonnen habe ich damit bei den vorderen Aufbauten .Das erste Aufbaudeck ist 4,3mm ( 2,58m) und das zweite Deck ist 3,9mm (2,34m) hoch. Ich ließ sie (vorläufig) unverändert. Die Rechtecke sollen Türen darstellen. Abgesehen von der schlichten Form waren sie mit 2,7mm (1,62m) deutlich zu niedrig und wurden schiffsweit entfernt. Entsprechend diverser Fotos wurden die Bullaugen gebohrt (0,75mm). Man erkennt Abweichungen zu den Airfix-Vorgaben.

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Die Arbeiten an den hinteren Aufbauten würden etwas aufwändiger werden. Die Qualität und Geometrie der Bauteile war bescheiden. Die Kanten waren zu „soft“ und die Flächen eingesunken. Keines der Deckhäuser besaß eine akzeptable Höhe. Da nun absehbar war, dass ich alle Höhen korrigieren musste, habe ich mich mit Hilfe der verfügbaren Fotos und ohne Kenntnis der Originalmaße, auf eine Standardhöhe von 2,7m (entspricht 4,5mm) für alle Aufbaudecks festgelegt.

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Änderungsbedarf gab es also zuhauf. Im Bereich „A“ stimmte die Form der Lüfter, der Deckhäuser und der seitlichen Rangefindersockel nicht, Plattform „B“ sollte nicht erhöht sein, der Barbettendurchmesser „C“ ist zu klein, die bereits erwähnten Türen und Niedergänge mussten entfernt werden, die Seitenwand „E“ reichte im Original bis an die Rumpfwand, entlang der Rumpfseiten fehlt der massive Gürtelpanzer, usw. In Rot die gemessenen Deckhöhen, die ich auf 4,5mm liften musste und der zu niedrige Decksprung, der u.a. Probleme am Außenrumpf verursachte. Vorarbeiten zur Anpassung der Deckhöhen auf das Zielmaß 4,5mm (=2,7m). Alles was vorsteht muß weg!

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Durch aufgeleimte PP-Platten wurden dann die Höhen angeglichen:

„A“ auf 4,5mm (zuerst +1mm, um auf das Panzerplattenniveau der mittleren Artillerie zu kommen, dann noch einmal +0,5 mm. 0,1mm verliert man beim planfeilen der Fläche )

„B“ auf 4,55 mm (+ 2x0,5mm),

„C“ auf 4,4mm (+0,5mm und +0,3mm).
Die obere „C“-Plattform wurde plan gefeilt und mit einem 0,5mm Deckel auf 4,4mm „gepushed“.

Im zweiten Bild sieht man den „Grobschnitt“ der Achteraufbauten. Letztendlich wurden neben den Zugängen und „Pyramiden-Niedergängen“ alle Angüsse und Strukturen mit einem Seitenschneider entfernt. Man konnte meistens eh nur raten, was sie darstellen sollen.

Parallel zu den Deckplatten öffnete ich eine neue Baustelle: Den Rumpf. Airfix hat den sehr prägnanten Gürtelpanzer unterschlagen. Er wird aus 0,5mm Sheet angefertigt und nach dem Verkleben geschliffen und der Rumpfform angeglichen.

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Baubericht HMS Tiger 1/600

Im Bereich des Vorschiffes erkennt man beim Original deutlich die Struktur von geschweißten Längsverbänden. Ich versuchte diesen Effekt durch selbstklebende Streifen aus Aluminiumfolie nachzubilden. Ein vorbildgetreues Aussehen erreichte ich jedoch nicht. Die Ursache dafür ist der zu geringe Decksprung des Modells (Der Höhenunterschied zwischen dem Vor- und dem Hauptdeck). Dadurch sitzt der Gürtelpanzer ca. 2mm zu hoch und trifft mit den Alustreifen in der „falschen“ Höhe zusammen. Ein Umbau wäre sehr aufwändig – also bleibt es wie es ist. Es wird sich sowieso erst nach dem Lackieren des Rumpfes zeigen, ob die Folienstreifen wirken. Worst case fliegen sie wieder raus.

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Am Bug wurde die geprägte Ankerkette entfernt. Der Wellenbrecher wird wahrscheinlich auch noch durch eine Papiervariante ersetzt. Die Geschützbarbette wurde mit zwei Sheetringen aus 0,5x0,5mm Rechteckmaterial verbreitert. Die Türme der Hauptartillerie werden später noch weiter detailliert.

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Hier wurde der Mittschiffbereich mit zwei 0.5mm Sheetstreifen verbreitert – ist aber noch immer zu schmal.
Das Heck erhielt eine kosmetische Aufpolsterung, um die zu starke Krümmung des hinteren Rumpfbereichs zu kaschieren. Diese Krümmung ist der Hauptgrund für übertrieben spitz zulaufenden Seitenwände der hinteren Aufbaudecks.

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Ein Vergleich mit der Zeichnung der HMS Swiftsure (identischer Rumpf) zeigt, dass die Bordwände im Gegensatz zum Modell sehr viel länger parallel verlaufen.
Um diese Form zu erlangen, trennte ich den Rumpf auf den letzten 5cm wieder auf und setzte einen Keil aus 3 Sheetstreifen ein – in der Mitte 1mm, außen jeweils 0,5mm dick. Dadurch wurde der Rumpf nach außen gedrückt und die sich die Krümmung der Bordaußenwand ausreichend reduziert.

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Auf dem Bild sieht man links den ursprünglichen Verlauf der Außenkante, rechts die durch den Keil angestrebte Torsion (hier schon einmal mit Photoshop durchgeführt).
Die Nahtbereiche wurden anschließend mit Klebstoff getränkt und unter Spannung verleimt. Um den nötigen Druck aufzubauen, wurden die Rumpfhälften mit Draht verrödelt. Das sieht etwas brutal aus, aber da das Schiff später in ein Diorama versenkt wird, spielt das Aussehen des Unterwasserschiffes eine untergeordnete Rolle.

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Für den Einbau des Decks wurden anschließend neue Auflager in die Rumpfinnenseiten geklebt. Zur weiteren Stabilisierung der neuen Heckform wurde zusätzlich 2k-Modelliermasse eingebaut.

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Die neue Kontur des nach außen gedrückten Rumpfes. Das nun etwas zu breite Heck kann später wieder schmaler gefeilt werden. Die Geometrie der Aufbauten wurde angepasst, indem durch beidseitiges Entfernen eines 1mm breiten Keils zunächst der Winkel der Seitenwände reduziert wurde.

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Die roten Linien zeigen den ursprünglichen Verlauf der Seitenwände. Die Auslaufradien des Fräsers wurden anschließend in Handarbeit entfernt.

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Hochzeit: Deck und Rumpf werden verleimt und verspachtelt.

Fortsetzung folgt

Lutz