Das Original

Die Mauretania und ihr Schwesterschiff Lusitania wurden für den Tranatlantikdienst der Cunard-Reederei erbaut. Sie sollten der Reederei helfen, sich gegen die heimische Konkurenz der White Star Line und die aufstrebenden deutschen Reedereien zu behaupten. Beide Schiffe wurden hauptsächlich auf eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit hin konstruiert. Das Ziel war, die schnellste Passage über den Atlantik anzubieten und damit das „Blaue Band“ zu gewinnen. Das wenig später für die White Star Line erbaute Trio aus Titanic, Britannic und Olympic hingegen war mit dem Hauptaugenmerk auf Größe und luxuriöse Ausstattung konzipiert worden.

Die enormen Baukosten wurden teils durch einen subventionierten Kredit der britischen Regierung abgedeckt. Als Gegenleistung sollten die Mauretania und Lusitania im Kriegsfall bewaffnet werden und als Hilfskreuzer eingesetzt werden.

Die Mauretania wurde in Newcastle durch die Werft Swan Hunter erbaut. Sie wurde am 18. August 1904 auf Kiel gelegt und lief am 20. September 1906 vom Stapel. Ihr kohlebefeuerten Dampfkessel wirkten auf vier der neuen Parsons-Turbinen, die wiederum vier Schrauben antrieben. Der Antrieb leistete insgesamt 68.000 PS. Eine Dienstgeschwindigkeit von 24 Knoten war Bestandteil des Baukontrakts.

Bei den Probefahrten zeigten sich starke Probleme mit Vibrationen, die Teile des Schiffs bei voller Geschwindigkeit praktisch unbewohnbar machten. Verschiedene Maßnahmen wurden ergriffen , um dieses Problem abzustellen, vom Einbau von Versteifungen bis hin zum Austausch der Schrauben. Die Mauretania lief am 16. November 1907 zu ihrer Jungfernfahrt aus. Aufgrund schlechten Wetters konnte sie nicht mit voller Geschwindigkeit fahren und errang das blaue Band erst auf der Rückfahrt. Sie sollte es mehr als zwanzig Jahre lang behalten.

Das Schiff erwies sich als sehr populär und auch als sehr langlebig. Ursprünglich verlief die Route von Liverpool über Queenstown (heute Cobh) in Irland nach New York. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Mauretania zuerst aufgelegt, und dann kurz als Truppentransporter genutzt. Dazu wurde sie dunkelgrau mit schwarzen Schornsteinen umgemalt. Daraufhin diente sie als Lazarettschiff, nun in weißer Bemalung mit einem grünen Streifen am Rumpf und ockerfarbenen Schornsteinen. Gegen Ende des Krieges wurde sie erneut als Truppentransporter eingesetzt, nun mit zwei verschiedenen disruptiven „Dazzle“-Tarnanstrichen.

Nach dem Krieg wurde sie ihren Eignern zurückgegeben und auf ihre zivile Ausstattung zurückgebaut. Ab 1919 verkehrten die Schiffe der Cunard-Reederei von Southampton anstelle von Liverpool.

Cunard investierte weiterhin in das alternde Schiff, weil es immer noch populär war. So wurde es 1921 auf Ölfeuerung umgestellt und die Turbinen 1923 überholt. Die Mauretania diente auf der Transatlantikroute bis 1930, als modernere Schiffe sie überflügelten. Das blaue Band behielt sie bis 1929, als sie es an die Bremen des Norddeutschen Lloyd abgeben musste.


Ihre letzten Jahre verbrachte sie als Kreuzfahrtschiff in wärmeren Gegenden als bisher. Hierzu wurde sie weiß angestrichen.

Die Weltwirtschaftskrise und die Fusion zwischen Cunard und White Star brachte ihr Ende. Unter großer öffentlicher Anteilnahme führte ihre letzte Reise nach Rosyth bei Edinburgh. Sie machte noch kurz am Tyne Station, wo sie erbaut worden war, bevor sie mit gekürzten Masten unter der Forth Bridge zur Abwrackwerft fuhr.

Ein guter Teil der Inneneinrichtung und zahlreiche Gegenstände ihrer Ausstattung wurden versteigert. Sie landeten in Privatsammlungen und in diversen Privathäusern, einem Kino und einem Pub.

Der Bausatz

Dieser Bausatz (Nr. 04207) wurde 1964 zum ersten Mal angeboten und ist ein typisches Beispiel seiner Zeit. Im großen ganzen korrekt geformt, fehlen ihm Details und es gibt Abweichungen vom Original. Kleinteile wie Rettungsboote, Davits, Masten und Lüfter sind eher klobig geformt, aber da ist noch deutlich mehr. Liest man einige der schonungslosen Analysen im Netz, bleibt eigentlich nur eine geordnete Entsorgung. Vom zu stumpfen Bug bis zum zu ausgeprägten Heck stimmt eigentlich nichts. Ein typisches Problem dieser älteren Bausätze sind die zu dicken Decks. Auch wenn die Gesamthöhe stimmt, führt das doch zu zu niedrigen Wänden der Decks, und es ist nur sehr aufwendig zu korrigieren. Man müsste dazu die obere Hälfte des Schiffes mit dünneren Decks und höheren Wänden komplett neu erbauen. Dass ein Großteil der angegossenen Details auf Vor- und Achterdeck fiktiv sind, ist da nur noch eine Randbemerkung.

Positiv war in meinem Fall, dass mein Modell nicht unter Beschädigungen der Form litt, wie sie spätere Auflagen aufweisen.

Zu dem Bausatz gehört ein sehr kleiner Decalbogen, von dem nur der Schiffsname sich als nutzbar erwies. Die eigentlich dazugehörigen Tiefgangsmarkierungen fehlten auf dem Bogen.

Ich bekam diesen Bausatz vor vielen Jahren geschenkt (Danke, Norbert!). Da ich nun ein hoffnungsloser Airfixfan bin, mit begrenzten Fähigkeiten und begrenztem Streben nach Vorbildtreue, entschied ich mich dazu, mit meinen Möglichkeiten das Beste aus dem Bausatz zu machen.

Der Bau des Modells

Ich begann mit dem Verkleben der Rumpfhälften und dem Einkleben einer Verstärkung am Rumpfboden, die meine Bauschrauben aufnehmen würde. Der Bug wurde vorsichtig mit Spachtelmasse gefüllt, um ihn nachher dünner schleifen zu können.

Schon sehr früh begann ich mit der Basis in meiner üblichen Methode. Ich wollte das Schiff mit guter Fahrt in schwerer See zeigen, so dass ich einiges an der Basis schneiden mußte. Ich wollte zeigen, dass diese Schiffe damals bei allem Luxus der einzige Weg über den Atlantik waren, und zwar bei praktisch jedem Wetter. Deshalb brachte ich später auch Sturmabdeckungen an den Brückenfenstern an und alterte den Rumpf. Man sah den Schiffen nach einer stürmischen Überfahrt durchaus an, welche Kräfte auf sie gewirkt hatten.


Ich entschied mich dazu, den Rumpf mit einer Oberflächenstruktur zu versehen. Zuerst bohrte ich alle der sehr zahlreichen Bullaugen aus, wozu ein akkubetriebenes, über USB aufladbares Werkzeug sich als extrem nützlich erwies.

Ich änderte nichts an Zahl und Anordnung der Bullaugen, Zugangsluken und anderer Details. Den Bug habe ich allerdings dünner geschliffen, und die riesigen Löcher für die Bootsdavits ausgefüllt.


Nun wurde es interessant. Ich hatte dünne selbstklebende Alufolie gekauft und schnitt sie mir nun zu „Rumpfplatten“ zurecht. Ich brachte nur die obere der zwei abwechselnden Beplattungslagen an und nutzte Q-Tips und einen Glasfaserradierer, um die Folie möglichst dicht an den Rumpf anzuschmiegen. Die sich abzeichnenden Bullaugen wurden mit einer Nadel ausgepiekst. Das Ergebnis war alles andere als perfekt, aber ich war recht glücklich damit.

Parallel dazu arbeitete ich an weiteren Baugruppen, wie die Schornsteine und die Boote. Wie immer versuchte ich, ein über das Modell einigermaßen einheitliches Detaillierungsniveau zu erreichen. Das war war eine Verbesserung gegenüber dem Baukasten, aber weit entfernt von dem, was die Meister unseres Faches erreichen. So habe ich keine Inneneinrichtung für die Boote gebaut, sondern sie mittels Weißleim mit „Segeltuchbezügen“ abgedeckt. Die Schornsteine erhielten das eine oder andere an Details, aber deutlich weniger, als sie hatten. Die Masten habe ich aus verschiedenen Messingröhren und -drähten neu erbaut, um sie einerseits filigraner und andererseits stabiler zu machen. Den vorderen Mast musste ich zweimal bauen, weil er mir beim ersten Mal nicht schlank genug geraten war.


Die zahlreichen Lüfter wurden versäubert und allesamt ausgebohrt, um den Öffnungen ein überzeugenderes Aussehen zu verleihen. Die Verstrebungen an den größeren Lüftern habe ich aus gezogenen Gussästen hergestellt, das war knifflig, half aber ihrem Gesamteindruck deutlich auf.

Ich entschied mich dagegen, die zahlreichen Oberlichter neu zu erbauen und habe sie nur so gut wie möglich bemalt.

Die sehr zahlreichen senkrechten Streben zwischen den Decks machten viel Arbeit. Ich habe sie alle aus 0,5 mm Polystyrolrundstäben neu erstellt. Diese wurden durch Löcher, die in das jeweils darüber gelegene Deck gebohrt wurde, eingeführt, verklebt und abgeschnitten. Verbleibende kleine Mulden habe ich mit Weißleim ausgefüllt. Nach den mehreren Hundert Bullaugen waren einige Hundert Löcher für die Streben die nächste Arbeit, bei der sich die Akku-Minibohrmaschine gut bewährte.


Der Rumpf und die diversen Decks wurden nun grundiert und dann nach Bedarf gespritzt oder mit dem Pinsel bemalt. Der Rumpf ist nicht schwarz, sondern dunkelgrau, und zwar über einer rostroten Grundierung. Mit der Salztechnik habe ich die Farbabplatzungen im Bereich des Wellenschlags reproduziert. Ein leichtes Trockenmalen mit grauer Ölfarbe betonte die Oberflächenstrukturen.

Nun konnte ich die einzelnen Baugruppen zusammenfügen, wie immer bei mir nicht ohne Probleme und Korrekturen. Schon im frühen Stadium musste ich einzelne Relingsabschnitte anbringen, die nachher nicht mehr zugänglich gewesen wären. Das bedeutete natürlich auch ein erhöhtes Risiko für Kollateralschäden.

Bis zum Frühling 2023 kam ich gut voran, dann stockte der Bau bis zum August. Ich war nicht zufrieden mit den massiven Bugwellen aus DAS-Modelliermasse und verkleinerte sie mehrmals. Zudem fragte ich mich, wie ich die Davits die Takelung und ganz besonders die Wanten erstellen sollte. Das führte zu mehr Verzögerungen.

Bis ich irgendwann mich zusammen riss und den sehr nützlichen Fotoätzeilbogen von GMM für Passagierschiffe in 1/600 orderte, der die benötigten Wanten, Krandetails, Flaschenzüge für die Rettungsboote sowie Antennenspreizer enthielt.

Nun konnte ich die Bootsdavits und ihre Befestigungen aus Draht und Kunststoffprofilen erstellen, und zwar in der Höhe, wie sie zu den Flaschenzügen passten.

Wie stets vom Zentrum zur Peripherie arbeitend, brachte ich nun zuerst die Schornsteinstage aus 0,1 mm Neusilberdraht von Albion Alloys an. Darauf folgten die zahlreichen Relings und Niedergänge auf den Aufbauten. Es folgten die Boote und ihr Geschirr, inklusive Stücke dickeren Takelgarns, die die Kletternetze darstellen sollten. Die achtere Navigationsbrücke wurde neu gebaut.

Nachdem die Mitte des Modells komplett war, wandte ich mich dem Vordeck zu und brachte dort das Ankergeschirr sowie Stützen für die Ladebäume an. Der Ankerkran ist ein Eigenbau. Nun konnte ich meinen vorbereiteten Mast mitsamt den gestauten Ladebäumen und ihrer Takelung anbringen. Entsprechend verfuhr ich auf dem Achterschiff.


Die Masten wurden mit den fotogeätzten Wanten, dünnem Draht und sehr dünnem Caenis-Garn getakelt. Nachdem das geschafft war, brachte ich auch die Relings am Vor- und Achterdeck sowie die Anker an. Die letzte knifflige Baugruppe war die Funkantenne. Ich machte mir einen Jig aus Styrodur, an dem ich die beiden Ätzteile von GMM im entsprechenden Abstand befestigte. Nun konnte ich sie mit Caenis takeln und nach dem Trocknen am Modell anbringen. Kabel aus Caenis zur Funkbude zwischen den Schornsteinen komplettierten die Antenneneinrichtung.


Nun folgten einige Runde an Korrekturen und Versäuberungen am Anstrich, und mehr Alterung mit Künstlerölfarben. Ein abschließender Mattlacküberzug von Winsor & Newton komplettierte alles.


Die Basis hatte ich schon zuvor fertiggestellt und mit Liquitex Hochglanzlack behandelt. Das Modell wurde nun (mit angehaltenem Atem) auf der Basis platziert und verbleibende Spalten mit Watte und klarem glänzendem Acrylgel verschlossen.

Ich war ziemlich erleichtert, als das Modell schließlich sicher in seiner Displaybox ruhte.

Quellen

  • RMS Mauretania (1906) (Wikipedia)
  • Maxtone-Graham, John: The only way across. New York 1972 (Deutsch: der Weg über den Atlantik)
  • Layton, J. Kent: The Unseen Mauretania 1907. The ship in rare illustrations. Cheltenham 2015

Fazit

Das war wieder mal ein Projekt, wie ich es heutzutage am Liebsten habe. Einen alten Kit nehmen und schauen, was ich daraus machen kann – das ist mein Ding. Trotz der vielen Unterbrechungen hatte ich doch sehr viel Spaß am Bau des Modells, und daran, jeweils meine eigenen Lösungen zu finden. Mir gefällt das fertige Modell, und da man es selten gebaut sieht, ist es schon etwas Besonderes.

Frank Spahr