Oder: Wieviel Zeit und Geduld benötigt man für den Bau eines besonderen Modells?


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Es ist mittlerweile etwa 30 Jahre her, dass ich mir das Buch "Das Schiff" von Björn Landström gekauft habe. Tagelang bewunderte ich die vielen, bunten, farbigen Abbildungen der Schiffe. Von welchem Vorbild soll ich ein Modell bauen; Great Harry, Galeere La Reale, Royal Prince, Royal Sovereign of the Seas, St. Louis?
Letztendlich fiel meine Wahl auf die Die Flämische Galeone, 1593, die auf den Seiten 124 - 125 abgebildet worden ist. Leider es ist nur eine Seitenansicht; wunderbar bunte, um nicht zu sagen "kitschige" Renaissance-Zierden und -Ranken.
Schon damals hatte ich mich mit dem Bazillus der besonderen und exotischen Schiffe - über die französische Schebecke und die arabische Ghanja - angesteckt. HMS Victory und Golden Hind werden von von fast allen Modellbauern gebaut. Diese Aussage soll keine Abwertung sein! Nur eine Tatsachenfeststellung!
Die Welt ist voll mit mehr als 100.000 schlechter und schlechtester Modelle dieser Vorbilder - meine Anfängermodelle inbegriffen. Warum nicht lieber ein außergewöhnliches Vorbild suchen? Obwohl die französische Schebecke damals, 1972, nur in Ungarn exotisch war, nicht aber in den Länder oder bei der Nationen, die selber auf eine vielhundertjährige Schiffsbau-geschichtliche Tradition zurückblicken können!

Die schöne, bunte Abbildung hat eine Maßstabsleiste, durch die klar wird, dass es sich bei der Galeon um ein ziemlich großes Schiff handelt (Rote Latte: Meter, Schwarze Latte: Fuß) Und ich habe mich wieder angesteckt.
Es gibt ein Originalmodell von 1593 im Museo Naval, Madrid, nach dem auch Herr Landström seine Seitenansicht gezeichnet hat. Leider ist es ein Votivschiff, also nicht maßstabgetreu. Es wurde zum Aufhängen gebaut; das reale Schiff wäre viel zu schmal, die Seiten und die Bemastung sind viel zu hoch. Ich habe damals dem Museum geschrieben. Sie haben mir zwei Fotos geschickt und die Geschichte des Modells, aber sie hatten keine Risse. Nach mehrmonatigem Briefwechsel mit anderen Museen war klar: es gibt keine Risse.


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Auf beiden Bildern ist gut zu sehen, dass die Proportionen des Modells nicht stimmen (siehe hierzu auch Teil 2: Das Vorbild).
Nachdem ich damals schon zwei Golden Hind, eine Mayflower sowie eine Revenge und eine halbfertige französische Schebecke - abgesehen von vielen Kunststoffmodellen - gebaut hatte, fühlte ich mich gut genug, als "Experte" für Galeonen. Wenn es anders nicht geht, dann rekonstruiere ich das Schiff einfach.
Ach, "blauäugige" Selbstsicherheit, um nicht zu sagen, jugendliche Einbildung, hier, her mit dem Löwen, aber sofort! Na ja, zum damaligen Zeitpunkt hatte ich schon eine ungarische Galeere von der Donau, aus der Zeit König Àrpáds, rekonstruiert. Die Risse habe ich einem Museum für 15000 Ft. verkauft, als mein Monatsgehalt ung. 5000 Ft. war.

Die Rekonstruktion


Zuerst habe ich das Bild aus dem Landström-Buch auf 1 : 50 vergrößert. Gezeichnet habe ich auf einem Zeichenbrett mit Zirkel und Lineal; die Berechnungen erfolgten mit dem Rechenschieber - Rechenmaschinen und Kopiergeräte gab es noch nicht. Die erste Zeichnung habe ich noch ohne Zierraten und Ranken erstellt.
Wie weiter? Was ist mit den Spantenrissen? Einfach!?
Ich habe die Risse der Revenge von Hoeckel genommen, deren Seitenansicht habe ich bei dem Hauptspant geschnitten, da die Ansicht der Revenge kürzer war, als die der Flämischen Galeone. Den vorderen Teil der - in zwei Hälften geschnittenen - Seitenansicht habe ich bei dem Vorsteven, den hinteren Teil bei dem Hintersteven auf die Seitenansicht der Flämischen Galeone angepasst aufgelegt. So hatte ich die Spanteneinteilung und die Spanten. Die fehlende mittlere Spanten habe ich nach "Gefühl" gezeichnet - PI x Daumen.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden ich dafür gebraucht habe.
Dann kam die erste bittere Enttäuschung! Die Spanten der Revenge von Hoeckel sind viel zu schmal, besser gesagt, nach oben sind sie nicht genügend eingezogen. Auf der Originalzeichnung von M. Baker befinden sich ähnliche "schmale" Spanten, aber dem widerspricht das Manuskript - "Abhandlung vom Schiffsbau 1620" - bei dem die oberen Teile der Spanten ziemlich weit eingezogen sind.
Wie sich später herausgestellt hat, sind auf der Seitenansicht des Buches von Landström die Raumtiefe und damit auch die Tiefgang zu gering ausgefallen. Das sollte auch korrigiert werden. Einige hundert Stunden im Eimer.
Ich hatte meine Lust dazu für gut zwei Jahren verloren. Nach Anschaffung vieler neuer Bücher und Zeichnungen: Der zweite Anlauf. Nach dem Neuzeichnen von ungefähr zehn Spanten: auch nicht gut! Glücklicherweise waren "nur" etwa 100 Stunden umsonst. Dann kam wieder eine lange - lange Pause.
Als ich schon seit vier Jahren in Deutschland lebte, ist mir zufällig das Buch von P. Kirsch "Die Galeonen" in die Hände gefallen. Mit großer Begeisterung habe ich gleich das oben abgebildete 3D-Bild gemalt (70 x 50 cm).
Auf zum dritten Anlauf - endlich ist die Rekonstruktion gelungen. Sie dauerte etwa drei Jahre. Spanteneinteilung, Spantenkonstruktion, Mallung, Senten usw., die Raumtiefe war größer zu nehmen, und viele - viele Berechnungen und Konstruktionen nach der Abhandlung.


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Hauptspantkonstruktion


Spantenriss, Seitenansicht mit den Zierraten, Längsschnitt mit den Einrichtungen, viele Draufsichten, viele Querschnitte, Bemastung, Besegelung, Takelage, 24 Risse in 1 : 50.
Mit den Details will ich Euch nicht langweilen; desto weniger, weil die eigentliche Rekonstruktion eines Rumpfes Klaus Deisenberger in seinem Artikel zur Golden Hind sehr detailreich erklärt und mit guten Zeichnungen illustriert hat. Ähnlich habe ich meine flämische Galeone rekonstruiert.
Mich stört ein bisschen, dass er überall die englischen Ausdrücke benutzt, obwohl sich in der Übersetzung von Herrn Kirsch gleich die entsprechenden deutschen Wörter befinden. Na ja, für einen Laien kann der Ausdruck "Hight of Breadth Line" oder "Upper Rising Line" genauso viel oder wenig bedeuten wie "Herzsente" - nur dass letzterer viel kürzer ist.


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Letztendlich bin ich nach vielen, vielen Jahren Arbeit und Forschung 1997 mit den Rissen fertig geworden. Nach weiteren zwei Jahren bin ich 1999 mit der Reinzeichnung der Risse fertig geworden.
Danach habe ich zur Kontrolle meiner Spantenrisse ein kleines Testmodell (Volumenmodell) in 1 : 100 gebaut. Zu meiner großen Zufriedenheit sind alle Planken wunderbar "gelaufen", d.h. die Wölbung der Planken war nirgendwo "eingefallen" oder bucklig. Ich brauchte die Spantenrisse nirgendwo auszubessern.


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Was einerseits beweist, dass die aus dem Jahre 1620 stammende Konstruktionsmethode wirklich gut ist. (Obwohl sie auf den ersten Anblick ein bisschen kompliziert erscheint. Wohl wahr, wenn jemand mit der Mathematik und Geometrie auf Kriegsfuß steht - mit 3. und 4. Potenz sowie Wurzel, auch mit Trigonometrie muss man rechnen - , der tut gut daran, wenn er sie nicht ausprobiert - jedenfalls wenn er sich keine große Frustrationen einhandeln will. Geschweige den, dass dem Autor der "Abhandlung ...." hier und da bei den Berechnungen einige Fehler unterlaufen sind, was mir etliche Stunden Kopfzerbrechen gekostet hat.) Anderseits, dass meine Berechnungen sowie Konstruktionen gut gelungen sind.
Mitte 2004 habe ich angefangen das große Modell in 1 : 50 zu bauen. Zur Zeit bin ich bei 2300 Stunden angelangt ( 30.11.2007 ). Nach vorsichtiger Schätzung denke ich, dass das komplett Modell 3000 - 3200 Stunden kosten wird.


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