Modell: Mayflower, 1620-2020 (zum 400. Jahrestag der Reise nach Amerika)
Hersteller: Revell
Maßstab: 1/83 (eher 1/100)
Material: Plastik
Art.Nr.: 05684
Preis: 30,49 €

Das Original

Das vorweg: Dieses Modell ist eine sehr genaue Abbildung eines Originalsegelschiffes als Plastikmodell. Aber: Es ist keine originalgetreue Abbildung der echten Mayflower von 1620. Von dieser weiß man nämlich so gut wie nichts. Außer vagen Informationen  zu ihrer Ladekapazität und ihrer Verdrängung ist zu technischen Details der barocken Mayflower nichts bekannt. Auch zu ihren Fahrten sind nur wenige Details überliefert. Bereits an der Armadaschlacht hat eine Mayflower teilgenommen, ein Schiff mit diesem Namen fuhr als Walfänger und später hat eine Mayflower Waren nach Frankreich und Norwegen verschifft. Ob es sich immer um das gleiche Schiff gehandelt hat ist keineswegs sicher geklärt. Immerhin allerdings möglich.

Der Name war sicherlich sehr beliebt, ist die Mayflower, zu deutsch der Weißdorn (Crataegus), eine in England weit verbreitete Heckenpflanze mit schönen Blüten.

Sehr detailreich wird jedoch über die Vorgeschichte der „Pilgerreise“ sowie den unmittelbaren Folgen nach der Landung in Amerika berichtet.

Dennoch ist dieser Bausatz eine sehr genaue Abbildung der Mayflower II von 1957. Dies tut der Sache insofern wenig Abbruch, da der Architekt der Mayflower II, William Baker, ein erfahrener Marinearchitekt war, der bis dahin schon einige Schiffe des 17. Jahrhunderts nachgebaut hatte. Baker, zusammen mit Warwick Carlton, der die ursprüngliche Idee zu diesem Projekt hatte, hat lange und gut recherchiert, fand mit der kleinen Upham-Werft in Brixham den idealen Partner und baute das Schiff nach. Unter dem berühmten Seemann Alan Villiers fuhr dann bald eine zweite Mayflower über den Atlantik. Diese Reise ist durch die zur Verfügung stehende Technologie (Fotografie und Farb-Tonfilm) ausgezeichnet dokumentiert und im Internet in Teilen veröffentlicht. Dort ist „the tiny little bark“ in Gesellschaft moderner Fregatten und Flugzeugträger zu sehen…

Dieses Schiff ist in den Vereinigten Staaten heutzutage ein „National Treasure“. Für einen Amerikaner ist es die größte Ehre, von einer Person abzustammen deren Name auf der Passagierliste der ersten Mayflower stand. In 2018 wurde das sechzig Jahre alte Schiff gründlich überholt und steht jetzt wieder den Besuchern offen.

Oft wird erzählt, die Mayflower-Leute wären die ersten Engländer in dieser Gegend Amerikas gewesen. Das ist nicht ganz richtig. Bereits einige Jahre vorher landete die Susan Constant an der ostamerikanischen Küste und setzte Siedler ab. Der junge Francis Drake war im 16. Jahrhundert auch in Virginia und hat den grausig stinkenden Tabak nach Europa gebracht… Wichtig ist aber zu Bemerken, das mit diesen „Pilgern“, eigentlich ja Flüchtlingen, eine Jahrhunderte andauernde Flüchtlingsbewegung über den großen Teich begann...

Der Bausatz

Der Bausatz ist, wie sicherlich dem einen oder anderen schnell auffällt, keineswegs neu wie es auf der Box angekündigt wird. Lediglich die „Beimengungen“ von Farben, Pinsel, Klebstoff und einem Poster mit der Boxart sind in dieser Kombination noch nicht da gewesen.

Der Bausatz enthält 369 Teile, plus sechs Farben, den Pinsel und ein Fläschchen Plastikkleber. Hinzu kommt das Poster mit dem neuen Deckelbild, das Mayflower von backbord vorn bei schätzungsweise 7 – 8 Beaufort achterlichem Wind und allen Segeln gesetzt zeigt. Ein sehr dynamisches Bild das durchaus auch die Erlebnisse der Crew auf der Reise von 1957 wiedergibt.

Der Bausatz für diese Besprechung ist leider beim Transport durch DHL leicht beschädigt worden, der Karton war eingerissen und die großen Rumpfteile im Inneren leicht eingebeult und an belasteten Stellen weislich verfärbt. Zusammengebaut ist davon aber später nichts mehr zu sehen.

Die Plastikteile sind detailreich dargestellt, Plankenstöße, Texturen der Holzplanken und Strukturen der Taue an Wuhlingen und Jungfern sind nicht übertrieben wieder gegeben. Wohl dem hohen Alter des Bausatzes geschuldet – nach „scalemates“ geht er bis 1966 zurück – befindet sich an vielen Teilen Fischhaut. Diese ist sicherlich leicht zu entfernen, anders ist es bei vielen Sinkstellen besonders am Rumpf, diese erfordern eine Menge Spachtelarbeit und entsprechende Nacharbeit bei der „Rekonstruktion“ der Plankenstrukturen. Für die Takelung ist eine ausreichende Anzahl von verschiedenen Takelblöcken dabei.

Die Wanten liegen als schwarz gespritzte Fertigteile bei, die sechs Segel aus dem üblichen tiefgezogenem Plastik. Sowieso nie besonders schön ist bei diesen Segeln die Stoffstruktur (sicherlich wohlmeinend) stark übertrieben dargestellt. Schaut man die Filme der Mayflower II an, ist keinerlei Stoffstruktur, nicht einmal die einzelnen Kleiderbahnen der Segel erkennbar.

Für die Takelung des Modells stehen zwei Sterne mit hellbraunem und schwarzem Garn zur Verfügung, ein etwas dickerer Faden ist für das Ankerkabel vorgesehen.

Ein Papierbogen mit flatternden Fahnen ergänzt den Bausatz.

Dieser Bausatz hier ist mit Maßstab 1/83 angegeben. Legt man die Maße der Mayflower II zu Grunde kommt man eher auf 1/90 und kleiner, eher noch 1/100. Die beiliegenden sehr hübschen fünf Figuren sind ohne Hut etwa 17 mm hoch – das würde eher zu 1/100 passen...

Die Anleitung

Die Bauanleitung wurde im Vergleich zu anderen „Neuheiten“ für die Mayflower nicht komplett neu gestaltet. Vollständig in Schwarz-Weiss gehalten ist er nur um die Sicherheitshinweise, eine vervollständigte Farbliste und eine Teileliste ergänzt worden. Die äußerst Interessante Geschichte des Schiffes und seines Nachbaus wird leider nur in wenigen Zeilen abgehandelt.

In insgesamt 127 Baustufen wird das Modell fertig gestellt. Die ersten 55 Stufen befassen sich mit Bau, Bemalung und Ausrüstung des Rumpfes, ab Baustufe 56 wird Bau von Masten und Takelage gut und übersichtlich dargestellt.

Zum Bau empfehlenswerte Literatur

  • William a. Baker: „The Mayflower and other Colonial Vessels“, Conway
  • Noel C. L. Hackney: „Die Mayflower“ (bedingt, er baut in seinem Buch die Mayflower von Airfix…), Delius und Klasing
  • Peter Padfield: Mayflower II Diary, Sketches from a lost Age, Padfield ist auf Mayflower II mitgefahren

Link zu National Geographic Bild

Sehr schön:

Mayflower II enters New York Harbor

Fazit

Ich habe mich sehr über das Wiedererscheinen dieses schönen Bausatzes gefreut. Aus nostalgischen Gründen habe ich im Sommer des Jahres bereits mit dem etwas größeren Mayflower-Bausatz angefangen. Dieser ist ebenso schön gearbeitet, leider nur noch aus zweiter Hand zu bekommen. Hier ein Vergleich beider Modelle:

Der oben erwähnte Maßstab des vorliegenden Bausatzes lässt eine Menge Möglichkeiten offen. Mit Figuren aus dem 15-mm-Segment kann das Schiff belebt werden, in Verbindung mit modernen Schiffen (z.B. Revells "Harbor Tug") können viele Szenen als Diorama (Mayflower II enters New York Harbor) dargestellt werden. Erfahrene Modellbauer die ein wenig über den Tellerrand schauen, finden hier ein weites Spektrum.

Zwar hat man mit der Fischhaut und dem Gespachtel einiges zu Tun, aber selbst für den Anfänger ist das Modell mit seiner wenig komplexen Takelage einfach zu erstellen. Ein wenig Übung und Geduld erfordern sicherlich die Farbmuster auf dem Rumpf, da ist einiges an Abklebearbeit nötig.

Das Ergebnis ist aber dann das schöne Modell eines Nachbaus von einer klassischen, englischen Galeone vom Beginn des 17., vielleicht noch aus dem 16. Jahrhundert.

Für Bastler ab der empfohlenen Altersstufe absolut empfehlenswert. Allerdings entspricht der Bausatz nicht modernen Standards.

empfehlenswert


Frank Brüninghaus,
Modellbauclub Koblenz

Wir danken Revell für das Bausatzmuster