Seitentitel

Auf der Modellbauausstellung in Wilnsdorf 2011 begeisterten mich die teils scratch gebauten Modelle historischer Segler. Kurze Zeit später veröffentlichte Christian die ersten Teile seines Bauberichts zur Sloop Pegasus in Plank-on-Frame-Bauweise. Langsam aber sicher erwuchs in mir wieder das seit bald zehn Jahren ruhende Interesse für historische Segelschiffe und ich begann mich wieder in die Materie einzulesen und kramte sämtliche Baupläne hervor. Als dann die ersten Bilder des Testshots der Revell Wasa hier zu sehen waren und ich schließlich das Bausatzmuster für die Zvezda Black Swan besprach, reifte allmählich der Gedanke, mich wieder intensiver mit Modellen aus dieser Zeit zu befassen bzw. letztendlich zu bauen.

Da ich sonst nur in 1/350 baue und somit alle Modelle zueinander passen, sollten zukünftige Segelschiffsmodelle zumindest einen gleichen Maßstab aufweisen, wenn dieser auch nicht zwingend 1/350 sein musste.

Ich begann das Netz nach Bauberichten, Modellen und Bausatzbesprechungen der verfügbaren Plastikmodelle zu durchforsten. Dabei bin ich aber auf keinen grünen Zweig gekommen, so dass irgendwann die Entscheidung feststand ein Modell in scratch zu bauen. Als ich vor ca. 15 Jahren zum ersten Mal begann mich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen, traf ich damals die Einschränkung mich auf die Jahre zwischen 1750 bis 1815 zu konzentrieren. In dieser Zeit wurden die für mich schönsten Schiffe unter Segel gebaut. Am meisten haben es mir die britischen Fregatten dieser Zeit angetan. Nach der Durchsicht meines Planmaterials und der Literatur begann ich mit der Suche nach weiteren Plänen und Hintergrundinformationen. Beim Stöbern im Netz bin ich immer wieder über z.B. die 1/700 Modelle von Lars (z.B. hier) gestoßen. Auch der sehr ausführliche Baubericht von Holger Baethies´ Jupiter (siehe auch hier) faszinierte mich. Folglich stand als nächste grundlegende Entscheidung die Wahl des Maßstabs an.

Eine Vorgehensweise, wie von Christian in einem großen Maßstab, bei dem vorwiegend Holz verwendet wird, schloss ich von vornherein aus. Zwar ist so ein Modell sehr schön anzusehen und auch die benötigte Werkstatteinrichtung stünde mir zur Verfügung, allerdings weiß ich ganz genau, dass ich bei solch langwierigen Projekten irgendwann die Lust verliere. Außerdem ist so ein Modell wegen der Größe nicht wirklich regalfreundlich ist. Für 1/160 spricht die recht große Auswahl an Figuren aus dem Eisenbahnbereich. In 1/150 könnte es wohl zunehmend Neuerscheinungen bei Bausätzen geben, welche sich in die Riege einreihen könnten. Ein Mix beider Maßstäbe kommt für mich allerdings nicht in Frage. Andererseits kann man in beiden Maßstäben sehr, sehr viele Details nachempfinden, was die Bauzeit entsprechend verlängert. In meinen Gedanken träume ich von einigen Dioramen, so dass ein Bau in einem überschaubaren Zeitraum stattfinden sollte.

Von Anfang an begleitete mich die Idee einen Segler in meinem bevorzugten Maßstab nachzubauen. Nach diversen Überlegungen, ob und wie Details dargestellt werden könnten, stand schließlich der Entschluss fest, es tatsächlich zu wagen: Ein Segelschiff in 1/350 !

Antiquarisch konnte ich Anfang des Jahres einen Band der Anatomy of the Ship-Serie über die HM Bomb Vessel Granado erwerben. Diese erkor ich zum Versuchsobjekt für mein Vorhaben aus. Grundlegend will ich mit diesem Bau feststellen, ob ein Scratchbau derartiger Schiffe in 1/350 möglich ist. Welche Details lassen sich darstellen? Was muss vereinfacht werden? Kann evtl. sogar mit den gemachten Erfahrungen ein Bausatz entwickelt werden?

Das Original

Die Granado wurde am 14.08.1741 bei John Barnard, Ipswich, in Auftrag gegeben, um die Flotte der Mörserschiffe zu Beginn des Österreichischen Erbfolgekrieges zu ergänzen. Am 18.09.1741 fand die Kiellegung statt. Der Stapellauf erfolgte am 22.06.1742. Kurz danach wurde sie nach Harwich zur Endausrüstung verholt. Gemäß der Admirality Order vom 04.07.1742 erging der Befehl Granado anstatt als Mörserschiff als Sloop auszurüsten. Die zuvor bereits eingerüsteten Unterbauten der schweren Mörser wurden entfernt und eingelagert.

Ab dem 25.09.1742 wurde sie in der Rolle als Sloop zunächst vor der französischen und anschließend vor der englischen Nordostküste eingesetzt. Nach Kriegsende 1748 stellte sie außer Dienst und wurde verkauft. Da der Friede jedoch nicht lange währte, weil der Siebenjährigen Krieg ausbrach, wurde Granado wieder zurückgekauft und in ihrer ursprünglichen Rolle als Mörserschiff ausgerüstet. Nach einem kurzen Einsatz im Englischen Kanal lud sie Vorräte und wurde nach Halifax entsandt, um bei den Kämpfen in Kanada eingesetzt zu werden. Im Anschluss an diesen Einsatz kehrte sie nach Portsmouth am 11.12 1757 zurück. Unter einem neuen Kommandanten wurde sie am 10.10.1758 zu den Westindischen Inseln beordert. Dort angekommen nahm sie an den Operationen gegen die französischen Inseln Martinique und Guadeloupe teil.

Nach ihrer Rückkehr nach England im Oktober 1759 wurde sie nach einer erneuten Umrüstung zur Sloop in den Heimatgewässern eingesetzt. Im August 1761 erfolgte wieder ein Rückbau zum Mörserschiff und ein weiterer, diesmal erfolgreicher Einsatz zur Eroberung Martiniques. Nach diesen Operationen segelte sie zurück nach England, wo sie am 29.05.1763 eintraf. Kurz darauf wurde wegen der zu erwartenden hohen Instandhaltungskosten beschlossen Granado außer Dienst zu stellen und sie schließlich am 30.08.1763 zu verkaufen.

Das Modell

Als allererste Herausforderung stand die Herstellbarkeit der Wanten im Raum. Mit dieser Frage steht und fällt für mich das gesamte Projekt. Da ich, falls alles klappt, nicht nur ein historisches Modell bauen will, müssen Wanten für jeden Schiffstyp individuell herstellbar sein.

Nach Gesprächen mit Modellbaukollegen und deren Hinweisen bezüglich einer Lösung dieser Hürde, entschloss ich meine eigene „Wantenlehre“ zu konstruieren. Diese war recht schnell im CAD gezeichnet und so ausgelegt, dass auch wesentlich größere Wanten als die der „Granado“ damit herzustellen wären. Ein Arbeitskollege war so freundlich, die von mir konstruierte Lehre zu fräsen.

Für das Knüpfen der Wanten, aber auch für das andere stehende als auch laufende Gut, suchte ich nach passenden Materialien. Einfaches Nähgarn ist fast überall und in verschiedensten Farben erhältlich. Draht könnte, entsprechend vorgebogen, etwas formstabiler sein. Alternativ könnte, allerdings nicht für die Wanten, gezogener Gußast Verwendung finden. Auf der Suche nach einem möglichst dünnen Draht bin ich bei www.diekloeppelkiste.de fündig geworden. Auf dieser Seite werden vorlackierte Drähte in Stärken ab 0,1 mm angeboten. Kurzerhand bestellte ich mir einen in schwarzer Ausführung.

Nun konnte ein erster Versuch, Wanten selbst zu knüpfen, beginnen. Allerdings stellte sich schon sehr schnell heraus, dass der dünne Draht beim Wickeln sich zum einem dehnt und andererseits wieder etwas zurückfedert und somit kein gleichmäßiges Bild herzustellen war. Auch hatte ich ehrlich gesagt keine wirkliche Ahnung, wie das Ganze später zusammengehalten werden sollte (evtl. verdünnter Weißleim, der transparent trocknet).

Alternativ griff ich zum dünnsten Garn, welches im Handarbeitsladen verfügbar ist. Dieses lässt sich problemlos wickeln, zieht jedoch Staub an und Härchen stehen ab. Der große Vorteil ist aber, dass sich das Garn mit Sekundenkleber tränken lässt und somit das Geflecht stabil wird. Der vorläufige Versuch hiermit sieht soweit erfolgsversprechend aus, so dass die erste Klippe umschifft ist und das eigentliche Projekt jetzt richtig starten kann.

Bevor ich anfing den Rumpf als Wasserlinienversion zu bauen, legte ich mir mit Hilfe meines CAD-Programms fest, welche Materialstärken ich für welche Ebene verwende, da ich alles Mögliche an diesem Modell ausprobiere will. Z.B. habe ich mir überlegt, eine feinere Holzbeplankung darzustellen, als die mit den sog. V-Groove-Platten von Evergreen der Fall ist. Die gezeichneten Flächen druckte ich maßstabgerecht aus und klebte sie auf 0,25 mm starke Platten. Entlang der Außenlinien schliff ich die Platten in die gewünschte Form.

Entlang der Mittellinie der Wasserlinienplatte klebte ich den Längsspant oder besser gesagt: ich setzte ihn aus mehreren Teilen zusammen. Dabei berücksichtigte ich die Vertiefungen für die beiden Fundamente der Mörser. Die Bereiche für die Masten verstärkte ich, um diese später durchbohren zu können bzw. weil die Masten größere Durchmesser haben als der Längsspant dick ist.

Auf die Oberdecks klebte ich nun passende Stücke 0,25 x 0,5 mm Evergreen Profile. Farbversuche ergaben, dass ein Washing möglich ist. Am realen Bauteil neigt der Klebstoff aber dazu in die winzige Lücke zwischen den Stücken zu fließen und die dünnen Profile auch an den Flanken miteinander zu verschweißen und somit eine Kalfaterung dargestellt durch ein Washing zu verhindern.

Währenddessen entstanden die Mörserplattformen. Die Seitenteile sind aus 0,25 mm Material hergestellt. Im Vor- und Mittschiffsbereich klebte ich als Decksauflagen Hilfsspanten.

Zum Heck hin sieht man auch im Überwasserbereich die geschwungenen Spanten. Dazu verkleinerte ich auf dem Kopierer den Spantenriss aus dem Anatomy of the Ship auf 1/350 und druckte dies mehrmals aus. Anschließend schnitt ich aus dem Papier die benötigten Spanten aus und klebte sie auf 0,5 mm Plattenmaterial. Anhand der Umrisse schliff ich die Spanten in Form und klebte sie an die vorher angezeichnete Position.

Im vorderen Bereich des Modells klebte ich Füllstücke zwischen die Decksauflagen, um später Spachtelmasse zu sparen.

 

Sven