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Mitte des 19. Jahrhunderts endete das Zeitalter der hölzernen Segelkriegsschiffe. In den Jahren nach Trafalgar waren sie verbessert, vergrößert und verfeinert worden; nun wurde klar, dass mit wachsender Größe der Werkstoff Holz an seine Grenzen kam und über kurz oder lang durch Metall ersetzt werden würde – von den gleichzeitig aktuell werdenden Fragen der Panzerung ganz abgesehen. Die Verarbeitung von Metall zu eisernen oder stählernen Rümpfen erforderte jedoch Kenntnisse und Fertigkeiten, die nicht jedem Land zur Verfügung standen.

Waren auch die Dampfmaschinen noch nicht zuverlässig und insbesondere effizient genug, so standen die Vorteile eines vom Wind unabhängigen Antriebs - besonders im Gefecht - spätestens nach den Erfahrungen des Krimkrieges außer Frage. Eine kurzfristig verfügbare Lösung war der Einbau von Dampfmaschinen in hölzerne Segelkriegsschiffe, in Fregatten und Linienschiffe. So konnten die Vorteile beider Antriebstechniken kombiniert werden. Das Schiff konnte den Großteil der Reise unter Segel zurücklegen, ohne Kohlen zu verbrauchen, die nicht überall in ausreichender Menge zur Verfügung standen, und bei schwierigen Manövern sowie im Gefecht auf Dampfantrieb zurückgreifen. Immerhin übertraf bei der Jylland die mögliche Höchstgeschwindigkeit unter Segeln mit 15 kn noch diejenige unter Dampf von 12 kn.

Die dänische Schraubenfregatte Jylland, 1856-62 in Kopenhagen erbaut, war das letzte Schiff der Niels Juel–Klasse. Bewaffnet mit 46 konventionellen Vorderladern, unterschied sie sich nur durch die 400 PS–Dampfmaschine von ihren rein besegelten Vorgängern. Ihre 9,5 t schwere Bronzeschraube konnte bei Nichtgebrauch durch einen im Rumpf eingebauten Schacht geheißt werden und störte so die Hydrodynamik nicht mehr. Ihren wichtigsten Kriegseinsatz hatte sie im dänisch-deutsch-österreichischen Krieg von 1864. Beim Seegefecht vor Helgoland schoß sie den Fockmast der österreichischen Schwarzenberg in Brand, woraufhin sich die Österreicher und Preussen zurückzogen. Gerade weil der Krieg für Dänemark wenige Tage später verloren ging, ist der vergleichsweise positive Ausgang dieses - für den Kriegsausgang nicht entscheidenden - Gefechts heute noch in Dänemark als Sieg und Anlaß zum Stolz in Erinnerung. In den Friedensjahren danach diente die Jylland von 1874-86 als königliche Yacht, danach bis 1907 als Schulschiff. Sie entging immer wieder der Verschrottung, litt jedoch sehr unter Vernachlässigung. Zwischenzeitlich als Jugendherberge genutzt, gelangte sie 1960 in sehr schlechtem Zustand nach Ebeltoft im Osten Jütlands. Aufwendig über viele Jahre (1978-84) wiederhergestellt, liegt sie heute dort als Zentrum eines eigenen Museums und hochkarätige Sehenswürdigkeit.

Schon bei der Anfahrt nach Ebeltoft fallen die bis zu 53 m hohen Masten der Fregatte auf. Hat man sein Auto auf einem der zahlreichen kostenlosen Parkplätze in der Nähe abgestellt, nähert man sich dem Schiff entlang des niedrigen Museumsbaus, in dessen linker Hälfte das Museumsrestaurant und in dessen rechter Hälfte das eigentliche Museum untergebracht ist. Man betritt das Museum nach einem ersten Blick auf den Bug des Schiffes und geht durch die fast komplett dreisprachig dänisch, englisch und deutsch beschriftete Ausstellung. Hier werden die wesentlichen Aspekte der Geschichte des Schiffes und der mit ihm verbundenen Menschen mit Originalexponaten, Modellen, Bildern und Schautafeln dargestellt. So finden sich hier z.B. ein Diorama des Seegefechts vor Helgoland, ein sehr instruktives Schnittmodell des Schiffes mit seinen einzelnen Decks, und die originale Schiffsglocke der Jylland. Diese wurde in dem Gefecht getroffen; ein dabei herausgeschlagenes Stück riß einem Matrosen den Unterkiefer ab. Es wird beschrieben, wie der Ärmste diese Verwundung überlebte und über zwei Jahre durch zahlreiche experimentelle plastisch-rekonstruierende Operationen behandelt wurde, um ihn wenigstens (mit einem falschen Bart) einigermaßen am normalen Leben teilnehmen lassen zu können. Dieser Seemann – nur einer von viel zu vielen verstümmelten und entstellten Soldaten in viel zu vielen Kriegen, aber er bekommt ein Gesicht, ebenso wie in der Ausstellung viel auf das Los der Seeleute der damaligen Zeit eingegangen wird. Im Keller des Museumsbaus befindet sich eine Ausstellung zur Geschichte der Taucherei, sehr dunkel und atmosphärisch. Am Ende des Gebäudes liegt ein Kinosaal, in dem ein 20-minütiger Film über die Jylland abwechselnd auf dänisch, englisch und deutsch läuft.

Verläßt man das Gebäude, steht man vor dem massiven Heck der Jylland und blickt in ihr Trockendock hinunter, wobei die Größe des Schiffes jetzt erst richtig deutlich wird. Man kann das Schiff komplett umrunden und es sich von der Wasserlinie aus ansehen. Dabei sieht man zahlreiche Einzelheiten, von der Galionsfigur über das Ankergeschirr, die zahlreichen Stückpforten, die Püttinge, die Wanten, das Fallreep und auch den Kupferbeschlag des Unterwasserschiffs mit kaum sichtbaren Beschlagnägeln.

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Natürlich ist praktisch alles, was man außen am Schiff sieht, rekonstruiert – original ist hier nur sehr wenig. Trotzdem ist das Schiff zu einer Zeit gebaut worden, aus der sehr gute Quellen und auch viele Originalteile bestehen – man kann davon ausgehen, dass die Rekonstruktion nahe am Original ist. Für mich, der kein großer Experte ist, sieht es wenigstens danach aus.

Wie am Schiff gearbeitet wird, kann man als Besucher miterleben. Um das Schiff herum befinden sich Lagerräume und Werkstätten der Restaurationscrew, in die man hineinschauen darf. Auch ist hier eine Takelwerkstatt zu sehen, die einen guten Teil an Einrichtung aus der Bauwerft der Jylland enthält. Ebenfalls ausgestellt sind Beiboote, die restauriert werden. Zur Zeit (August 2007) fehlt der Jylland ein Gutteil ihres Fockmastes und des Klüverbaums. Die abgenommenen Teile liegen neben dem Schiff, eine seltene Gelegenheit, diese sonst unerreichbaren Bauteile aus der Nähe zu sehen. Die Fockbramstenge zeigt starke Fäulnisspuren und es ist klar, warum sie erneuert werden mußte.

Neben dem Trockendock liegt in einem zum Museum gehörigen Hafenbecken ein Feuerschiff, in dem ein Café eingerichtet worden ist. Auch liegen wechselnd andere Holzschiffe in dem Hafenbecken.

Man betritt die Jylland selbst entweder von backbord, dann landet man auf dem Oberdeck. Kommt man von steuerbord, kann man entweder über die Fallreepsleiter gehen, dann gelangt man auch auf das Oberdeck. Ansonsten betritt man das Schiff durch eine in die Seite geschnittene Öffnung und gelangt ins Batteriedeck. Barrierefreier Zugang und ein Fahrstuhl ermöglichen auch Rollstuhlfahrern einen Zugang zu großen Teilen des Schiffes. Von steuerbord aus kann man über eine Metalltreppe ins Trockendock hinabsteigen und sich das Unterwasserschiff von ringsum anschauen. Es gibt dort unten an backbord einen weiteren in den Rumpf geschnittenen Zugang, der ins Orlopdeck führt.

Das Innere des Schiffs ist zu einem großen Teil leer. Das Orlopdeck enthält einen Laufgang entlang der Steuerbordseite, aber weder eine Schraubenwelle noch eine Maschine noch irgendeinen der zahlreichen weiteren Einbauten, wie sie das Schnittmodell zeigt. Stattdessen hat man einen guten Einblick in die Konstruktion des Rumpfes und sieht die stählernen Verstrebungen, die das Schiff in seinem Dock stützen. Über dem Orlopdeck folgt das Banjerdeck, das hauptsächlich mit Backschaftstischen und Hängematten sowie einigen Abtrennungen aus Segeltuch möbliert ist. Man kann hier an Bord des Schiffes übernachten, ebenso wie man an Bord Essensgesellschaften (für bis zu 400 Personen!) abhalten kann. Sichtbar im Inneren des Rumpfes ist der Schacht für die Schiffsschraube. Das Batteriedeck darüber ist mit einer Anzahl von Kanonen ausgerüstet, zwischen denen die Backschaftstische aufgestellt sind und einige Hängematten aufgehängt sind – auch die zwei Gangspills und das Reservesteuerrad sind eingebaut. Einige lebensgroße Figuren demonstrieren das Geschützexerzieren sowie das Essenfassen am Backschaftstisch. Im Bug ist ein Herd nachgebaut mitsamt zwei Köchen. Achtern sind einige Offizierskajüten sowie die Messe zum Teil nachgebildet. Es ist jedoch keine vollständige Einrichtung vorhanden.

Vom Batteriedeck gelangt man auf das Oberdeck, das ebenso mit einer Anzahl Kanonen ausgestattet ist. Hier findet sich der (im Original einziehbare) Schornstein, die mittschiffs eingebaute Kommandobrücke (mit Kompass) und die anderen Deckseinrichtungen. Interessant ist die Höhe des Schanzkleids mit den eingebauten Finkennetzkästen. Nach achtern unter dem Quarterdeck sind die Räume für die Königsfamilie nachgebildet, mit Polstermöbeln und sogar einer sehr kleinen Toilette. Im Kontrast dazu finden sich beiderseits des Klüverbaums zwei vierfache "Donnerbalken" und zwei Waschbecken für insgesamt 430 Mann. Auf dem Quarterdeck ist relativ wenig Platz, und die niedrig liegende Gaffel teilt diesen wenigen Platz in zwei Hälften. Von hier hat man einen guten Blick auf die Takelung und natürlich auf das Hauptdeck.

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Geht man über das Schiff, fallen einem zahlreiche Kleinigkeiten auf, seien es die eingelassenen Speigatten, die Nagelbänke mit dem belegten laufenden Gut, die Art, wie die Webleinen eingewebt und das stehende Gut geteert ist – oder viele der anderen Einzelheiten an Bord eines solchen Schiffes.

Für die kleinen Gäste wird ein angeleitetes Basteln angeboten, bei dem die Kinder aus vorgefertigten Teilen einfache Holzmodelle bauen. Zur großen Gaudi der kleinen und großen Besucher gibt es während der Hochsaison auf dem Oberdeck zweimal am Tag eine "Kanonenshow": ein Museumsmitarbeiter hüllt sich in eine Art maritimer Uniform und brüllt sich in der Rolle des Kommandanten Roestrup eine halbe Stunde lang die Seele aus dem Leib. Er schnappt sich ein halbes Dutzend der Besucher, drückt ihnen Marinekäppis auf die Köpfe und übt mit ihnen Geschützexerzieren. In dem ganzen dänischen, oft von Gelächter unterbrochenen Gebrüll tauchen manchmal englische Erklärungen auf; da wird mit Säbel, Bajonett und Gewehr herumgefuchtelt und Anekdoten aus der Geschichte des Schiffes und der Familie des Kommandanten erzählt, bis schließlich die Kanone ausgerannt, die Zündladung gesetzt und die Zündleine gezogen wird – ohne Erfolg! Viel mehr wüstes Gebrüll und große Unzufriedenheit mit der unzuverlässigen Mannschaft folgen, bis die erlösende Nachricht kommt, dass es steuerbord am Bug eine funktionsfähige Reservekanone gibt. Also wird der gesamte Besucherpulk dorthin bugsiert, man nimmt um das Schiff herum Aufstellung, bis schließlich die Kanone mit einem ungeheuren Knall und einer heftigen Rauchwolke doch noch losgeht.

Man verlässt das Museum durch den Shop, der neben allerlei Souvenirs verschiedenster Art auch einiges an Literatur und den Holzbausatz der Jylland von Billing Boats anbietet. In der Umgebung findet sich das Glasmuseum und die sehenswerte Altstadt von Ebeltoft, letztere mit einer Unzahl von Geschäften, Cafés und Restaurants.

Zusammenfassung

Ein absolut sehenswertes Schiff aus einer historisch und technisch interessanten Übergangszeit, glücklicherweise erhalten geblieben und dem Anschein nach vorwiegend ehrlich restauriert. Besonders die Schraubeneinrichtung und die Möglichkeit, dem Unterwasserschiff so nahe zu kommen, unterscheiden dieses Schiff von z.B. den Schiffen von Portsmouth. Die fortschreitenden Arbeiten zur Erhaltung und weitergehenden Restaurierung machen Mut, dass die Jylland uns noch lange erhalten bleiben wird und vielleicht im Lauf der Zeit ihrem Originalzustand noch näher kommen kann. Für mich ist eine gute, aber unvollständige Restaurierung besser als eine weitergehende, aber weniger originalgetreue.

 

Adresse:
Fregatoeen – 8400 Ebeltoft – Danmark
www.fregatten-jylland.dk
Eintritt zur Zeit 80 dänische Kronen.
Frank Spahr