01.05.1994 - 25 Jahre Lido II-Vorfall (Operation Sharp Guard)
Heute vor 25 Jahren, am 1. Mai 1994, fing die britische Fregatte HMS Chatham den maltesischen Tanker Lido II in der Adria ab (siehe Jahrestage auf Modellmarine). Die NATO und Westeuropäische Union hatte während des Bosnienkriegs eine Blockade errichtet. Diese wurde von Operation Sharp Guard durchgesetzt, die aus Schiffen und Patrouillenflugzeugen bestand. Der maltesische Tanker Lido II versuchte das Embargo zu durchbrechen und Öl nach Jugoslawien zu bringen. Sie wurde von der niederländischen Fregatte Hr. Ms. Van Kinsbergen und der britischen Fregatte HMS Chatham abgefangen und von einem niederländischen Enterkommando gestoppt. Jugoslawische Schnellboote der Končar-Klasse versuchten die beiden Fregatten daran zu hindern, die Lido II aufzubringen, wobei eines versuchte die Chatham zu rammen. Die Schnellboote wurden schließlich zum Rückzug gezwungen und die Lido II nach Italien eskortiert.
Das Original
Die britische Fregatte HMS Chatham (F87) war eines von vier 1983-90 gebauten Schiffen des Batch III des Typs 22. Dieser Subtyp wird auch als Cornwall-Klasse bezeichnet. Die Fregatten des Typs 22 sollten die Leander-Klasse (Typ 12M) ersetzen und waren anfangs primär als U-Jagd-Schiffe vorgesehen. Auf eine Geschützbewaffnung wurde verzichtet, die Bewaffnung bestand anfangs aus Exocet-Anti-Schiff-Raketen, den damals neuen Sea Wolf-Nahbereichsflugabwehrraketen sowie Torpedos und den Bordhubschrauber für die U-Jagd. Von dem ersten Batch wurden vier Schiffe (Broadsword, Battleaxe, Brilliant, Brazen) gebaut, wegen der hohen Kosten wurden die Schiffe nur langsam gebaut. Diese Schiffe fielen relativ kurz aus, um in die bestehenden Werftanlagen zu passen. Nach dem diese vergrößert worden waren, bestellte man sechs um 15,4 m verlängerte Schiffe des Batch 2 (Boxer, Beaver, Brave, London, Sheffield, Coventry), die verbesserte Seeeigenschaften aufwiesen.
Aus Kostengründen sollte das Programm eingestellt werden, da sich aber die Schiffe des ersten Batch im Falkland-Krieg bewährten und dazu die in diesem Krieg versenkten Schiffe ersetzt werden mussten, wurden vier Schiff des verbesserten Batch 3 bestellt: Cornwall, Cumberland, Campbeltown und Chatham. Die Schiffe erhielten verbesserten Turbinen. Als Konsequenz aus dem Falkland-Krieg wurde wieder eine Bordkanone an Bord genommen, da diese für den Landzielbeschuss als notwendig erachtet wurde. Um Platz für diese zu schaffen, wurden die Exocet-Starter auf dem Vorschiff der Batch 1- und 2-Schiffe durch Harpoon-Starter ersetzt, die hinter der Brücke aufgestellt werden konnten. Dazu erhielten sie ein Goalkeeper-Nahbereichsabwehrgeschütz.
Chatham war 148,1 m lang, 14,8 m breit und verdrängte 5300 t. Der Antrieb erfolgte über vier Gasturbinen (zwei für Marschfahrt, zwei für Höchstgeschwindigkeit), die insgesamt 47 240 PS leisteten und eine Geschwindigkeit von 32 kn ermöglichten. Die Besatzung bestand aus 250 Personen, maximal aus 301.
Bewaffnung
1 x 11,4 cm L/55 Mk. 8
1 x 3 cm Goalkeeper-Nahbereichsabwehrgeschütz (siebenrohrige Gatling-Kanone)
2 x 2 cm GAM-BO1
2 x Vierfach-Harpoon-Antischiffsraketenstarter
2 x Sechsfach-Sea Wolf-Luftabwehrstarter GWS 25 Mod 3 (72 Raketen an Bord)
6 x 32,4 cm Torpedorohre STWS Mk 2 (zwei Drillingsrohre, 36 Torpedos)
2 Westland Lynx oder 1 Westland Sea King oder 1 AgustaWestland Merlin
Chatham wurde von 1986-90 von Swan Hunter in Tyne and Wear gebaut. Ihr Heimathafen war Devonport (Plymouth). 1994 wurde sie während Operation Sharp Guard in der Adria zur Durchsetzung der Blockade gegen Jugoslawien im Bosnienkrieg eingesetzt. Am 1. Mai 1994 stoppte sie zusammen mit der niederländischen Fregatte Hr. Ms. Van Kinsbergen den maltesischen Tanker Lido II. 1997 nahm sie an der Übergabe Hong Kongs an China teil. 2000 war sie an der Operation Palliser beteiligt, der Evakuierung britischer Staatsbürger aus Sierra Leone während des Bürgerkriegs dort. 2003 wurde Chatham im Rahmen von Operation Telic eingesetzt, d.h. während des Irakkriegs (Dritter Golfkrieg). Sie bombardierte am 20. März in der Schlacht von Al Faw zusammen mit den Fregatten HMAS Anzac, HMS Marlborough und HMS Richmond irakische Ziele, um die Landung zu unterstützen. 2010 jagte Chatham vor Somalia Piraten. 2011 wurde sie wegen Kürzungen des britischen Verteidigungshaushalts vorzeitig außer Dienst gestellt und 2013 zum Abwracken in die Türkei verkauft.
Das Modell
Das Modell der britischen Fregatte HMS Chatham baute ich aus dem Bausatz der Cornwall von Orange Hobby. Orange Hobby bietet zwei Bausätze des Batch III des Typs 22 an: Cornwall (der auch der Bau der Chatham ermöglicht) und Campbeltown (aus dem auch die Cumberland gebaut werden kann). Alle Bausätze stellen späte Zustände der Fregatten dar. Ich wollte aber den Zustand von 1994 bauen, wobei ich mich an Fotos, einem Video des Lido II-Vorfalls auf YouTube und dem Plan der Cornwall von Jecobin orientierte.
Der Bausatz von Orange Hobby ist allgemein sehr gut. Die Resinteile sind sehr detailliert und es sind gedrehte Messingteile, Fotoätzteile und Abziehbilder enthalten. Der Guss der meisten Teile ist beeindruckend. Bei meinem Exemplar war aber wohl die Form an einigen Stellen bereits beschädigt und einige Ecken der Aufbauten waren mit etwas Resin ausgefüllt. Die Darstellung des offenen Bereichs unter dem Hubschrauberdeck war etwas merkwürdig. Auf beiden Seiten war eine Öffnung angedeutet, aber die beiden Öffnungen nach achtern waren verschlossen. Der Versuch diese zu öffnen beschädigte die Pfosten auf beiden Seiten des Heckspiegels, so dass ich diesen neu anfertigen musste. Das Material mittschiffs entfernte ich nicht. Die Fotoätzteile ließen sich gut bearbeiten, aber der Zusammenbau der Rahen, insbesondere am Fockmast, ist nicht trivial.
Um den Zustand von 1994 darzustellen, musste ich einige Änderungen durchführen:
- Ergänzung der Torpedorohre (Teile von Fine Moulds)
- Ergänzung der 2 cm-Geschütze (selbst gebaut), dafür Weglassen der Störkörperwerfer (Teile A08Re und A09Re)
- Neuanordnung der Störkörperwerfer auf dem Brückendeck (und Ersatz der Fototätzteile durch Teile von Fine Moulds, die dreidimensional sind)
- Neuanordnung der Rettungsinseln
- Statt der Plattform für die Festrumpfschlauchboote neben dem Schornstein kam ein Beiboot an Davits an Bord. Das Beiboot stammt aus Restekiste, die Davits von Starling Models
- Weglassen einer Satellitenantene (Teil MeBig) und des Sensors auf dem Hangar (Teile C108Pe und E03Re)
- Ersatz des Lynx HMA.8-Hubschraubers durch eine frühere Version (HAS.3), wofür ich die von White Ensign Models benutzte.
Bemalt wurde die Chatham mit Farben von Vallejo Model Color. Die vertikalen Bereiche sind mit 153 (907) Hellblaugrau, die Decks mit 164 (867) Graublau dunkel und die oberen Teile der Masten mit 167 (995) Anthrazitgrau gestrichen. Die Lynx wurde mit 164 und 167 bemalt.
Hier noch einige Größenvergleiche: links mit einer Fregatte des Batch 1 des Typs 22, der HMS Brilliant (1981) und rechts mit der australischen Fregatte HMAS Anzac (1996), mit der Chatham 2003 im Irakkrieg eingesetzt wurde:
Links mit einem Leichten Kreuzer aus dem Ersten Weltkrieg, HMS Glasgow (1910) und rechts mit einer modernen Fregatte, der französischen Provence (2016).
Quellen
- HMS Chatham (F87) (engl. Wikipedia)
- Operation Sharp Guard (engl. Wikipedia)
- NATO, Yugoslav ships in showdown
- Lido II-incident (YouTube)
- Broadsword-Klasse (dt. Wikipedia)
- Type 22 frigate (engl. Wikipedia)
- Type 22 frigates (hazegray.org)
- HMS Cornwall (1988), Plan im Maßstab 1/192 von Jecobin
- Cornwall Class (Battleships-Cruisers.co.uk)
- HMS Chatham (Fotos auf MaritimeQuest)
- British Destroyers and Frigates: The Second World War and After von Norman Friedman, Barnsley, 2008
- The Encyclopedia of Warships from World War II to the present day von Robert Jackson (Herausgeber), Hoo, 2006
- Moderne Kriegsschiffe Technik, Taktik, Bewaffnung von David Miller und Chris Miller, Stuttgart, 2001
- Conway's All the World's Fighting Ships 1947-1995 von Robert Gardiner (Herausgeber), London, 1995
Lars