Das Original

1914 befanden sich bei der Stettiner A.G. Vulcan vier Torpedoboote auf niederländische Rechnung in Bau. Bei Kriegsausbruch wurden diese 340 Tonnen große Boote vom Reichsmarineamt für die Kaiserliche Marine beschlagnahmt und als V 105108 in deutsche Dienste gestellt (Das »V« steht dabei für den Anfangsbuchstaben der Bauwerft). V 106 unterschied sich von den anderen Booten durch drei- (anstatt zwei-) Torpedorohren und zwei 5,2-cm- (anstatt zwei 8,8-cm-) Geschützen. Das Schiff diente im Ersten Weltkrieg als Schulboot zur Offiziersausbildung in Kiel und wurde 1920 Brasilien als Kriegsbeute zugesprochen.

Das Modell

Das Modell im Maßstab 1/250 ist ca. 25 cm lang und in der Hauptsache aus Papier, Karton und Federstahldraht gebaut. Als Vorlage diente ein Seitenriss und eine Draufsicht im Buch »Deutsche Kampfschiffe« von Harald Fock. Diese Planvorlage ließen beim Betrachten ein Jucken in den Fingern entstehen, so dass die Modellwahl dadurch entschieden war.

Die auf dem Deck achtern stehende Hansa Brandenburg W.29 ist grob dazu geschummelt, einzig um das Modell attraktiver zu machen... Vielleicht musste das Flugzeug im Herbst 1918 vor Kiel notwassern und wurde nach abgesetzten Notruf von V 106 aufgenommen. Wer weiß? Torpedoboote konnten aber sehr wohl Wasserflugzeuge transportieren (nicht nur Havaristen).

Ansonsten habe ich nach bestem Wissen und Gewissen versucht, eine möglichst originalgetreue Miniatur des Schiffes zu bauen. Wichtig war mir, exemplarisch den auf alten Fotos beobachteten, vergammelten und abgenutzten Kriegseindruck von 1918 darzustellen.

Eine Auswahl der Quellen: Es gibt von der Firma »Mirage Hobby« einen Plastik-Bausatz des Schiffes im Maßstab 1/400. Bekannter ist sicher der kostenlos im Internet zu bekommende Kartonmodellbausatz im Maßstab 1/200 (von digitalnavy). Dieses Modell lässt sich sogar als Vollrumpfmodell bauen. Im Vergleich zum erwähnten Plan ist mir dieses Modell aber viel zu ungenau: Der Rumpf hat eine zu kurze Back, das Achterschiff ist zu voll und einige Details der Decksausrüstung stimmen in ihrer Vermassung nicht. Diese Ungenauigkeiten waren für mich Anlass, das Modell kurzerhand nach Plan zu bauen. Aus dem Baubogenangebot habe ich lediglich einige wenige Teile genommen die ich nach Plan angepasst habe (z. B. Schornsteinabwicklung, Front des Brückenhauses und die Beiboote). Das Flugzeug ist ein aber ein kostenloser Kartonbausatz von papershipwright aus dem Internet, der von mir unverändert auf V 106 aufgesetzt wurde.

 

Die Decksausrüstung wurde sehr teilereich: Kohleluken, flache Pilzkopflüfter, Deckslichter, Waffenfundamente und die Schienen zum Torpedotransport stanze und schnitt ich zurecht. Vom erwähnten Digital Navy-Bogen konnte ich nur wenig verwenden. Teile des Brückenunterbaus und Niedergangskappen waren bisher die einzige, magere Ausbeute... Die Teile selber herstellen wäre nicht schwer gewesen. Aber wenn man schon das passende Zeug fertig daliegen hat, warum soll man es nicht nutzen? Der große Lüfter in der Bootsmitte ist eine Eigenkonstruktion aus Papier, Draht sowie ganz viel Leim und Sekundenkleber. Nach vielen Schleif- und Spachteldurchläufen brachte ich etwas passables zuwege. Zum Glück brauchte ich nur eins von den markanten Dingern.


Anstrich und Alterung: Die Darstellung des vorbildgerechten »Schmuddellook« war Ziel des Modellbaus. Ich habe mich für die seit 1916 geltende Farbfassung »Blaugrau« entschieden. Als Farbe habe ich Revell-Aquar Color Nummer 79 » Blaugrau« genommen und mit Pastellkreiden aus dem Künstlerbedarf »gealtert«. Das Original war zwar ein Schulboot welches meines Wissen keinen Fronteinsatz hatte. Ich kann mir aber vorstellen, dass die oft wechselnden Offiziersschüler nicht gerade pfleglich mit ihrer »Schule« umgegangen sind. Da das ganze Schiff einfarbig ist, habe ich den soweit aufgebauten Rumpf mit seinen Details nun komplett mit dem Pinsel bemalt. An den Bordwänden habe ich mit senkrechten Strichen herunterlaufende Schlieren erzeugt. Um an der Aussenkante des Vorschiffs eine hervortretende Naht am Rumpf hinzubekommen, habe ich einfach ein Blatt Papier untergehalten. Ein bisschen künstlerisches Geschick und Selbstkritik ist hilfreich. Geduld und Gefühl sollten noch hinzukommen. Man sollte aufpassen, solche Verschmutzungen nicht zu übertrieben anzugehen und die Farbe vor allem nicht zu dick aufzutragen. Weniger erzielt hier eine gute Wirkung! Dadurch das dass Modell auf dem Graupappesockel aufgeklebt ist, ließ es sich sehr gut von allen Seiten anmalen ohne es ständig in die Hand nehmen zu müssen.

Die Wasserdarstellung: Leben bekommt das Schiff durch die Wasserdarstellung. Ich mag keine Wasserlinenmodelle ohne Wasser! Begonnen habe ich mit dem Aufmodellieren der formgebenden Wellen aus Zeitungspapier und UHU. Der Rest entstand dann Schicht für Schicht aus transparenten Acrylgel (das ganz billige aus dem Ein-Euro-Shop) und Acrylfarben. Die Farbwahl reichte von Preussischblau bis Bronzegrün. Durch die überlagernden, teils lasierenden Schichten entstehen verschiedene Farbschattierungen die bewegtes Wasser darstellen sollen. Das alles fand auf dem erwähnten Kartonsockel mit dem dort aufgeklebtem Modell statt. Die sich überschlagene Bugwelle habe ich wie folgt gemacht: Ich habe einen Streifen klares Acrylgel auf einen Kunststoffdeckel gestrichen und trocknen lassen. Nach der Aushärtung konnte ich den Streifen abziehen und als sich überschlagende Welle in mein »Gewässer« einmodellieren. Das hat gut geklappt.


Das Finish: Die Reling ist ein Fertigteil aus gekauften Lasercuts. Die Masten sind bemalter Federstahl, getakelt wurde mit Serafilgarn. Kleinigkeiten wie Rettungsringe, Signallaternen und ein paar Besatzungsfiguren (von Preiser, Spur Z) runden das Bild ab. Der Kartonsockel bekam zum Abschluss noch ein umlaufendes, dunkelgrau gemaltes Papierband mit Namensschildern aus dem PC. Eine umlaufende, schmale Holzleiste dient als Auflage für eine schützende Glashaube.


Klaus Lingenauber