Das Original
Die Zerstörer der Smith-Klasse waren eine Serie aus fünf Schiffen (DD-17 bis DD-21: USS Smith, USS Lamson, USS Preston, USS Flusser, USS Reid) der US Navy. Sie wurden zwischen 1908 und Frühjahr 1909 auf Kiel gelegt. Übergabe war im Laufe des Jahres 1909. Sie waren die ersten US-Zerstörer mit einer Konstruktionsverdrängung von 700 Tonnen (gegenüber 433 Tonnen der Truxtun-Vorgängerkasse ), was ihnen längere Einsätze bzw. weiter entfernte Ziele ermöglichte. Die artilleristische Ausstattung stieg dementsprechend auf fünf 76-mm/L/50-Geschütze, plus drei 18-Inch-Torpedorohre (45 cm). Bei einer Länge von knapp 90 Metern (Breite maximal 8,05 m) hatten die Schiffe einen Tiefgang von 3 Metern. Die Zerstörer erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von 28 Knoten (31 Knoten sagt Wikipedia. Vielleicht hat Awesome Donald hier schon eine Korrektur durchsetzen lassen).
Die Einsatzgeschichte der Zerstörer der Smith-Klasse verzeichnet keine besonderen Highlights. Bereits 1912 in den Reservedienst verbannt, wurden sie für den Kriegseinsatz doch wieder reaktiviert und sicherten alliierte Konvois auf ihrem Weg nach Frankreich. USS Smith sichtete mehrfach ein U-Boot, aber ohne Erfolg ("she made no confirmed kills") . 1918 beteiligte sie sich an mehreren Rettungsaktionen torpedierter Schiffe, und das war es auch schon. 1919 wurden alle Einheiten zur Verschrottung freigegeben.
Das Modell
Viel spannender als die Lebensgeschichte der Originale ist der Bausatz der USS Smith der chinesischen Firma Chuanyu, die mir bislang durch den Vertrieb exzellenter Holzdecks für Plastikbausätze ein Begriff gewesen war. Unter der Artikelnummer CY 516 habe ich den Bausatz bei eBay für unter 300 Euro bestellt. Zwei Wochen später bekam ich einen verdächtig kurz aussehenden neutralbraunen Karton mit einem chinesischen Schriftzug drauf ausgehändigt und tatsächlich: der 90 cm lange Rumpf aus weißem Harz wird in zwei Teilen angeliefert, die mit sechs Schrauben verbunden werden (doch, sind im Lieferumfang enthalten). Die Teile passen absolut genau aufeinander, dennoch muss natürlich eine Lösung gefunden werden für die Naht in der Mitte des Schiffes.
Der Bausatz bietet die Möglichkeit, den Zerstörer als Fahrmodell zu bauen. Elektromotor, Wellen und drei Schrauben aus Metall liegen bei. Ich baute natürlich ein Standmodell. Die Brücke ist in zwei Versionen vorhanden: einmal als stabile gegossene Version für das Fahrmodell, alternativ als filigrane (und zerbrechliche) Version für Modelle, die nicht aufs Wasser sollen. Auch die vier Schornsteine gibt es sowohl als Fertigversion wie auch als Feinversion mit glatten Oberflächen, auf die dann Fotoätzteile mit entsprechend bedruckter Oberfläche aufgeklebt werden. Selbst die Lafetten der fünf 76-mm-Geschütze gibt es als gegossene Fertigteile oder wahlweise als Fotoätzteile, die in die entsprechende Form gebogen werden müssen.
Um es vorweg zu nehmen: bei der Brücke habe ich mich für die zerbrechliche Variante entschieden. Hier würden die Stangen, auf denen die Zeltkonstruktion des Sonnenschutz- Daches ruht, und die ebenfalls nur aus Segeltuch bestehenden Wände des Ruderstands doch unschön aussehen, wenn es sich um dicke Gussteile handelte. Bei Schornsteinen und Geschützlafetten habe ich dagegen die Fertigversion verwendet. Zum einen, weil hier der Unterschied so groß nicht ist, aber hauptsächlich, weil ich nicht in der Lage war, die Fotoätzteile in die gewünschte Form zu biegen. Bei den Schornsteinen blieb immer ein unschöner Streifen blanker Oberfläche übrig, die konisch geformten Lafetten aus Fotoätzteile wirkten immer krumm und schief und irgendwie auch zu dünn. Also Fertigteil sei's Panier, man will ja auch weiterkommen irgendwann.
Generell ist der Chuanyu-Bausatz angenehm verschwenderisch ausgestattet, was Fotoätzteile und Kunstharz-Kleinteile angeht. Werden von einem Fotoätzteile sechs Teile benötigt, so druckt Chuanyu zehn auf die Platine. Jeder freie Raum wird ausgenutzt. Mit Kompassen und Steuerradsockeln könnte ich glatt ein weiteres 1/100-Modell ausstatten. Das gilt allerdings nicht für die zahlreichen gedrehten Messingteile (Kanonenrohre, Luken, Poller, Stengen, Schiffsglocke usw.). Hier ist Schmalhans Küchenmeister, diese Teile sind genau abgezählt.
Die Bauanleitung ist zu fast 100 Prozent in chinesischer Sprache gehalten. Zusammengetackerte DIN-A4-Blätter versuchen mit kupfergelben bzw. kunstharzweißen Fotos auf weißem Hintergrund zu verdeutlichen, welches Teil wohin soll. Nur gut dass es sich nicht um ein Schlachtschiff handelt - so ein Zerstörer ist ja ein relativ übersichtliches Gebilde, bei dem die meisten Teile selbsterklärend sind. Wenn man erstmal das Zuordnungssystem Teileinventar zu Montagefoto begriffen hat, kommt man auch sehr gut ohne chinesischen Sprachkenntnisse zurecht.
Die Bordwand zeigt die Nähte der einzelnen Stahlplatten, aber die Nähte sind für meine Begriffe viel zu breit und zu tief für ein Schiff, welches 28 Knoten (oder sogar 31) erreichen soll. Erinnert irgendwie an die Klinkerfassade eines Hauses. Ich habe mich also nach langem Hin und her dazu durchgerungen, jedes einzelne Segment mit 0,3 mm Kunststoffplättchen zu überkleben, die jeweils einen halben Millimeter überstehen. Eine zweiwöchige nervtötende Arbeit, da die meisten Segmente einzeln zugeschnitten werden müssen, und es war überhaupt nicht klar, wie das am Ende aussehen würde. Top oder Flop. Ich bin aber doch angenehm überrascht über das Ergebnis. Und die ganze Arbeit hat den Vorteil, dass die Naht in der Schiffsmitte durch die beiden angeschraubten Rumpfhälften nicht mehr zu sehen ist.
Die Decks des Modelles sind da schon weit angenehmer zu handeln: passgenaue Sperrholzteile, die nach dem Einbau mit Fotoätzteil-Blechen überklebt werden. Die riesig wirkenden einzelnen fotogeätzten Kupferbleche zeigen jeden Bolzen und jede Naht, was noch schöner aussieht, wenn man nach dem Lackieren mit Pigmentfarben (oder Dreckpfoten) drüberrubbelt.
Die Aufbauten sind unkompliziert. Fast alles wird mit fotogeätzten Blechen überzogen, die relativ wenig Spielraum für Optimierungen lassen. Bei den zahlreichen Kisten und Kästen an Deck bleiben die Löcher der Sollknickstellen sichtbar, was Perfektionisten vielleicht stören könnte. Alle Bullaugen des Schiffes, auch die großen im Kartenraum unter der Brücke und die Oberlichter des Maschinenraums habe ich mit langsam härtendem Zweikomponentenkleber (Uhu Endhart) ausgefüllt, was sehr einfach gemacht ist, immer gelingt und überraschend gut kommt (meine Lieblingskombi). Die Segeltuchverspannungen auf der Brücke und über dem Funkraum habe ich mit braun eingebeiztem Zigarettenpapier imitiert, die tragenden Stangen vorher aus 1-mm-Polystyrolstangen untergelegt (unbedingt schwärzen, sonst scheint es durch), das ahmt den Eindruck von Segeltuch, welches auf einen Metallrahmen aufgespannt wird, nach. Achtung: wenn das Papier noch leicht feucht ist vom Beizen, klebt es wie verrückt und lässt sich nicht mehr korrigieren.
Bei einigen wenigen Teilen musste ich dann doch noch Einspruch erheben. Chuanyu ist offenbar der Meinung, dass man ALLES mit Fotoätzteilen darstellen kann und sollte. Die fotogeätzte Reling sieht furchtbar steril aus. Hier habe ich bei der Firma Aeronaut Relingstützen bestellt und die dann mit Angelschnur verbunden, was eine wirklich gute Investition war. Und ebenfalls bei Aeronaut erhältlich: die drei Steuerräder, eins davon doppelt. Im Bausatz waren die zwar als Fotoätzteile vorhanden, aber sahen eben auch aus wie Fotoätzteile und nicht wie ein Steuerrad. Ersetzt habe ich aus denselben Gründen auch die fotogeätzten Darstellungen der Schraubenschutzgitter am Heck. Hier kam stattdessen 0,8-mm-Schweißdraht zum Einsatz.
Bei den meisten Baukästen ergibt sich das Problem, dass Stengen und Rahen zu dick bemessen sind. Hier ist es in einem Fall mal umgekehrt: die Rahen an den beiden Masten (eine pro Mast), an denen die Blöcke für die Signalleinen befestigt wurden, lassen sich kaum mit einem Fotoätzteil darstellen, dessen Durchmesser dem eines Seils an der Reling entsprechen würde. Ich habe die Fotoätzteile daher ersetzt durch (immer noch sehr feine) Messingrahen aus einem 1/350- AddOnsatz. Viel besser.
Was die Bemalung angeht, so habe ich mich mangels genauer Angaben darauf verlassen, dass sich die Farben amerikanischer Zerstörer vor und während des Ersten Weltkrieges an den Farben der Royal Navy-Zerstörer orientierten. Das wäre schwarz, soweit damals in Großbritannien verfügbar, oder dunkelgrau, wenn nicht. Tamiya Rubber Black erschien mir geeignet: nicht völlig schwarz und mit einem leichten Grünstich. Die Unterwasserfarbe: Dullred, ebenfalls Tamiya. Keine Wasserlinie dazwischen.
Wer in der Hohen Kunst des Airbrushens bewandert ist, der kann natürlich auch die Variante mit Kriegsbemalung wählen. Ich bin da kein Fan davon.
Das Schiff heißt bei mir nicht USS Smith (ich muss ja immer was eigenes bauen), sondern hat den Namen des Schwesterschiffes USS Flusser bekommen. Zum einen hat die Flusser auf Originalbildern den Brückenaufbau, der dem von mir gebauten am ähnlichsten sieht. Zum anderen (und noch entscheidender):es fehlten mir die Buchstaben M und T bei meinen weißen 2-mm-Inversalien und ich wollte nicht extra einen neuen Bogen bestellen.
Das Fazit
Der Chuanyu-Bausatz CY 516 aus China ist in meinen Augen unbedingt zu empfehlen. Relativ einfach zu bauen (okay die von einem amerikanischen Importeur behauptete Bauzeit von 18 Stunden erscheint mir doch ziemlich sportlich) und üppig ausgestattet mit Beschlagteilen aller Art. Ein hübsches Modell zudem. Den Bausatz gibt es übrigens auch in 1/200, da ist der Rumpf soweit ich das verstehe dann in einem Stück.
Ich würde immer versuchen das Ding direkt über eBay zu kaufen. Ein Zwischenhändler schlägt locker nochmal 200 Euronen drauf.
Andreas Frücht