Das Original: A furore normannorum libera nos Domine!

Gott schütze uns vor der Wut der Nordmänner! In den letzten zweihundert Jahren des ersten Jahrtausends ein oft gesprochenes Gebet. Haben doch die rotbärtigen Männer mit ihren furchterregenden Blankwaffen überall wo sie auftauchten für Angst und Schrecken gesorgt.

Neben dem Gokstadschiff ist das Drachenboot aus dem Grabhügel beim Oseberg Hof am Westufer des Oslofjords wohl das Bekannteste unter den ausgegrabenen Wikingerschiffen (siehe das Osebergschiff und Gokstadtschiff in Oslo). Es gibt einige Nachbauten, besonders von den Roskilde-Funden (siehe z.B. Havhingsten fra Glendalough), vom Osebergschiff bislang aber nicht. Das Original selbst war – wenn überhaupt – nur kurze Zeit in Benutzung. Aufgrund der Dimensionen einiger Bauteile und anderer Hinweise geht man davon aus, das Oseberg bestenfalls zu Küstenfahrten genutzt wurde und keineswegs hochseetauglich war. Ein fiktiver Nachbau und die ersten „sea trials“ mit dem Drakkar sind mit diesem kleinen Modell dargestellt.

Der Bausatz

Schon lange geplant als Geschenk für einen lieben Freund kam ich im letzten Herbst endlich dazu, das kleine Schiffchen einmal zu bauen. Aus zweiter Hand und bereits angefangen hatte ich also zunächst mehr Arbeit mit der Demontage als mit dem Zusammenbau. Der Maßstab ist mit 1/180, bezogen auf die Vorlage Osebergschiff, ziemlich korrekt angegeben. Das Modell besteht aus nur wenigen Einzelteilen die schnell zusammengefügt sind. Im Wesentlichen sind dies die Rumpfteile, das Deck, Mast mit Segel, das Zelt an Deck und die Riemen- und Schilderreihen.

Der Umbau

Wie gesagt war der Bausatz bereits begonnen worden. Ich entfernte alle für mein Projekt nicht nötigen Teile wie Riemen, Mast und Segel. Die teilweise angebrachte Bemalung auf dem Rumpf wurde mit Revell Aqua Colors übertüncht. Die Beplankung erhielt einen braunen Anstrich, Steven, Dollbord und Kiel fasste ich schwarz. Der Rumpf erhielt an mehreren Stellen kleinste Bohrungen für Brassen, Schoten, Halsen, Stage und Wanten.

Nach Vorlage der Plastikteile baute ich einen neuen Mast, die Rah, den Beitaß und das Segel. Während die Spieren aus Bambus entstanden, fertigte ich das Segel aus bewährtem Papier. Nach vielen guten Erfahrungen mit diesem „Ersatzstoff“ zeichnete ich das Tuch auf Japanpapier, zog sehr dünne Linien der sieben zweifarbigen Kleiderbahnen, abwechselnd braun und weiß. Aus der Lektüre von Mondfelds Historische Schiffsmodelle hatte ich noch die „Netzschoten“ auf den Wikingerschiffen im Gedächtnis. Die Netzschoten klebte ich Schnur um Schnur abwechselnd mit Weißleim auf das Segel. Die abschließende Lackung mit Revell Aqua-Mattlack weichte das Papier ein wenig auf so dass es zwischen den Netzmaschen einsank und jetzt aussieht, als würde der Wind das Wolltuch in die Netzschot pressen. Ich ließ das fertige Segel einige Tage trocknen bevor es weiter getakelt wurde.

Inzwischen bemalte ich den Rumpf und die Schilde neu. Die fantastischen Bilder der Havhingsten im Internet dienten dabei als Vorlage. Alle Schilde wurden weiß grundiert und dann möglichst individuell bemalt.

Das Meer wollte ich erstmals aus Holz herstellen. Bei vielen professionellen Modellbauern schon gesehen – die meisten benutzen härtere Hölzer – wollte ich es mit Balsa versuchen. In einen Block von 10 mm Stärke schnitt ich zuerst die Schwimmwasserlinie ein. Mit einem kleinen Hohlbeitel war das schnell erledigt. Als das Schiffchen eingepasst war, formte ich mit Flach- und Hohlbeiteln zuerst eine grobe „Grunddünung“ und dann immer feiner werdende Wellen. Mit sehr scharfen Werkzeugen ließ sich das Balsaholz sehr gut schnitzen, das Ergebnis nach Grundierung und Bemalung war zufriedenstellend. Diese Methode gefällt mir sehr gut, einziger Nachteil ist der hohe Preis des Holzes und die schlechte Verfügbarkeit für größere Projekte.

Jetzt stellte ich das Schiff fertig. Die vorbereiteten Teile der Takelage wurden zusammengefügt, das Segel an die Rah gebunden und der Mast verstagt. Die Führung von Schoten, Brassen und Halsen ist mehr oder weniger logisch, unsicher bin ich bei den Netzschoten – die Belegung ist noch nicht ganz klar. Etwas fummelig war die Takelung des Beitaß, auf jüngeren Rahseglern das „Butluv“, eine Spiere, die gleich den Bulinen das Luvliek und die Schot in den Wind halten soll.

Das fertige Schiff setzte ich nun in das „hölzerne Wasser“, verbliebene Spalten zwischen Rumpf und Meer füllte ich mit in verdünntem Weißleim getränkten Papiertaschentüchern – so konnte ich auch Bugwelle, Hecksee und am Rumpf ablaufendes Wasser gestalten.

Auf das Deck klebte ich kleine Kistchen, Taurollen und ein unordentlich herum liegendes Segeltuch oder Zeltbahn. Als Besatzung dienten verschiedene Eisenbahnfiguren im Maßstab 1/160, wiederum die Bilder des Havhingsten im Kopf, gestaltete ich die Figuren wie moderne Skipper auf einer Testfahrt des Oseberg-Nachbaues.

Das kleine Ding hat sehr viel Spaß gemacht, es gibt noch viele Ideen und eine Menge Möglichkeiten was man mit dem Minidrachen noch alles machen kann.

Die szenischen Bilder hat das Atelier Ole Hill angefertigt, die Fotos vom unbemalten Meer stammen vom Autor. Weitere Bilder stammen von Matthias May als ein Experiment zum „photo-stacking“, einer Möglichkeit über Bilderserien auf dem ganzen Objekt die gleiche Tiefenschärfe zu erzielen.

Frank Brüninghaus
Modellbauclub Koblenz