Das Original

Die beiden Hochsee-Bergungsschlepper Smit Rotterdam und Smit London wurden in den 1970ern in den Niederlanden gebaut. Ca. 75 Meter lang und mit einer Maschinenleistung von 22.000 PS, konnten sie weltweit in der Offshore-Industrie eingesetzt werden und Schiffen in Seenot Hilfe leisten. Die Schiffe waren umfassend mit den erforderlichen Schleppeinrichtungen, Werkstätten und Feuerlöschgerät ausgestattet. Nach einer langen Karriere wurden sie 2012/13 in Indien abgewrackt.

Der Bausatz

Diesen Bausatz gibt es buchstäblich seit Jahrzehnten. Die Datenbank bei Scalemates listet ihn mit dem Erscheinungsjahr 1980. Er ist im großen ganzen schön gemacht, vorbildgerecht und wirkt stimmig, entspricht aber natürlich nicht heutigen Standards. Die Relings aus Plastik sind ähnlich klobig wie die Untergestelle für die Rettungsinselkanister. Das Bugstrahlruder ist lediglich durch eine flache Vertiefung im Rumpf angedeutet, während die beiden Kortdüsen schön wiedergegeben sind. Die geräumige Brücke ist komplett leer, hier kann aber leicht durch Selbstbau Abhilfe geschaffen werden. Glücklicherweise sind die Ankerketten nicht wie so oft angegossen, sondern es liegt ein echtes Stück Kette bei.

Im ganzen ist es ein großer, sehr schön detaillierter Bausatz mit ordentlich Raum für Verbesserungen, und das zu einem sehr vertretbaren Preis.

Der Bau

Ich mag es zu schauen, was ich aus alten Bausätzen herausholen kann. In diesem Fall hatte ich ihn ursprünglich mit der Idee gekauft, ihn in einem Diorama zusammen mit der Ölplattform von Revell zu benutzen. Der Gedanke an die massive Größe eines solchen Dioramas brachte mich jedoch dazu, im Interesse das Hausfriedens von der Idee Abstand zu nehmen und das Schiff für sich zu bauen.

Eines schönen Samstagmorgens baute ich also den sehr stabilen Rumpf mit meinem kräftigsten Plastikkleber zusammen. Was ich beim Verschleifen an erhabenen Details verlor, ersetzte ich durch weichgeglühten Draht und ein Stück Messingrohr. Der Mehraufwand beim Versäubern gegenüber einem modernen Kit war eher gering. Der Zusammenbau ging flott von der Hand, weil die Passung generell gut und die Bauteile recht groß waren. Zur besseren Handhabung klebte ich mit Zweikomponentenkleber ein Stück Holz in den Rumpfboden ein. In dieses konnte ich meine Schrauben zur Befestigung an meinem Bau-Schraubstock verankern. Die Bauabfolge änderte ich gegenüber der Anleitung mit dem Ziel, unkomplizierter bemalbare Baugruppen zu erhalten. So wurden z.B. beide Schornsteine mit der verbindenden Plattform als eine Baugruppe erstellt.

Die großen Fensterflächen der Brücke motivierten mich dazu, eine einfache und nicht vorbildgetreue Inneneinrichtung zu bauen. Ich bestellte mir auch Figuren im Maßstab 1/200 aus dem Archituekturmodellbedarf sowie Leitern, Relings und Handräder von Saemann Ätztechnik. Die Niedergänge aus dem Bausatz beließ ich, wie sie waren, weil ich bezweifelte, selbst etwas besseres bauen zu können.

Für die Basis wurde aus einer 30 mm starken Styroduroplatte zur Wärmeisolierung ein passendes Stück zurechtgeschnitten. Der Ausschnitt für den Rumpf wurde zuerst mit einer Stichsäge, dann mit einem Cuttermesser angelegt. Nachdem der Rumpf einigermaßen eingepasst war, wurde das Wellenbild ebenfalls mit Säge und Messer angelegt. Das machte ordentlich Dreck, und ich habe seitdem meine Methode auch geändert. Das aufgewühlte Wasser achteraus rauhte ich durch vorsichtiges Aufsprühen von Pinselreiniger auf - dieser löst das Styrodur kräftig an. Weil ich eine richtig mächtige Bugwelle darstellen wollte, schnitzte ich mir deren Kern aus Styrodurabfall zurecht und klebte das Teil mit einem Spezialkleber für Styropor auf. Mittlerweile weiß ich, dass Ponal Express hier eher besser funktioniert. Der Rumpf wurde nun in Frischhaltefolie gewickelt, in den Ausschnitt der Platte gesetzt und die verbliebenen Spalten mit Anschlussacryl aus dem Baumarkt gefüllt.

Während das aushärtete, arbeitete ich am Schiff weiter, indem ich mir Baugruppen suchte und jeweils schaute, ob und wieviel ich an ihnen nachdetaillieren wollte. Die beiden Auspuffrohre wurden vorsichtig aufgebohrt und mit einem passenden Metalizer eingefärbt. Die Funkpeilantenne wurde durch passend zugeschnittene und zusammengebaute fotogeätzte Handräder ersetzt. Die Untergestelle der Rettungsinselkanister wurden aus fotogeätztem Relingsmaterial und Polystyrolprofilen selbst gebaut. Die Rettungsinselkanister selbst wurden versäubert und ihre Struktur mit der Feinsäge betont.

Der Rumpf und die großen Teile wie Decks und Aufbauten waren nun fertig zum Bemalen. Alles wurde gründlich mit Feuerzeugbenzin entfettet und mit einem erprobten Haftgrund aus der Spraydose grundiert. Trotzdem haftete dieser sehr schlecht am Kunststoff und machte mir beim Abkleben des Rumpfes mächtig Ärger. Ich schob es seinerzeit auf ein womöglich sehr hartnäckiges Formtrennmittel, mittlerweile denke ich, es lag an einer womöglich schlechten Charge meines Haftgrundes, weil ich noch an einem weiteren Modell die gleichen Probleme hatte. Aktuell benutze ich einen Haftgrund aus dem Autolackierbedarf und hoffe, dass es damit besser klappt.

Nach dem Grundieren benutzte ich wie stets Modellbau-Acrylfarben in mir passend erscheinenden Farbtönen. Alle wurden abgetönt ausgewählt, um das Modell realistischer wirken zu lassen. So verwendete ich anstelle von Schwarz ein dunkles Grau, ein möglichst dunkles Ziegelrot für das Unterwasserschiff und ein kräftiges Dunkelgrün für die Decks. Nur die weißen Bereiche wurden wirklich Weiß lackiert, und zwar mit dem PU-Primer von Vallejo.

An der Basis wurden derweil die Überschüsse des Anschlussacryls zurückgeschnitten. Nun konnte ich die gesamte Basis stippelnd mit weißer Wandfarbe bemalen, um ihr die gewünschte Oberflächenstruktur zu geben. Nachdem die Wandfarbe getrocknet war, trug ich nacheinander grün, türkis und dunkelblau aus der Airbrush auf, um ihr die gewünschte Farbe und die Übergänge zu den durch das Schiff aufgewühlten Bereichen zu geben. Hierauf folgte eine Trocknungszeit von einer Woche, um die Restfeuchte der bislang benutzten wasserbasierten Farben entweichen zu lassen.

Das Modell wurde nun Stück für Stück zusammengesetzt. Der Mast wurde aus konisch gedrehtem Messing mit Rahen aus Messingdraht und Fittings aus Polystyrol neu gebaut. Die Kräne wurden mit fotogeätzten Haken und Leitern sowie Seilen aus Caenis-Garn detailliert. Die angespritzten Persennings der Boote wurden mit in Klear getränktem Zigarettenpapier überzogen, wodurch eine vorbildgetreue Faltenbildung und Oberflächenstruktur entstand. Die angespritzten Bootsständer erhielten "Erleichterungslöcher". Fotogeätzte Handräder wurden an den Winschen und den Scheinwerfern eingesetzt.

Erst spät im Projekt stieß ich auf eine gute Fotosammlung vom Schiff, auf der ich natürlich einiges fand, was ich übersehen hatte. So zeigte es sich, dass ein Teil des Schleppdecks mit Holz beplankt war. Hierzu schnitt ich mir ein Stück "V-groove" von Evergreen zurecht und bemalte es holzfarben. Ich beließ jedoch den Mast und die Kräne in dem kräftigen Gelb und bemalte sie nicht in dem eher flauen beige, das ich auf den Fotos gefunden hatte. Mein Streben nach Vorbildtreue hat eher enge Grenzen ...

Der Zusammenbau der diversen Decks erforderte doch einiges an Kleber und ordentlich Druck, und weil die Farbe so schlecht am Kunststoff haftete, auch einiges an Nacharbeit. Nach Abschluss der Bemalung brachte ich die leider ziemlich empfindlichen Decals auf.

Nun konnte das Modell mit dem Mattlack aus der Galleria-Serie von Winsor&Newton versiegelt werden. Das ergab eine einheitliche Oberfläche und verdeckte die zahlreichen Kleberflecke. Darauf folgend alterte ich das Schiff mit Künstlerölfarben, wobei ich wie stets mich bemühte, es nicht zu übertreiben und realistisch zu bleiben. Ich versuchte mir vorzustellen, wo der meiste Verschleiß aufkommen würde und welche Bereiche der Besatzung im Rahmen der normalen Instandhaltung zugänglich waren. Einige der Decksfittings bemalte ich denn doch in diesem Stadium gemäß meiner Vorbildfotos noch um, aber Mast und Kräne blieben gelb.

Die mittlerweile trockene Basis erhielt nun eine Anzahl kräftiger Schichten klaren Hochglanzlacks aus der Spraydose. Dieser trocknet oberflächlich recht schnell, bleibt grundsätzlich aber noch sehr lange klebrig.
Am Schiff brachte ich nun die diversen Relings an. In diesem Maßstab sind geätzte Relings recht stabil und gutmütig in der Verarbeitung. Sie wurden schon auf der Platine entfettet und hellgrau gespritzt, und mit Sekundenkleber befestigt. Verbleibende Spalten wurden ebenfalls mit Sekundenkleber gefüllt. Die Bemalung wurde nun, wo erforderlich ausgebessert, und der Handlauf gemäß den Vorbildfotos schwarz bemalt.

Die Anker wurden mit Künstlerölfarben verrostet und am Modell angebracht. Die Ankerkette wurde mit einem Brüniermittel von Saemann behandelt und vor Anbringung auch etwas mit Ölfarbe verrostet.
Das Dach der Brücke und die Schornstein-Baugruppe waren bislang noch nicht angebracht worden. Nun erhielt das gesamte Modell einen weiteren Mattlacküberzug, um alles erneut einzublenden. Erst jetzt wurden die zahlreichen Fenster und Bullaugen mit feinem Weißleim ausgefüllt, wozu ich je nach Größe einen Zahnstocher bzw. einen langhaarigen sogenannten Schlepperpinsel benutzte. Nach einigen Stunden waren alle Fenster und Bullaugen durchsichtig getrocknet, und Brückendach und Schornsteine konnten angebracht werden.

Schließlich wurde das Modell getakelt. Ich drehte mir Augbolzen aus 0,2 mm Messingdraht und klebte sie in von mir an den erforderlichen Stellen gebohrte Löcher ein. Zur Takelung benutzte ich schwarzes UNI 8/0 - Garn für das stehende Gut und UNI Caenis für die Antennendrähte. Die Isolatoren an letzteren deutete ich mit Tröpfchen aus Weißleim an, die später dunkelgrau bemalt wurden.

Nun konnte das Modell auf der Basis angebracht werden. Leider hatte sich das Anschlussacryl in der Zwischenzeit etwas verzogen, so dass ich hier noch korrigieren musste, bis das Modell so saß, wie ich es wollte. Die letzten Spalten zwischen Modell und Basis dichtete ich mit klarem Acrylgel ab.

Nun kam mein persönliches Neuland, die mächtig gischtende Bugwelle und die ähnliche Hecksee. Ich schaute mir hierzu die Tutorials an, die der kanadische Kunstmaler und Modellbauer Chris Flodberg freundlicherweise im Forum von modelwarships.com zur Verfügung gestellt hat, und versuchte, etwas davon für mich umzusetzen.

Watte ist die offensichtliche Materialwahl zum Simulieren von Gischt. Trotzdem wirkt Watte allein nicht stimmig, weil sie faserig ist. Von daher klebte ich schrittweise feine Watte in der richtigen Größe und Faserrichtung mit Acrylgel an die Basis und richtete sie wie gewünscht aus. Die freien Fasern an der Oberfläche fing ich durch vorsichtiges Auftragen von Acrylgel und von Klear ein, dadurch konnte ich meine Bugwelle besser modellieren und sie erhielt eine leicht glitzernde Oberfläche, die viel vorbildgetreuer aussah. Auch die Hecksee wurde ähnlich erstellt. Dieser Prozess dauerte eine gewisse Zeit, mit Denkpausen und immer wieder einem innerlichen Zurücktreten und Neuanschauen, bis ich zufrieden war. Ich habe bei diesem Projekt etwas dazu gelernt und will diese Technik auch in Zukunft einsetzen, weil ich finde, dass sie den Realismus meiner Wasserflächen erhöht.

Fazit

Dieser Bausatz ist zwar alt, aber solide und immer noch gut, und das daraus entstehende Modell ist recht beeindruckend. Es braucht nicht viel Nacharbeit und bietet doch reichlich Raum für individuelle Verfeinerungen - und der Bau hat Spaß gemacht!

Frank Spahr