Modell: SMS Gazelle German Light Cruiser, 1901
Hersteller: Kombrig
Maßstab: 1/700
Material: Resin, Fotoätzteile
Art.Nr.: 70650
Preis: 47,8 € (bei NNT Modell + Buch)
Das Original
Der deutsche Geschützte Kreuzer SMS Gazelle, ursprünglich als Kreuzer IV. Klasse und ab Fertigstellung als Kleiner Kreuzer klassifiziert, war das Typschiff einer Klasse von zehn von 1897-1904 gebauten Kreuzern. Die Gazelle-Klasse war die erste Klasse eines kleineren Kreuzers der Kaiserlichen Marine, die sowohl für den Einsatz mit der Flotte als auch als Auslandskreuzer gedacht war. Auf die Klasse folgten 17 ähnliche Kreuzer der Bremen-, Königsberg-, Dresden- und Kolberg-Klasse.
Die Kaiserliche Marine hatte, wie viele andere Marinen, gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Arten von kleineren Kreuzern:
- schnelle, kleine Kreuzer, die für die Aufklärung für die Flotte, zur Übermittlung von Nachrichten und für das Bekämpfen bzw. Führen von Torpedobooten gedacht waren. Diese waren leicht gebaut, hatten meist eine nur schwache Geschützbewaffnung, aber oft eine starke Torpedobewaffnung, waren also Torpedokreuzer. Sie hatten teilweise ein Panzerdeck und wurden als Aviso klassifiziert. Exemplare dieses Typs waren die Blitz-, Greif-, Wacht-, Meteor- und Hela-Klasse.
- Kreuzer mit stärkerer Artilleriebewaffnung und größerer Reichweite als Auslandskreuzer, die im Kriegsfall als Handelsstörer dienen sollten. Dies waren typische Geschützte Kreuzer, hatten also ein Panzerdeck. Klassifiziert waren sie als Kreuzer II. und III. Klasse, Exemplare dieses Typs waren die Irene-Klasse sowie die Gefion.
- langsame Kreuzer mit Artilleriebewaffnung als Auslandskreuzer, die primär als Patrouillenschiffe in den Kolonien gedacht waren. Diese waren ungepanzert und als Kreuzer IV. Klasse klassifiziert. Exemplare waren die Schwalbe- und Bussard-Klasse.
Die Gazelle-Klasse sollte alle diese Funktionen ausüben können. Der Rumpf war eine Weiterentwicklung des Aviso Hela, allerdings etwas breiter und stärker gebaut, um eine stärkere Artilleriebewaffnung einbauen zu können. Die Klasse erhielt schnell feuernde 10,5-cm-Geschütze, um sowohl kleinere Kreuzer als auch Torpedoboote bekämpfen zu können. Vergleichbare damalige britische Kreuzer III. Klasse erhielten 10,2-cm-Geschütze, die für den Dienst bei der Flotte gebauten Spähkreuzer nur 7,6-cm-Geschütze. Die Torpedobewaffnung des Typschiffs Gazelle bestand wie bei der Hela aus drei Torpedorohren, bei den folgenden Schiffen nur noch aus zwei Torpedorohren. Als Schutz war ein Panzerdeck vorhanden. Die Schiffe der Gazelle-Klasse fielen nicht identisch aus. Es gab Unterschiede beim Antrieb, insbesondere bei den Kesseln. Gazelle hatte dazu die Brücke mittschiffs zwischen den Schornsteinen, die folgende Schiffe - Niobe, Nymphe, Thetis, Ariadne, Amazone und Medusa - hatten die Brücke zwischen Fockmast und dem vorderen Schornstein. Die letzten drei Schiffe - Frauenlob, Arcona und Undine - waren etwas breiter.
Vor dem Ersten Weltkrieg wurde Arcona zum Minenkreuzer umgebaut. Drei Kreuzer der Klasse - Ariadne, Frauenlob und Undine - wurden im Ersten Weltkrieg versenkt. Dazu wurde Gazelle so schwer beschädigt, dass sie nicht wieder einsatzfähig gemacht wurde. Die verbliebenen sechs Schiffe kamen zur Reichsmarine, bei der alle bis auf Niobe zeitweise im Einsatz waren. Nymphe und Amazone wurden stärker modernisiert und erhielten u.a. einen neuen Bug (wie auch Niobe). Amazone wurde 1930 als letztes außer Dienst gestellt. Niobe wurde 1925 an Jugoslawien verkauft und diente dort als Dalmacija. Diese wurde 1941 italienische Kriegsbeute und als Cattaro in Dienst gestellt, 1943 von der Kriegsmarine übernommen, wieder Niobe genannt und 1943 versenkt. Nymphe und Thetis wurden 1932 bzw. 1930 abgewrackt. Medusa und Arcona wurden 1942 zu Flakbatterien umgebaut und 1945 selbst versenkt. Amazone überlebte als Wohnhulk den Zweiten Weltkrieg und wurde erst 1954 abgewrackt.
Gazelle war 105,0 m lang, 12,2 m breit und verdrängte 2963 t. Der Antrieb erfolgte durch acht Kessel und zwei Vierzylinder-Dreifachexpansionsdampfmaschinen mit 6671 PS, womit 20,1 kn erreicht wurden. Die Besatzung bestand aus 257 Mann.
Bewaffnung
10 x 10,5 cm L/40 SK
10 x 3,7 cm Revolverkanonen (oder 14?)
3 x 45 cm Torpedorohre (eines unter Wasser am Bug, zwei über Wasser schwenkbar mittschiffs)
Gazelle wurde 1897-98 von der Germaniawerft in Kiel gebaut. Probleme mit den Kesseln bedeuteten, dass das Schiff nach zwei Erprobungsphasen wieder zurück in die Werft musste und erst 1901 in Dienst gestellt werden konnte. Sie wurde kurzzeitig mit der Flotte eingesetzt, aber dann 1902 in die Karibik geschickt, um sich an der Blockade Venezuelas zu beteiligen. Während der Blockade eroberte sie am 11. Dezember 1902 den venezuelanischen Kreuzer (eigentlich eine bewaffnete Yacht) Restaurador. Gazelle wurde dort Teil der Ostamerikanischen Kreuzer-Division. Sie besuchte u.a. die USA, Kanada und Mexiko. 1904 kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde außer Dienst gestellt. 1905-07 wurde sie von der Kaiserlichen Werft in Danzig umgebaut und erhielt neue Kessel. Sie blieb außer Dienst und wurde erst bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wieder in Dienst gestellt und Teil der Küstenschutz-Division in der Ostsee. Mit dieser war sie an mehreren Vorstößen beteiligt. Am 25. Januar 1915 lief sie bei Kap Arkona auf eine Mine, die beide Schrauben abriss. Die Zerstörern G 132 und G 134 schleppten sie zurück. Da die Reparaturen des als veraltet betrachteten Schiffs (es war keine vier Jahre im Dienst gewesen!) als zu teuer angesehen wurden, wurde Gazelle außer Dienst gestellt. Sie wurde Minenhulk, erst in Danzig, dann in Cuxhaven. 1920 wurde sie gestrichen und in Wilhelmshaven abgewrackt.
Der Bausatz
Kombrig hat eine Reihe von Bausätzen der Gazelle-Klasse herausgebracht: Gazelle, Niobe, Medusa und Undine. Gazelle war wegen ihrer Anordnung der Brücke einzigartig. Niobe und Medusa sind Schiffe der mittleren Gruppe der Klasse und unterscheiden sich beim Bausatz in Bezug auf die Brücke und die leichten Geschütze. Undine gehört zur letzten Gruppe der Klasse. Damit sollte der Bau von allen zehn Schiffen im ursprünglichen Zustand und während des Ersten Weltkriegs ohne größere Umbauten möglich sein - wenn man von der Arcona als Minenkreuzer absieht. Zuvor gab es im Maßstab 1/700 einige Schiffe der Klasse von HP Models, darunter Arcona nach dem Umbau zum Minenkreuzer, Medusa und Arcona als Flakbatterien im Zweiten Weltkrieg sowie einige der ersten sieben Schiffe im Zustand des Ersten Weltkriegs (oder früher).
Der Bausatz der Gazelle stellt das Schiff im ursprünglichen Zustand dar, also zwischen 1900 und 1904. Er ermöglicht den Bau eines Wasserlinienmodells. Das Rumpf wirkt von den Formen im Vergleich zu den Originalplänen vorbildgetreu. Der Guss ist sehr gut, es gibt nur minimal Grat an der Wasserlinie. Die Detaillierung ist auch sehr gut gelungen.
Die Aufbauten waren minimal. Es finden sich also nur wenige Deckshäuser, der Kommandoturm, das Brückendeck mittschiffs, das Steuerhaus und einige Lüfter. Die meisten anderen Aufbaudecks liegen als Fotoätzteile bei. Die Schornsteine haben oben Öffnugnen. Die 10,5-cm- und 3,7-cm-Geschütze sowie die Torpedorohre sind gut gemacht, ebenso die Lüfter, Brückeninstrumente, Scheinwerfer und Beiboote.
Sehr positiv finde ich, dass die Teile an den Gussrahmen nummeriert sind und somit deutlich leichter als bei vielen anderen Kombrig-Bausätzen zu identifizieren sind.
Die Fotoätzteile
Die Fotoätzteilplatine ist relativ umfangreich. Enthalten sind u.a. bereits abgelängte Relingteile, Aufbautendecks, Abstützungen dieser Decks, Bootslager, Niedergänge, Davits, Schutzschilder der 10,5-cm-Geschütze, Wanten, Fußleisten für die Schornsteine und Steuerräder.
Die Teile sind gut detailliert und überwiegend fein genug. Lediglich die Wanten- und Relingteile sind etwas zu massiv.
Die Anleitung
Die Anleitung besteht aus einer Seitenansicht und Aufsicht, einem russischen Text über das Original, einer Übersicht über die Teile und der eigentlichen Bauanleitung, die in zehn Abschnitte aufgeteilt ist. Die Aufteilung zeigt aber keine Reihenfolge, sondern lediglich verschiedene Teile des Modells und welche Teile jeweils dort montiert werden sollen - plus wenige Submontagen wie die Masten, Schornsteine und Geschütze. Die Masten soll man aus Metallstäben nach den Angaben der Anleitung selbst bauen.
Für die Takelung finden sich Informationen in der Seitenansicht, aber nicht in der Aufsicht, so dass es teilweise schwierig ist, zu bestimmen, wo bestimmte Teile befestigt waren. Angaben zur Bemalung fehlen. Gazelle war während der Erprobung und beim Dienst mit der Flotte zwischen 1899 und 1902 sehr wahrscheinlich in den beiden typischen hellgrauen Tönen der Kaiserlichen Marine gestrichen. Zwischen 1902 und 1904, als sie vor Venezuela und später Teil der Ostamerikanischen Kreuzer-Division war, hatte sie einen komplett weißen Rumpf und ockerfarbene Aufbauten, Schornsteine, Geschütze und Masten. In Bezug auf die Farben der Decks habe ich keine Informationen gefunden. Die Back und Poop waren ziemlich sicher mit sehr dunklem rotbraunem Linoleum belegt, wahrscheinlich auch das Oberdeck mittschiffs (Vergleiche dieses Modell des Schwesterschiffs Medusa im Internationalen Maritimen Museum sowie dieses Modell des Schwesterschiffs Undine im Kieler Schifffahrtsmuseum).
Wer Gazelle im Zustand während des Ersten Weltkriegs vor ihrer schweren Beschädigung bauen will, muss berücksichtigen, dass sie 1905-07 umgebaut wurde. Es ist sicher, dass sie neue Kessel erhielt, aber es gibt zumindest eine Reihe mit Gazelle beschriftete Postkarten (siehe hier), die - falls die Beschriftung richtig ist - zeigen, dass Gazelle dabei auch eine neue Brücke zwischen Fockmast und vorderem Schornstein bekam. Für diesen Bauzustand könnte der Bausatz der Medusa von Kombrig der bessere Ausgangspunkt sein. Dieser enthält allerdings wohl die falsche Bugzier. Es ist wahrscheinlich, dass im Ersten Weltkrieg die leichten Geschütze nicht mehr vorhanden oder in Bezug auf die Anzahl stark reduziert waren - zumindest wurden bei späteren Schiffen, wie der Emden, die leichten Geschütze entfernt.
Quellen
- The Development of the Small Cruiser in the Imperial German Navy (Part 1) von Dirk Nottelmann in Warship 2020 von John Jordan (Herausgeber), Oxford, 2020 (Buchbesprechung)
- Die Entwicklung der Kreuzer bis zu den Scouts um 1905 von Erwin Strohbusch in Marine-Rundschau 4/1980
- Kleine Kreuzer der Kaiserlichen Marine 1898 bis 1918 von Axel Bader, Berlin, 2008
- SMS Gazelle (1898) (Wikipedia)
- S.M.S. Gazelle (1898) (deutsche-schutzgebiete.de)
- Gazelle-Klasse (Wikipedia)
- Plan der Gazelle (dreadnoughtproject.org)
- Die deutschen Kriegsschiffe 1815-1945, Band 1 von Erich Gröner, München, 1966
- Die deutschen Kriegsschiffe. Biographien von Hans H. Hildebrandt, Albert Röhr und Hans-Otto Steinmetz, Hamburg, 1980?
- Conway’s All the world’s fighting ships 1860-1905 von Robert Gardiner (Herausgeber), London, 1979
- Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika 1866-1914. Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik von Gerhard Wiechmann, Bremen, 2002
Fazit
Der Bausatz des deutschen Geschützten Kreuzers SMS Gazelle von Kombrig zeichnet sich durch gute Vorbildgetreue, gute Detaillierung und guten Guss aus. Der Bausatz ist dank der enthaltenen Fotoätzteilplatine ziemlich vollständig, nur die Masten muss man selbst bauen (was ich bei dem Großteil der Bausätze sowieso mache). Bei dieser Qualität kann man sich auf die weiteren von Kombrig angekündigten Kreuzer der Kaiserlichen Marine freuen!
sehr empfehlenswert
Lars