17.09.1940 - 80 Jahre Torpedierung der HMS Kent

 

Heute vor 80 Jahren, am 17. September 1940, wurde der britische Schwerer Kreuzer HMS Kent von italienischen Torpedobombern des Typs Savoia-Marchetti SM.79 schwer beschädigt (siehe Jahrestage auf Modellmarine). Die Royal Navy reagierte auf die italienische Invasion Ägyptens mit einem Angriff auf Bengansi, der von dem Flugzeugträger HMS Illustrious ausgeführt wurde. Der Schwere Kreuzer HMS Kent gehörte zu dem Geleitschutz des Trägers und sollte dazu auf der Rückfahrt Bardia bombardieren, als sie torpediert wurde und für mehr als ein Jahr ausfiel.

Das Original

Der britischen Schweren Kreuzer HMS Kent war das Typschiff der 1924-28 gebauten ersten Unterklasse der County-Klasse. Die britische Royal Navy verfügte Anfang der 1920er über eine große Zahl Leichter Kreuzer, die für den Dienst mit der Flotte in Nordsee und Mittelmeer gut geeignet waren, deren Reichweite aber zum Schutz des Handels nicht ausreichte. Die meisten der verfügbaren Kreuzer, die ausreichend Reichweite hatten, waren damals veraltet. Es brauchte also Ersatz. Da im Washingtoner Flottenvertrag für Kreuzer eine maximale Standardverdrängung von 10.000 ts und ein maximales Kaliber von 20,3 cm vorgeschrieben waren, ging die Royal Navy davon aus, dass mögliche Gegner den britischen Handel mit Kreuzern angreifen würden, die unter maximaler Ausnutzung dieser Begrenzungen gebaut wurden. Entsprechend galten auch nur Kreuzer mit genau diesen Kriterien als geeignet für den Handelsschutz. Die Royal Navy bestellte deshalb ebenfalls solche Kreuzer, obwohl klar war, dass mit einem solchen Ansatz wegen der hohen Kosten nicht ausreichend Schiffe gebaut werden konnten. Die sieben Kreuzer der Kent-Klasse - Berwick, Cornwall, Cumberland, Kent, Suffolk, Australia und Canberra - gehörten zu den besten Schweren Kreuzern der ersten Generation.

Die Kent-Klasse erhielt einen sehr tiefen Rumpf mit hohem Freibord, der ihnen eine gute Seetüchtigkeit verlieh und relativ gute Wohnbedingungen für die Besatzung ermöglichte. Die Feuerleitung war nicht auf einem Dreibeinmast untergebracht, sondern auf einem Turm auf der Brücke. Die Panzerung war auf die Munitionskammern plus eine schwache Panzerung über den Maschinen beschränkt. Die 20,3-cm-Geschütze hatten 70°-Rohrerhöhung, so dass sie auch als Flak verwendet werden konnten. Allerdings erreichte das Geschütz nicht die geplante Feuer- und Richtgeschwindigkeit und hatte viele Kinderkrankheiten.

Kent erhielt nach der Fertigstellung ein Katapult und Bordflugzeug sowie Vierlings-Maschinengewehre zur Flugabwehr. In den 1930ern wurde sie weiter modernisiert, wobei insbesondere die Flugabwehr, die Flugzeuganlagen und der Schutz der Maschinenanlagen verbessert werden sollten. Kent erhielt einen Seitenpanzer sowie eine modifizierte, niedrigere Brücke mit einem DCT als Feuerleitgerät für die 20,3-cm-Geschütze. Das ursprüngliche Feuerleitgerät wurde achtern in einem zweiten Feuerleitstand vor dem Großmast neu positioniert. Die Zahl der Feuerleitgeräte für die schwere Flak wurde auf zwei erhöht und beide auf beiden Seiten der Brücke aufgestellt. Außerdem wurden die 10,2-cm-Einzellafetten durch 10,2-cm-Zwillingslafetten ersetzt, 4-cm-Pom-Pom-Flak kamen an Bord und die Torpedorohre wurden entfernt. Da Kent im Vergleich zu den Schwesterschiffen relativ schwer ausfiel, erhielt sie keinen Flugzeughangar, sondern nur ein stärkeres, drehbares Katapult.

Kent war 192,0 m lang, 20,9 m breit und verdrängte voll beladen etwa 14.500 t (das Schwesterschiff Berwick verdrängte nach der Modernisierung 14.526 t). Der Antrieb erfolgte über acht Kessel und vier Dampfturbinensätze, die 80.000 PS leisteten, womit 31,5 kn erreicht wurden. Die Besatzung bestand aus 784 Mann.

Bewaffnung 1940
8 x 20,3 cm L/50 BL Mk VIII (vier Mk 1-Zwillingstürme)
8 x 10,2 cm L/45 Mk XVI (vier Mk XIX-Zwillingslafetten)
16 x 4 cm L/39 Mk VIII Pom-Pom (zwei Mk VI-Achtlingslafetten)
8 x 1,27 cm L/62 Mk III (zwei Mk I-Vierlingslafetten)
1 Supermarine Walrus-Bordflugeug

Kent wurde 1924-28 von der Marinewerft in Chatham gebaut. Sie diente vor dem Zweiten Weltkrieg meist in China bei der 5th Cruiser Squadron. 1937 wurde sie in Chatham modernisiert, danach kehrte sie nach China zurück. Nach Kriegsausbruch kam sie zur 4th Cruiser Squadron im Indischen Ozean und diente dazu, deutsche Handelsstörer und Blockadebrecher zu jagen bzw. eigene Konvois zu schützen. Im Mai 1940 wurde sie zur 3rd Cruiser Squadron im Mittelmeer verlegt. Am 17. September geleitete Kent den Träger Illustrious bei einem Angriff auf Bengasi. Beim Rückweg sollte sie Bardia bombardieren, wurde aber von einem italienischen Savoia-Marchetti SM.79-Bomber achtern mit einem Torpedo getroffen. Das Achterschiff wurde schwer beschädigt, die achteren Munitionskammern liefen voll, eine der Propellerwellen wurde abgesprengt und das Ruder verklemmt. Nur mit Schwierigkeiten gelang es dem Zerstörer Nubian Kent bis zum 19. September nach Alexandria zu schleppen.

Nach Notreparaturen fuhr sie südlich um Afrika herum, um in Portsmouth repariert und modernisiert zu werden. Sie erhielt Dreibeinmasten, Typ 281, 284 und 285 Radar sowie sechs 2-cm-Flak. Erst im Oktober 1941 war Kent wieder einsatzbereit und diente danach bei der 1st Cruiser Squadron der Home Fleet. Sie wurde zum Schutz von Konvois und zum Geleit von Trägerangriffen auf Norwegen, inklusive der Angriffe auf die Tirpitz, verwendet. Von August bis September 1942 wurde sie in Liverpool überholt und erhielt dabei auch Typ 273-Radar und sechs weitere 2-cm-Flak. Das Katapult und die Vierlings-MG wurden entfernt. Ein Jahr später, im September 1943, erhielt sie in Chatham auch noch Typ 283-Radar und sechs der 2-cm-Einzellafetten wurden durch drei Zwillingslafetten ersetzt. Am 15. November 1944 griff sie mit dem Leichten Kreuzer Bellona und den Zerstörern Myngs, Verulam, Zambesi und HMCS Algonquin einen deutschen Konvoi bei Egersund an und versenkte zwei Frachter, die Minensucher M 416 und M 427 sowie die U-Boot-Jäger UJ 1221 und UJ 1713. Im Januar 1945, also noch vor Kriegsende, wurde Kent außer Dienst gestellt. 1948 wurde sie in Troon abgewrackt. Kent erhielt vier Battle Honour.

Das Modell

Das Modell der HMS Kent habe ich aus dem Bausatz von Aoshima (siehe Bausatzbesprechung) gebaut. Mein Modell stellt den Zustand im September 1940 vor der Torpedierung dar. Kent hatte sehr wahrscheinlich vom 22. August 1940 bis zur Reparatur der Schäden in Portsmouth (ab Januar 1941) ein eindrucksvolles dreifarbiges Schema (siehe Fotos der Kent bei der Rückkehr nach Großbritannien hier und hier, Fotos auch in History of British Cruisers und Od Sallum do Syrty). Man findet in der Literatur allerdings immer wieder die Angabe, dass sie das dreifarbige Schema erst nach dem Torpedotreffer erhielt. Aber laut Beschreibung eines Films (siehe hier) wurden ihre Decks am 16. August grau gemalt und sie erhielt am 22. August Teile eines dunkelgrauen Tarnschemas, d.h. vor der Torpedierung am 17. September. Der Film deutet zudem darauf hin, dass das dreifarbige Tarnschema auch über die Decks gemalt wurde. Die Topspiere am Großmast - in mehreren Büchern wird ihr Fehlen als Teil des Schadens durch den Torpedotreffer beschrieben - scheint ebenfalls schon vor der Torpedierung abgenommen worden zu sein. Aoshima stellt diesen Bauzustand dar - mit dem Unterschied, dass in der Anleitung ein mittelgrauer Anstrich vorgeschlagen wird, den sie zu diesem Zeitpunkt nicht hatte.

Der Bausatz lässt sich gut bauen. Zusätzlich habe ich folgende Teile aus dem Zubehörhandel verbaut:

  • den neuen Fotoätzteilsatz für die County-Klasse von Tom's Modelworks zusätzlich zu den im Bausatz enthaltenen Fotoätzteilen
  • 20,3-cm-Messingrohre von NNT
  • 10,2-cm-Messingrohre von Master
  • 4-cm-Pom-Pom-Achtlinge von FineMolds
  • 1,27-cm-Vierlings-Maschinengewehre von 3D Modelparts
  • fotogeätzte Davits von Starling Models (die gekürzt wurden)
  • Signalscheinwerfer von FineMolds
  • Supermarine Walrus von FlyHawk
  • Metallstäbe von Albion Alloys für die Masten, Spieren und Rahe
  • schwarzen 20 Denier Faden von UNI Caenis für die Verspannung der Masten und die Funkantennen

Bemalt habe ich Kent mit Acrylfarben von Vallejo Model Color. Für das Tarnschema benutzte ich 153 Hellblaugrau, 158 Mittelgrau und 164 Dunkelgraublau. Das Schema ist in mehreren Büchern dargestellt: County Class Cruisers Shipcraft 19, British and Commonwealth Warship Camouflage of WWII und Warship Perspectives Camouflage sowie hier. Nachdem ich aber einige Abweichungen zu den Fotos bemerkte, orientierte ich mich nur noch an Fotos. Hier gibt es aber eventuell auch Unterschiede zwischen dem im August 1940 aufgemalten Schema und dem Schema, dass sie bei ihrer Rückkehr in England hatte. Dazu ist der Verlauf nicht immer klar erkennbar, der Verlauf auf den Decks ist komplett spekulativ. Teile der Brückendecks bemalte ich mit 149 Schokoladenbraun und 110 Achatgrau - dieser Teil des Anstrichs ist noch spekulativer. Den Anstrich habe ich kaum gealtert, da er im dargestellten Zustand noch keinen Monat alt war. Die Walrus bemalte ich mit 153 Hellblaugrau, 163 Dunkelseegrün und 164 Dunkelgraublau.

Vielen Dank an Richard (Dick) für die Hilfe in Bezug auf die Bestimmung des Bauzustands der Kent im September 1940! Für die Interpretation der Fotos und eventuell damit verbundene Fehler bin ich selbst verantwortlich.

Links noch ein Vergleich mit zwei relativ gleichaltrigen Schweren Kreuzern, der französischen Duquesne (1929) und der japanischen Nachi (1928). Rechts mit einem britischen Versuch, einen kleineren und billigeren Schweren Kreuzer zu bauen, der HMS Exeter (1931), sowie dem deutschen Leichten Kreuzer Königsberg (1929).

Der Washingtoner Flottenvertrag hat zu einer massiven Größenzunahme der Kreuzer geführt, gut zu sehen im Vergleich zu zwei älteren britischen Kreuzern, dem Leichten Kreuzer HMS Southampton (1912) und dem Panzerkreuzer HMS Monmouth (1901) (links), aber auch im Vergleich zu jüngeren Schiffen, z.B. einem der letzten als Kreuzer klassifizierten britischen Schiff, HMS Tiger (1959), und einer späteren Fregatte, HMS Chatham (1990) (rechts).

Quellen

  • County class cruisers von Alan Raven und John Roberts, Man O' War 1, Brooklyn, 1978
  • County Class Cruisers, Shipcraft 19 von Les Brown, Barnsley, 2011
  • British Cruisers of World War Two von Alan Raven und John Roberts, London, 1980
  • British Cruisers. Two World Wars and after von Norman Friedman, Barnsley, 2010 (Buchbesprechung)
  • HMS Kent - County-type Heavy Cruiser (Naval History Homepage)
  • HMS Kent (54) (Wikipedia)
  • HMS Kent (WW2 cruisers)
  • Warships After Washington. The Development of the Five Major Fleets 1922-1930 von John Jordan, Barnsley, 2011 (Buchbesprechung)
  • Cruisers in Camera von Roger Hayward, Thrupp, 2000 (Buchbesprechung)
  • History of British Cruisers, Ships of the World 1996, No. 517
  • Cruisers of the Royal Navy and Commonwealth Navies von Douglas Morris, Liskeard, 1987 (Buchbesprechung)
  • British Warship Recognition. The Perkins Identification Albums. Volume III: Cruisers 1865-1939, Part 1 von Richard Perkins, Barnsley, 2017 (Buchbesprechung)
  • British Cruiser Warfare. The Lessons of the Early War, 1939-1941 von Alan Raven, Barnsley, 2019
  • British Warships of the Second World War detailed in the original builder's plans von John Roberts, Barnsley, 2017
  • The British Heavy Cruiser HMS Kent (1941/42), Profile Morskie 77 von Sławomir Brzeziński, Wyszków, 2006
  • Od Sallum do Syrty. Flota w Kampanii Północnoafrykańskiej lat 1940-1941 von Siergiej W. Patjanin in Okręty Wojenne Nr. 5/2011 (109)
  • British and Commonwealth Warship Camouflage of WWII, Volume 3. Cruisers, Minelayers and Armed Merchant Cruisers von Malcolm Wright, Barnsley, 2016 (Buchbesprechung)
  • Warship Perspectives Camouflage Volume 1 von Alan Raven, New York, 2000
  • Nelson to Vanguard. Warship Design and Development 1923-1945 von D.K. Brown, London, 2006
  • Cruisers of World War Two. An International Encyclopedia von M.J. Whitley, London, 1995
  • The modern cruiser. The evolution of the ships that fought the Second World War von Robert C. Stern, Barnsley, 2020
  • Conway's All the World's Fighting Ships 1922-1946 von Robert Gardiner (Herausgeber), London, 1980

Lars