Ende Januar, ein Termin, der ganz fett im Kalender angestrichen ist. Nicht nur Modellbaubegeisterte freuen sich Jahr für Jahr auf die Nürnberger Spielwarenmesse. Auch 2020 fand sie wieder statt. Und schon ist sie auch wieder seit über einer Woche vorbei und es bleibt nur noch übrig, all die Gespräche auszuwerten und Eindrücke wirken zu lassen. Die Hersteller und Händler sind inzwischen wieder zu Hause, Unmengen an Mails und Bestellungen geschrieben und schon werden die ersten Container mit Waren befüllt.
Was hat die Nürnberger Messe 2020 nun für uns Modellbauer gebracht? Bernd Villhauer hat in seinem Messebericht vom 04.02.20 seine Eindrücke schon auf den Punkt gebracht. Enttäuschung auf der einen Seite, aber zwischendrin auch mit Highlights gespickt.
Seit fast 20 Jahren bin ich regelmäßig Besucher auf der Messe. Ich kann mich noch an Fahrten durch Schnee und Eis bei Minustemperaturen von 20 Grad unter Null und eine Reihe stehengebliebener Diesel-Fahrzeuge auf der Autobahn erinnern. An Schneestürme, Unwetter und Winter. In diesem Jahr verlief die Fahrt bei fast frühlingshaften Temperaturen sehr angenehm.
Doch offensichtlich hat sich nicht nur das Wetter in den letzten Jahren geändert. Die Modellbau-Gilde rückt immer weiter zusammen. Und dieser Verkleinerungstrend setzte sich wie der Klimawandel auch 2020 fort. Zum ersten Mal fehlte mit Hasegawa einer der großen namhaften Hersteller aus Japan, ebenfalls nicht mehr vertreten ist der Kleinhersteller Mirage aus Polen. Flyhawk aus China verschickte freundliche Mails, dass sie ihren Betriebsurlaub aufgrund des in China wütenden Virus bis zum 10. Februar verlängert hätten...
Traditionelle Hersteller wie zum Beispiel Tamiya oder auch Airfix scheinen sich aus dem Bereich maritimer (Schiffs-)Modelle zurückzuziehen. Zum wiederholten Male gibt es hier nichts Neues zu vermelden. Lediglich ein paar Navy-Flieger finden sich zwischen den Wiederauflagen altbekannter Modelle.
Erfreulich war, dass Dora Wings und Copper State Models zum ersten Mal selbst mit Ständen vertreten waren. Für uns Wasserbegeisterte bedeutet das zwar keine neuen Schiffsmodelle, aber zumindest ein paar neue Navy-Flieger und Schwimmerflugzeuge.
Die großen Marktführer bleiben auch 2020 ihren bisherigen Linien treu. Revell greift auf das hauseigene große Formensortiment zurück, garniert mit ein paar Formzukäufen, Heller - zum ersten Mal ganz und gar unter der neuen Leitung durch Glow2B - wird ebenfalls zahlreiche Wiederauflagen in die Regale legen und Trumpeter prescht mit einer schieren Orgie an Neuerscheinungen vor; immer unter dem Vorbehalt, dass die Bilder aus dem Katalog dann auch tatsächlich als Bausatz erscheinen. Dennoch, in diesem Jahr sorgten besonders kleinere Hersteller für positive Überraschungen.
Der Reihe nach:
Dora Wings/Clear Props
Diese beiden Hersteller aus der Ukraine sind erst seit kurzem auf dem Markt. Dora Wings ist mit ihren beiden Versionen der Savoia Marchetti S55 in 1/72 ein wirklich hervorragendes Flugzeugmodell gelungen. Bisher ist dieser „Wasserflieger“ als quietschrotes Rekordflugzeug und als silbergrauer Torpedobomber erhältlich. 2020 wird eine weitere Version mit neuer Mittel- und Rumpfsektion erscheinen.
Clear Props hatte einige neue Projekte im Bereich Marineflieger und -helikopter präsentiert. Ich denke, dass die Messe auch einen Distributor in Deutschland an den Tag gebracht hat.
Auf alle Fälle sind hier zwei interessante, vielversprechende Hersteller am Start.
ARK models
Der russische Hersteller war bisher hauptsächlich durch die Wiederauflagen alter wiederaufgelegter Wiederauflagen bekannt. Neu war dieses Jahr die meines Wissens erste Eigenentwicklung im Bereich der Schiffsmodelle. Dabei handelt es sich um zwei Einheiten der russischen U-Boote der Foxtrott-Klasse (Projekt 641), die als (Resin-)Modellbausätze in 1/350 eine Lücke schließen, sowie eine Version der Golf 1-Klasse (Projekt 629A). Die Gussqualität der Erstlingswerke ist gut, die Verpackung in Form von kleinen Holzkisten gibt diesen Bausätzen noch dazu einen ganz besonderen Charme. Die Erstauflage ist auf 30 Stück pro Boot begrenzt, deshalb rate ich allen Interessierten trotz des zu erwartenden Preises beim Importeur MBK zuzuschlagen!
Revell
Zur guten Tradition bei Revell gehört es inzwischen, (alt-)bekannte Bausätze mit einer Orgie aus Ätzteilen, Drehteilen aus Metall und Holzdecks aus dem Hause Pontos zu veredeln und als Platinum-Edition auf den Markt zu bringen. 2020 werden es die betagte USS Enterprise in 1/400 und das Typ VIIC/41 U-Boot in 1/72 sein.
Den Dauerbrenner Titanic (1/400) wird es in der Technik-Variante mit Licht- und Soundeffekten geben. Eine andere Version der Titanic wird in Kombination mit einer Dioramaszene - heißt: mit Wasserfläche, Hintergrund und dem obligatorischen Eisberg -aufgelegt werden.
Von den US Navy Landing ships medium in 1/144 wird es eine weitere Version mit neuen Teilen - vor allem rund um die Bewaffnung (40-mm-Bofors) am Bug - geben. Wieder erhältlich sein, wird der 1/700er britische Träger HMS Invincible in seiner Falkland-Konfigurationund die USS Tarawa in 1/720. Auch die HMS Dreadnought in 1/350 aus den ursprünglichen Zvezda-Formen kommt 2020 wieder in die Regale der Läden. Als Geschenksets kommen die Mayflower in 1/82 und ein Seenotrettungs-Kombiset aus dem Westland Sea King Hubschrauber und dem Rettungskreuzer Berlin im Maßstab 1/72.
Trumpeter
Der Katalog strotzt geradeso vor Neuheiten. Vor Ort ausgestellt waren neben der Scharnhorst im Maßstab 1/200 die Spritzlinge und Ätzteilplatinen zur neu angekündigten Bismarck in 1/350. Sensationell! ...oder doch nur eine weitere von zahlreichen dieser „Mutter aller deutschen Schlachtschiffe“? Der angekündigte Preis von 199 € wird auch nicht jedem Modellbauer schmecken.
Die 1/200er Titanic von 2019 erlebte einen erneuten Auftritt, zusammen mit einer aus diesem Grundbausatz von unserem modellmarine-Crewmitglied Wolfgang Wurm umgebauten Olympic in ihrer „unauffälligen“ WW1-Tarnbemalung. Ein Blickfang erster Klasse!
Trumpeter präsentierte auch dieses Jahr auf ihrem Messestand Bausätze, die bereits im vergangenen Jahr auf den Markt gekommen sind, und als Plakat die nagelneu ausgelieferte USS Langley in 1/350.
Zvezda
Als Neuheit präsentierte Zvezda das russische U-Boot Tula der Delfin-Klasse (Projekt 667 BRDM/Delta IV), eine passende Ergänzung zu den bisherigen U-Boot-Modellen der letzten Jahre.
IBG
Die umtriebigen Polen von IBG sind seit Jahren nicht nur als Händler unterschiedlicher osteuropäischer Marken wie Amodel bekannt, sondern haben auch eine kleine aber feine Reihe eigener Schiffsmodelle in 1/700 am Start. Neustes Werk ist die HMS Hotspur 1941, ein britischer Zerstörer der H-Klasse, dem bald zwei weitere Versionen, die HMS Ilex 1942 und die HMS Harvester 1943, folgen werden.
Aoshima
führt mehr und mehr ein Randdasein auf der Messe. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf Automodelle. Lediglich ein paar Spritzlinge des britischen Zerstörers HMS Jervis aus dem Zweiten Weltkrieg waren auf dem Stand zu finden sowie zwei Schwere Kreuzer, HMS Norfolk und HMS Cornwall. Auch wenn die Qualität der Bausätze noch immer in gewohnt hohem Niveau ausfällt, ist der Auftritt Aoshimas alles in allem enttäuschend. Nürnberg scheint für die japanische Traditionsfirma nicht mehr interessant genug zu sein.
Tamiya
ist ein weiterer Kandidat der ursprünglichen Hobby-Größen, der sich marinetechnisch seit Jahren tot stellt. Altbewährtes, altbekanntes findet sich hier.
Italieri
Italieris Messestand präsentierte ein ruhiges Rauschen altbekannter Modelle, aber eben auch nicht viel Neues.
Academy
Die Koreaner rüsten zumindest im Bereich Marineflieger auf. Aus neuen Formen werden - laut Katalog - kommen eine USMC F-35B und eine USN F-14A, beide in 1/72, sowie ein USN Fighter F3F-2 und ein USMC Helikopter AH-1Z „shark mouth“, je in 1/48. Mit neuen Abziehbildern werden eine 1/48er USMC SMB-1 „Pearl Harbor“ und eine USN F/A-18F „VFA-2 Bounty Hunters“. Aber auch bei Academy ist im Bereich neuer Schiffsmodelle seit Jahren kein Land in Sicht. Allerdings soll es die USS Missouri (BB-63) in 1/400 mit neuen Decals in der aktuellen Erscheinung geben. Bleibt abzuwarten, was das an Änderungen zu bedeuten hat.
Airfix
hat keinen neuen Schiffsbausätze vorgestellt. Am Stand waren einige Modelle von Marinefliegern zu sehen, die bereits 2019 erschienen sind, so eine Hellcat im Maßstab 1/24 und eine Buccaneer im Maßstab 1/72. Es sind einige Marineflieger in "Dogfight"-Sets sowie Spezialauflagen passend zum Top Gun-Film angekündigt, auch eine Wellington Mk. VIII mit Markierungen des Coastal Commands ist neu.
Eduard
Den Schifflebauern als stetiger und zuverlässiger Ausrüster mit Ätzteilsätzen in den unterschiedlichsten Maßstäben vertraut, hat Eduard auf dieser Messe nur ein einziges Schiff mit gold-glänzendem Metall präsentiert. Dafür war das zu meiner besonderen Freude die Schleswig-Holstein in 1/350 von Trumpeter, Bauzustand 1935. Auf Nachfrage hieß es aber leider auch, dass man für die 1908er-Version kein Set plane, da Eduard sich bei den Schiffen mehr auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs konzentrieren wolle. Verkauft sich wohl besser als andere Epochen.
Heller/Glow2B
Es sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass Heller 2019 von Glow2B aufgekauft wurde. Dementsprechend werden alle Neuerscheinungen in neuem Outfit herauskommen. Die Liste der geplanten Wiederauflagen ist lang und ambitioniert. Das Design der Verpackung wird aus den klassischen, gemalten Deckelbildern in neuem Gewand bestehen. Optisch sehr schön. Abzuwarten bleibt, wann mit Neuauflagen zu rechnen sein wird und welche das sein werden.
CMK
Nach der Short Sunderland im letzten Jahr präsentiert CMK 2020 das finnische WW2-U-Boot Vesikko in 1/72. Zudem sind einige kleinere Resin-Upgrade-Sets für Revells PT-Boote verfügbar.
CSM (Copper State Models)
Nicht jedermann im maritimen Gefilde geläufig ist der Hersteller CSM. Schließlich konzentriert sich dieser auch auf WW1-Fahrzeuge in 1:35 und Flieger in 1:48. Aber gerade bei Letzteren bietet er eine Caudron GIV Hydravion. Auch wenn dieser Bausatz keine Neuheit mehr ist, führt kein Weg daran vorbei, ihn nochmals vorzustellen. Das Ding ist sagenhaft (siehe Besprechung auf Modellmarine).
Artitec
aus Holland hatte vor Jahren eine Reihe von Segelschiffen geplant und teilweise schon vorgestellt; davon ist nichts mehr zu sehen. Die Firma konzentriert sich auf Fahrzeuge und Zubehör für den Eisenbahnsektor. Für mehr ist keine Zeit geblieben. Daher mag es auch nicht verwundern, dass sich schwimmendes Gut auf kleine Fähren und Boote beschränkt. Wobei ich die Idee, die African Queen aus dem gleichnamigen Film von 1951 im Maßstab 1/87 herauszubringen, recht witzig finde. Jüngeren Lesern sei empfohlen, sich diesen Klassiker zu googeln, ihn zu streamen oder downzuloaden...
das Kantoor
Nicht fehlen darf natürlich das Kantoor aus Stuttgart. Ebenfalls im Eisenbahnerbereich angesiedelt, erfrischt das Kantoor die Szene mit zahlreichen Schiffchen und Booten aus Resin. Hauptsächlich handelt es sich dabei um eine Menge von Süßwasserschiffchen, die auf Seen und Flüssen zu Hause sind, aber auch U-Boote und Hochseetaugliches ist im Sortiment, wie zum Beispiel der schöne Kriegsfischkutter. Neu sind ein kleines Flusskanonenboot, ein Lastkahn und eine Reihe englischer Seeleute in 1/87.
Mein Fazit der Messe 2020 im Schiffsmodellbau
Während Trumpeter seine Führung im Bereich der Schiffsmodelle mit ständig neuen - und gut gemachten sowie interessanten - Modellen ausbaut, verwalten die meisten Hersteller sich und ihren bestehenden Formenschatz einfach nur selbst. Die großen Überraschungen liefern hier eher kleine Unternehmen, die frisch und hungrig, aber auch mutig, Modelle herausbringen, an die sich die großen gar nicht erst trauen.
Außerdem sind in den vielen Katalogen zahlreiche Neuheiten angekündigt, die in Nürnberg noch nicht präsentiert wurden; und schließlich bleiben auch die zahlreichen Hersteller übrig, die erst gar nicht auf der Messe vertreten waren. Bei denen wird sich im laufenden Jahr ebenfalls noch einiges an Ankündigungen tun.
Diese Entwicklung mag nicht jedem passen, aber ich denke, dass sie sich nicht mehr umkehren lässt. Auch im Modellbau sind wir offenbar bei unserem ganz eigenen "Klimawandel" angekommen.
Wolfgang