Manchmal erwächst aus der größten Blamage doch noch ein Nutzen – es kann nur etwas länger dauern. Als das ebenso prestigeträchtige wie topplastige 64-Kanonenschiff Vasa am 10. August 1628 auf seiner Jungfernfahrt nach einer knappen Seemeile im Stockholmer Hafen sank, bedeutete das nicht nur einen Verlust an Menschenleben und einen großen materiellen Schaden, sondern auch eine große Peinlichkeit - für Schweden, seinen König, seine damaligen Großmachtambitionen und seine Schiffbaukunst.



Als 333 Jahre später das ausnehmend gut erhaltene Wrack der Vasa gehoben wurde, spielten ihre Konstruktionsfehler keine Rolle mehr; statt dessen stellt sie eine einzigartige Zeitkapsel aus dem 17. Jahrhundert dar, und bleibt das am besten erhaltene Schiff aus jener Periode. Das Schiff, sein Inhalt an Artefakten und menschlichen Überresten, sowie die Funde aus dem Bereich um das Schiff herum wurden aufwendig über viele Jahre hinweg konserviert; 1990 schließlich konnte das Vasa-Museum eröffnet werden, und seitdem ist das Schiff rundum gut zugänglich und sichtbar. 25 Millionen Besucher wurden bislang gezählt, die Vasa ist eine der größten Touristenattraktionen des ganzen Landes.


Das Museum befindet sich auf der Insel Djurgarden und lässt sich gut erreichen – am schönsten vermutlich mit einer der zahlreichen Fähren, aber auch zu Fuß, mit dem Bus oder (eingeschränkt, weil es nur wenige Parkplätze gibt) mit dem Auto. Aus dem Dach des Betonbaus ragen stilisierte Masten, die anzeigen sollen, wie hoch die Takelung der Vasa ursprünglich war. Am Tag meines Besuches machte vor dem Museum gerade der nachgebaute Ostindienfahrer Göteborg fest, der mit einem Fest anlässlich seiner Rückkehr von einer Chinareise begrüßt wurde. Zum Vasamuseum gehören auch mehrere neuere Museumsschiffe; diese waren an jenem Tag leider nicht zugänglich. Es handelt sich um den Eisbrecher Sankt Erik (1915), das Feuerschiff Finngrundet (1903), das Torpedoboot Spica (1966) und das Rettungsboot Bernhard Ingelsson (1944).



Nach dem Eintritt in das schwach beleuchtete Museum blickt man sofort von backbord voraus auf die Vasa. Sie liegt in einem ehemaligen Trockendock und kann auf insgesamt sieben Ebenen aus nahezu allen Perspektiven besichtigt werden. Die rekonstruierten Teile an Rumpf und Takelung lassen sich gut vom originalen Wrackholz unterscheiden. Neben dem Schiff und den Funden aus dem Schiff umfasst die Sammlung auch zahlreiche Schaukästen zur schwedischen Geschichte, um das Schiff in seinen historischen Hintergrund einordnen zu können. Die Ausstellung ist durchgehend zweisprachig Schwedisch und Englisch beschriftet.


Erster Anlaufpunkt ist das sehr schöne und großmaßstäbliche Modell der Vasa, das vor kurzem gemäß neuer Farbanalysen umbemalt wurde und einen guten Eindruck vom verschwenderischen Schmuck eines so prominenten Schiffes bietet. Es gibt in den verschiedenen Abschnitten der Ausstellung ausnehmend viel zu sehen, und für jeden wird die Ausstellung Highlights bereithalten. Ich nenne stellvertretend für viele andere nur das erwähnte Modell und die unheimlich lebensechten Gesichtsrekonstruktionen einiger Opfer des Untergangs nach ihren Skeletten.



Unumstrittener Star der Ausstellung ist natürlich die Vasa selbst; ihre Größe und ihr geschwärztes, gealtertes Holz lassen sie umso beeindruckender wirken. Besonders der Blick die volle Höhe des Achterschiffs hinauf ist atemberaubend. Die schreiend bunte Animation des Heckspiegels, wie sie abwechselnd projiziert wird, ist gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig; umso mehr die am Schiff befestigten bemalten Skulpturen. Das mag daran liegen, dass bei vielen (jedenfalls bei mir) über die langen Jahre seit der Bergung ein gewisser vorbelasteter Eindruck entstanden ist, wie die Vasa auszusehen hat. Dieser wird z.B. auf dem Deckelbild des Airfix-Bausatzes, der übrigens im schönen Museumsladen verkauft wird, deutlich. Und die Ähnlichkeit des Schiffes mit dem Look der Piratenschiffe aus "Fluch der Karibik" hat sicherlich auch Einfluss auf meine Sehgewohnheiten genommen ...






Fazit


Ein Muss für einen Stockholmbesuch, nicht nur für den kleinen Kreis der an Schiffen Interessierten – die Chancen stehen gut, dass auch die sonst unter uns nur zu oft leidende Reisebegleitung den Besuch in diesem Museum zu schätzen weiß.

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Frank Spahr, Juni 2008