Das Original

Die Dunkerque und ihr Schwesterschiff, die Strasbourg, waren die Antwort auf die Schiffe der Deutschland-Klasse. Da Frankreich seit 1915 keine Großkampfschiffe gebaut hatte, war der Bau dieser Schiffe eine große Herausforderung für die französische Werftindustrie. Z.B. war der Mangel an ausreichend langen Hellingen und Trockendocks ein großes Problem. Als die Dunkerque am 2. Oktober 1935 vom Stapel lief, fehlte ihr der vorderste Teil des Rumpfes. Das 17 m lange Bugteil wurde separat gebaut und erst nach dem Stapellauf mit dem Hauptteil des Rumpfes zusammengefügt.

Die Schiffe waren von der Nelson-Klasse stark beeinflusst, und eine Menge innovativer Lösungen wurden bei der Konstruktion ausprobiert. Die Hauptartillerie wurde auf dem Back aufgestellt. Dadurch konnte der Seitenpanzer kürzer gemacht werden und viel Gewicht wurde gespart. Durch die Aufstellung der Hauptartillerie in zwei Vierlingstürmen wurde weiteres Gewicht gespart. Die beiden Türme standen mit einem ungewöhnlich großen Abstand voneinander entfernt, um zu verhindern, dass ein Einzeltreffer beide Türme außer Gefecht hätte setzen können. Außerdem war jeder Turm in zwei ,,Halbtürme” eingeteilt, mit einem Panzerschott dazwischen, um zu verhindern, dass ein Einzeltreffer den ganzen Turm außer Gefecht hätte setzen können. Die Geschütze konnten, mindestens theoretisch, bei jeder Rohrerhöhung zwischen -5 und +35 Grad geladen werden. Auch die Sekundärartillerie war in Türmen aufgestellt, und sollte gegen Oberflächenziele und Luftziele eingesetzt werden können. Auch hier konnten die Rohre bei jeder Erhöhung geladen werden. Die Haupt- und die Sekundärartillerie waren elektrisch ferngesteuert.

Der Seitenpanzer war nicht, wie früher üblich, horizontal an den Rumpfseiten festgeschraubt, sondern innerhalb des Rumpfes angeordnet und von oben bis unten nach innen geneigt. Der Torpedoschutz bestand aus einer Abfolge von leeren und mit Ebonitschaum gefüllten Räumen.

Wie erfolgreich waren denn alle diese Innovationen? Lassen wir ,,le capitaine du vaisseau’’ Seguin zu Wort kommen:

,,Die Dunkerque besitzt ausgezeichnete nautische Qualitäten und lässt sich sehr gut manövrieren. Ihr Freibord ist aber unzureichend und das Vorderschiff ist beim Seegang sehr nass. Außerdem ist das ganze Vorderschiff empfindlich und neigt zu Materialermüdung. Beim Seegang muss die Geschwindigkeit verringert werden und der Kurs angepasst werden. Die elektrische Rudermaschinerie ist empfindlich, was zu vielen Zwischenfällen geführt hat.

Die Antriebsanlage funktioniert sehr zufriedenstellend; das Schiff ist ökonomisch und hat eine gute Reichweite.

Die Haupt- und und Sekundärartillerie ist kompliziert und empfindlich. Der Fernsteuerung der Artillerie mangelt es an Kraft und Flexibilität und ist unter gewissen Umständen funktionsunfähig. Die Streuung der Schüsse beim Salvenschießen ist unannehmbar. Um beim Schießen akzeptable Ergebnisse zu erreichen, müssen die Mannschaften sehr gut ausgebildet und stabil sein.’’

(Meine Übersetzung und Zusammenfassung.)

Admiral de Laborde meinte, dass dem Vorderschiff zwei Meter Freibord fehlte. Der Panzerschutz sei von der Konzeption her richtig, aber nicht zufriedenstellend durchgeführt, da die Tunnel für die Verkabelung nicht wasserdicht seien. Dazu komme die Feuergefahr wegen des entzündbaren Isolierstoffes der Kabel. Die Aufstellung der Hauptartillerie auf dem Backdeck sei ein gravierender Fehler; das Schiff sollte fähig sein, auch beim Rückzug zu kämpfen, wenn die Umstände das verlangen. Die Mittelartillerie sei nicht schwer genug, um Oberflächenziele gut bekämpfen zu können und zu schwer und unhandlich, um effektiven Luftabwehr leisten zu können.

Wenn man diese Kritik liest, sollte man aber wissen, dass viele deutsche Zerstörer und Großkampfschiffe, besonders die Admiral Hipper, erhebliche Probleme mit ihren Maschinenanlagen hatten. Die Scharnhorst und Gneisenau waren auch sehr ,,nass’’, und hatten beim Seegang Probleme mit Wassereinbruch in den Haupttürmen. Die Schiffe der King George V-Klasse hatten mit ihren Vierlingstürmen ähnliche Probleme wie die Dunkerque und ihre Maschinenanlagen waren sehr unökonomisch. Ähnlich wie die Dunkerque und die Strasbourg hatten die auch die potentiellen italienischen Gegner das Problem, dass die Schüsse beim Salvenschießen streuten. Das Problem mit der Streuung der Salven wurde bei der Dunkerque und der Strasbourg nie gelöst. Bei ihrem Nachfolger, der Richelieu, konnte das Problem erst 1948, nach langwierigen Versuchen, gelöst werden.

Quellen

  • Navires et Histoire Nr 27. Philippe Caresse.
  • French Battleships 1922-1956. Jordan & Dumas.

Wer mehr über die Konstruktion des Schiffes lernen will, wird hier fündig:
Dunkerque-Klasse (Wikipedia)

Hier kann man mehr über die Geschichte der Dunkerque lesen:
Dunkerque (Schiff, 1935) (Wikipedia)

Das Modell

Wer ein historisch korrektes Modell von der Dunkerque bauen will, muss einige Änderungen vornehmen. HobbyBoss stellt das Schiff so dar, wie es geplant wurde, nicht wie es wirklich aussah. Das betrifft besonders die leichte Bordflak, die oft geändert wurde. Die Öffnungen für die Geschützrohre der Hauptartillerie waren vor dem Krieg mit Luken versehen. Nach dem Kriegsaufbruch wurden sie durch Rohrhosen (Dichtungen aus Segeltuch) ersetzt. Die Öffnungen für die Sekundärartillerie waren auch mit Luken versehen, wurden aber nicht durch Rohrhosen ersetzt. Luken oder Rohrhosen muss man selbst bauen, da es im Bausatz keine Teile dafür gibt.

Die Bemalungsanleitung enthält auch einige Fehler. Die graue Farbe ist viel zu dunkel für den Friedenszustand des Schiffes und meiner Meinung nach auch für den Kriegszustand. Alle Entfernungsmessbalken waren weiß gestrichen, um die Sonnenstrahlung zu reflektieren und dadurch Deformationen wegen Temperaturveränderungen zu verhindern. Die Propellerwellen waren sicherlich nicht unbemalt und metallisch glänzend, sondern Rot bemalt, wie der Rest des Unterwasserrumpfes. Die Propellerwellen sind der allerletzte Ort, wo Algen und Schnecken wachsen dürfen. Das würde die Wirkung der Propeller negativ beeinflussen.

(2016 traf ich in Nieuwegein auf einen holländischen Modellbauer, der eine Erklärung für diesen lustigen Gebrauch hatte, Propellerwellen auf Bemalungsanleitungen metallisch glänzend darzustellen. Er meinte, dass er von Werftmodellen stamme. Die Modellbauer hätten einfach die Propellerwellen der Modelle poliert, sodass die Modelle schöner und spektakulärer aussehen sollten.)

Der Bausatz ist grundsätzlich von sehr guter Qualität (siehe Bausatzbesprechung). Die Passgenauigkeit zwischen dem Rumpf und den Decksteilen ist hervorragend. Nur an zwei Ecken brauchte ich ein bisschen Spachtelmasse.

Die größte Schwäche des Bausatzes sind die Beiboote, was leider die Standardschwäche bei den meisten Schiffsbausätzen ist. Bei den Ruderbooten schnitt ich die grob gegossenen Duchten weg, schliff die Bordwände dünner und versah die Boote mit Wegerungen und Duchten aus 0,3 mm Polystyrol. Nach der Bemalung fügte ich Riemen von White Ensign zu.

Bei den Motorbooten schnitt ich die Windscheiben weg und bohrte die Bullaugen und Fenster aus. Nach der Bemalung fügte ich neue Windscheiben aus transparentem Kunststoff zu.

Außerdem gab es natürlich Platz für viele Verbesserungen der alten Schule.

Die Photoätzteile des Bausatzes sind sehr gut und meistens gut durchdacht. Nur auf einigen Stellen hätte HobbyBoss aber die Teile einfacher und benutzerfreundlicher herstellen können, z.B. bei den Handläufern für den Flugzeugkran.

Ich bemalte das Modell wie üblich, d.h. mit Farben von Schmincke/Aerocolor, die ich in vielen halbtransparenten Schichten unterschiedlicher Nuancen auftrug.

Nachdem ich das Modell bemalt und getakelt hatte, kam das Loire 130 Bordflugzeug an die Reihe. Die Verstrebungen, die die Schwimmer stützen, sind unmöglich aus Kunststoff zu gießen. Deswegen hat HobbyBoss sie stark vereinfacht - eine pragmatische Lösung. Da diese Verstrebungen aber ein wichtiger Teil des Erscheinungsbilds des Flugzeuges sind, entschied ich mich dafür, sie aus 0,2 mm Gitarrensaiten herzustellen. Es war höllisch knifflig, machte aber auch viel Spaß. Außerdem versah ich das Flugzeug mit Verstrebungen für die Stabilisatoren, einer Dreifußantenne auf der Kanzel und einer Antennenleine.

Nachdem ich das Flugzeug fertig gestellt hatte, entdeckte ich, dass Dunkerques Bordflugzeuge keinen Maschingewehrturm auf dem Rücken hatten. Dann wies ein französischer Modellbaukumpel mich darauf hin, dass die Loire 130 der französischen Flotte nicht bemalt, sondern metallisch glänzend waren.

Das, finde ich, ist eine ziemlich gute Zusammenfassung vom Modellbau. Man versucht und versucht, alles richtig zu machen, kriegt es aber nie ganz richtig hin.

Ulf Lundberg