Modell: HMS Campbeltown 1942
Hersteller: FlyHawk
Maßstab: 1/700
Material: Kunststoff, Fotoätzteile
Art.Nr.: FH 1105 („normale“ Ausführung), FH 1105 S („limited Edition“)
Preis: 18,00 € bzw. 28,00 € für die Limited Edition (bei NNT)
Das Original
Die Geschichte der HMS Campbeltown (I42) begann im am 29.06.1918. An diesem Tag wurde in der Bath-Iron-Works Werft in der Stadt Bath im US Bundesstaat Maine die USS Buchanan (DD-131) auf Kiel gelegt. Die USS Buchanan war ein Zerstörer der Wickes-Klasse (auch „Flushdecker“ oder auch „Four Pipers“ genannt) und ein damit Schwesterschiff der USS Ward. Die USS Ward erlangte dadurch Berühmtheit, dass sie das Schiff der US Navy war, das noch vor Beginn des japanischen Luftangriffes auf Pearl Harbor ein japanisches Kleinst-U-Boot versenkte.
Die Bewaffnung bestand zum Zeitpunkt der Indienststellung aus vier 10,2 cm (4“)-Geschützen, einer 7,6 cm Flak und zwölf Torpedorohren in jeweils vier Dreiergruppen (Durchmesser: 53,3 cm/21“). Die USS Buchanan hatte eine Länge von rund 96 m, eine Besatzung von 103 Mann und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 35,3 kn.
Die USS Buchanan lief am 2. Januar 1919 vom Stapel und verpasste so den Einsatz im Ersten Weltkrieg. Die Zeit zwischen den Weltkriegen verlief weitestgehend friedlich und ereignislos. Die USS Buchanan wurde in dieser Zeit mehrfach aus dem aktiven Dienst genommen. Am 30.09.1939 wurde sie, unter Eindruck des Ausbruches der Feindseligkeiten in Europa, wieder in Dienst gestellt und zunächst dem Atlantikgeschwader zugeteilt. Von Dezember 1939 bis Februar 1940 operierte die USS Buchanan im Golf von Mexiko und vor Florida, bevor sie über New York nach Halifax (Kanada) verlegt und dort am 09.09.1939 von der US Navy endgültig außer Dienst gestellt und an die Royal Navy übergeben wurde.
Fortan fuhr sie als Zerstörer der Town-Klasse unter dem Namen HMS Campbeltown in der 7. Geleitzuggruppe für das Western Approaches Command. Nach einem kurzen Intermezzo als Teil der Königlich Niederländischen Marine im Januar 1941 versah die HMS Campbeltown bis März 1942 Geleitzugdienst im Atlantik. Trotz mehrmaliger Feindberührung gab es auf der HMS Campbeltown keine Schäden. Dennoch waren die Tage der HMS Campbeltown gezählt.
Operation Chariot – Der Angriff auf Saint Nazaire
Im Jahr 1942 war die Tirpitz das größte Schlachtschiff der deutschen Kriegsmarine. Unter Eindruck der schlechten Erfahrungen mit dem Schwesterschiff Bismarck bereitete die Vorstellung, dass dieses Schlachtschiff in den Atlantik verlegen und dort die Konvoirouten bedrohen konnte, der britischen Admiralität schlaflose Nächte. Eine Schlüsselstellung für dieses Operationsszenario der deutschen Kriegsmarine stellte das Trockendock in dem von der Wehrmacht besetzten Saint-Nazaire dar. Dieses 350 m lange und 50 m breite Dock wurde auch als „Normandie-Dock“ bezeichnet, da es für die Aufnahme des Schnelldampfers Normandie konzipiert wurde. Allein dieses Dock wäre in der Lage, größere Reparaturen an der Tirpitz vorzunehmen. Ohne dieses Dock würde die Gefahr einer aktiven Schlachtschiffbedrohung im Atlantik minimiert. Also musste das Dock außer Funktion gesetzt werden.
Die britische Admiralität arbeitete hierfür den Plan zur Operation Chariot aus. Der Plan sah vor, ein veraltetes britisches Schiff so umzubauen, dass es für die deutschen Verteidiger als deutsches Schiff durchgeht, dieses Schiff mit Sprengmitteln und Kommandotruppen auszustatten und dann das Dock zu rammen und zeitverzögert zu sprengen. Die Kommandotruppen sollten dann weitere Zerstörungen vornehmen und sich auf die Begleitboote zurückziehen. Die Umsetzung dieses auf dem Überraschungsmoment basierenden Plan wurde dadurch erschwert, dass Saint Nazaire nach Brest die am stärksten verteidigte Garnison der Deutschen war.
Dennoch wurde der Plan ausgearbeitet und am 28.03.1942 umgesetzt. Als „veraltetes britisches Schiff“ fiel die Wahl auf die HMS Campbeltown. Das Aussehen der HMS Campbeltown wurde so gut es ging an das eines deutschen Torpedobootes der Raubvogel-Klasse angepasst. Die ursprüngliche Bewaffnung wurde bis auf ein veraltetes 7,6 cm Geschütz auf dem Vorschiff und mehrere 20 mm Flak entfernt. Im Bug des Schiffes wurden als Sprengmittel 4 Tonnen mit einem Zeitzünder versehene Wasserbomben platziert. Die HMS Campbeltown sollte demnach als „schwimmende Bombe“ fungieren. Begleitet wurde die HMS Campbeltown vom Motorkanonenboot MGB 314 und dem Torpedoboot MTB 74. Zusätzlich nahmen mehrere hölzerne Motorbarkassen mit jeweils 15 Kommandosoldaten an Bord an diesem Unternehmen teil. Der Verband verließ den britischen Hafen Falmouth am 26.03.1942. Die Anfahrt dauerte zwei Tage, wobei es am 27.03.1942 zu einem Zwischenfall mit einem deutschen U-Boot kam, der aber folgenlos blieb. In der Nacht zum 28.03.1942 näherte sich der Verband Saint Nazaire in Reihenformation. Ein zuvor als Ablenkung geplanter Bombenangriff auf den Hafen blieb erfolglos und sorgte eher dafür, dass die Deutschen Verteidiger alarmbereit waren. Um 1:15 Uhr wurde der einlaufende Verband von den Verteidigern zum ersten Mal gesichtet. Dieser sendete einen deutschen Morsecode, der die Verteidiger zunächst in die Irre führte. Allerdings flog die Tarnung nach kurzer Zeit auf, sodass die Deutschen um 1:28 Uhr das Feuer auf die sich nähernden Angreifer eröffneten. Das verhinderte aber nicht, dass die HMS Campbeltown um 1:34 Uhr das südliche Schleusentor mit 20 kn rammte. Die Kommandos an Bord verließen das Schiff und begannen unverzüglich damit, auch das nördliche Schleusentor zu beschädigen.
War dieser Angriff noch erfolgreich, traf das Abwehrfeuer die hölzernen Motorbarkassen umso schwerer. Allein acht dieser Boote wurden binnen 4 Minuten mit einem Großteil ihrer Besatzung versenkt. Auch MTB 74 wurde, nachdem es zwei mit Langzeitzündern versehene Torpedos auf das alte Schleusentor abgefeuert hatte, im Hafen versenkt. Allein MGB 314 gelang es mit einigen Motorbarkassen den Hafen zu verlassen und auf einen 25 Seemeilen entfernten Sammelpunkt zuzuhalten. An Bord aller Boote befanden sich Besatzungsmitgliedern der HMS Campbeltown und verwundete Kommandosoldaten. Aber diese Flucht wurde von deutscher Küstenartillerie vereitelt. MTB 314 und eine Barkasse sanken unter hohen Verlusten. Weitere Barkassen wurden durch deutsche Schiffe (Torpedoboot Jaguar) aufgebracht oder durch Flugzeuge versenkt oder so stark beschädigt, dass sie aufgegeben werden mussten. Letztendlich erreichten nur drei Barkassen Farmouth. Die rund 370 in den Docks von Saint Nazaire abgesetzten Kommandosoldaten kämpften unter hohen Verlusten bis um 10:00 Uhr weiter. Etwa 200 Soldaten kapitulierten und gerieten in Gefangenschaft. Fünf Soldaten gelang die Flucht. Sie schlugen sich bis nach Gibraltar durch und gelangten so wieder in die Heimat.
Und die HMS Campbeltown? Der Zeitzünder der Wasserbomben war auf 9:00 Uhr eingestellt. Tatsächlich passierte aber um 9:00 Uhr nichts. Stattdessen erfolgte erst um 10:35 Uhr eine Explosion, die 250 deutsche Soldaten und Zivilisten tötete. Der Schaden am Dock selbst war so erheblich, dass er während des Krieges nicht mehr behoben werden konnte. Die Briten werteten dieses Unternehmen trotz der erheblichen Verluste als Erfolg.
Nachspiel: Zwei Tage nach dem eigentlichen Angriff explodierten plangemäß die von MTB 74 abgeschossenen Spezialtorpedos. In Folge dieser Explosionen kam es zu Panikreaktionen bei den deutschen Besatzern, die u.a. 16 französischen Zivilisten das Leben kostete.
Der Bausatz
Im Jahr 2014 brachte Flyhawk als eines der ersten Spritzgussmodelle die USS Ward heraus und sorgte damit hinsichtlich der Qualität und de Ausstattung für Aufsehen. Die HMS Campbeltown basiert auf diesem Bausatz und wird in einer „normalen“ Version und in einer „Limited Edition“ angeboten.
Die Besprechung beginnt diesmal mit einem eher negativen Punkt. Die Verpackung besteht aus einem sehr kleinen, beengten Faltkarton, wie man ihn z.B. von Revell kennt. Allerdings ist die „Größe“ des Flyhawk-Kartons so klein gewählt, dass ein Wiederverpacken der Gußäste zwangsläufig ein Hineinquetschen erfordert. Angesichts der sehr filigranen Teile birgt dies natürlich die Gefahr von Beschädigungen.
Es fällt auf, dass das Modell mit gerade mal 13,5 cm eher klein ist und wenig Platz im Regal erfordert. Hier bietet sich die Darstellung in einem Diorama förmlich an. Dennoch ist die Teilezahl mit rund 90 Spritzgussteilen und 22 Ätzteilen relativ hoch und verspricht ein fein detailliertes Modell.
Die Passgenauigkeit von Überwasserschiff und der Wasserlinienplatte bzw. dem Unterwasserschiff ist sehr gut. Bei der Begutachtung der Teile fällt auf, wie fein detailliert das alles ist. Hier sollte auf die Bemalung ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Mit etwas zu viel oder zu wenig verdünnter Farbe wird man die feinen Details schnell überdecken. Überhaupt fällt bei allen Teilen die extrem gute Gussqualität auf. Hier setzt Flyhawk absolut neue Maßstäbe.
Im ersten Schritt der Bauanleitung setzt man das Deck auf das Rumpfteil. Das Unterwasserschiff oder die Wasserlinienplatte sollen laut Anleitung aber noch nicht eingebaut werden. Da in den nächsten Arbeitsschritten allerdings schon mit den größtenteils sehr filigranen Aufbauten begonnen wird, würde ich den Rumpf schon im ersten Schritt fertigstellen und gegebenenfalls lackieren (Stichwort: Wasserpass abkleben).
In der zweiten Baustufe werden die vorderen Aufbauten mit der Brücke und dem dahinter liegenden Flakstand auf das Deck gesetzt. Hier sind viele sehr feine Ätzteile, z.B. für das Schild des 7,6 cm-Geschütz, zu verbauen. Hier, wie überhaupt im weiteren Verlauf, sollte man mit dem Kleber und der Farbe sehr sparsam umgehen. Im nächsten Schritt (Baustufe 3) werden u.a. die Schornsteine gesetzt. Die beiden vorderen Schornsteine ähneln den auf deutschen Zerstörern bzw. Torpedobooten verwendeten Schornsteinen (was ja auch der Sinn war). Die beiden hinteren Schornsteine werden mit unterschiedlich hohen Kappen abgedeckt. Im hinteren Bereich des Schiffes werden geätzte Schutzwände gesetzt. Ich nehme mal an, dass diesen den eingeschifften Kommandosoldaten einen gewissen Schutz geben sollten.
Die vierte Baustufe widmet sich dem Heck des Schiffes. Hier sind vier Flakstände und diverse Kleinteile zu verbauen. Es fällt auch hier auf, dass sehr viele Details mit Ätzteilen umgesetzt wurden, um möglichst originalgetreue Abmessungen zu ermöglichen. Nur der Schraubenschutz wird nicht als Ätzteil dargestellt sondern ist an das Decksteil mit angegossen. Man muss aber sagen, dass dieses Teil so fein ist, dass man ein Ätzteil hier nicht wirklich vermisst. Der fünfte und letzte Bauabschnitt behandelt die oben erwähnte Endmontage des Rumpfes sowie den Zusammenbau des geätzten Modellständers. Und damit ist der Bau auch schon abgeschlossen.
Am Ende der bei Flyhawk üblichen sehr kleinformatigen Bauanleitung findet sich eine farbige Bemalungsanleitung (Seitenansicht und Draufsicht) mit Farbangaben von Mr. Hobby, Tamiya und WEM Colorcoats sowie zwei weiteren nicht zu definierenden chinesischen Herstellern. Als Farbe für den Rumpf und die Aufbauten wird „Mountbatten Pink“ vorgegeben, eine Farbe, die bei Mr. Hobby und Tamiya zusammenzumischen ist.
Eine Takelanleitung bzw. die Darstellung der Takelung im Seitenriss sucht man vergebens. Hier ist Eigeninitiative gefragt.
Die Limited Edition
Wie bereits erwähnt, bietet Flyhawk für 10 € mehr auch eine „Limited Edition“ an. Da ich diesen Bausatz auch hier liegen habe, bietet sich ein Vergleich beider Versionen förmlich an.
Zunächst einmal liegt der Limited Edition eine zusätzliche Ätzplatine bei. Neben 50 Figuren von kämpfenden Kommandosoldaten in verschiedenen Posen liegen diverse Ätzteile bei, die dem Bausatz eine weitere Detailtiefe geben. Neben geätzten Schilden für die 20 mm Flak und Leitern findet man hier auch geätzte Schraubenschutzvorrichtungen. Diese Platine wertet den Bausatz nochmal sinnvoll auf.
Als nächstes findet man in zwei separaten Tüten winzige Drehteile für die Festmacherpoller und das Rohr des 7,6 cm Geschützes. In den Fotos habe ich diese mikroskopischen Teile markiert. Ich habe mich nicht getraut, diese Teile aus der Tüte zu nehmen, denn wenn die einmal wegfliegen liegt die Chance, sie wiederzufinden bei 0%. Ich habe lange überlegt, mit welcher Pinzette man diese Teile an ihren endgültigen Ort bringen und dort verkleben sollte. Das "Schlimme" ist, dass diese Teile unter extremer Vergrößerung tatsächlich sehr gut aussehen. Aber mit bloßem Auge ist das nicht zu sehen. Ich bewundere Menschen, die solche Teile verbauen können, aber ich werde mich dieser masochistischen Aufgabe nicht stellen. Zumal ich nicht denke, dass sie zu einer entscheidenden Verbesserung des Modells beitragen.
Eine wirklich sinnvolle Idee ist dagegen das kleine Pappblättchen mit Takelgarn von „Uschi von der Rosten“. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich nach dem Einzug von Ätzteilen in „normale“ Schiffsbausätze (z.B. von Trumpeter, HobbyBoss oder Dragon) auch die Beigabe von etwas Takelgarn durchsetzen könnte.
Schön ist auch, dass auf die Platzierung der oben aufgeführten Zusatzteile in einer erweiterten Ausgabe der Bauanleitung ausführlich eingegangen wird. Auch hier gilt, dass man gut mit der Anleitung zurechtkommt, wenn man sich erstmal an das Kleinformatige gewöhnt hat.
Fazit
Mit der HMS Campbeltown hat Flyhawk einen wirklich großen Wurf gelandet. Man bekommt hier für relativ wenig Geld einen absolut vollständigen Bausatz der keiner zusätzlicher Details bedarf. Dabei ist man schon mit der „einfachen“ Version für unter 20 € sehr gut bedient. Wen etwas höhere Ansprüche setzt und über die entsprechende Erfahrung verfügt sollte durchaus die 10 € mehr in die Hand nehmen und die Limited Edition kaufen. Hier finden sich zwar Teile, die nahe am „Unbaubaren“ liegen, aber allein die zusätzliche Ätzplatine und das Takelgarn rechtfertigen den Aufpreis. Wer aber über keine Erfahrungen bei der Verwendung von Ätzteilen verfügt, sollte von diesem Bausatz die Finger lassen, denn dieses Schiff lässt sich ohne Ätzteilen nicht bauen. Wenn es am Bausatz etwas zu verbessern gäbe, wären das der zu kleine Karton und die wie immer etwas kleine Bauanleitung. Beide Versionen sind
uneingeschränkt empfehlenswert
Jens Bartels
Wir danken FlyHawk für das Bausatzmuster