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Hangardeck


Normalerweise bin ich kein Fan der britischen Pop-Gruppe „Take That“. Und es ist mir auch gleichgültig, ob Robbie Williams bei denen demnächst wieder mitsingen wird. Doch mit „Patience“ haben diese Briten ganz eindeutig die Modellbau-Hymne schlechthin auf den Markt gebracht. Warum? Na ja, bei der Konstruktion der Seitengalerien eines US-Landungsschiffs geht einem die Zeile „have a little patience“ schon häufiger durch den Kopf wie auch „cause I need time“. Doch der Reihe nach.
Zunächst gilt es, einen Verzicht einzuräumen. Ursprünglich hatte ich vor, das Flugdeck meiner „Saipan“ abnehmbar zu gestalten und auch das darunter liegende Hangardeck sollte herausnehmbar sein, um das wiederum darunter liegende Schwimmdock auch von oben durch eine transparente Deckenplatte sichtbar zu machen. Die hätte aber bei der filigranen Struktur der Seitengalerien zu viele Kompromisse erfordert und das Risiko von Beschädigungen wäre sehr hoch gewesen. Und wie oft würde das Deck schon abgenommen??
Also – direkter Aufbau des Hangars auf dem Schwimmdock. Dabei wurden die Seitenwände und der Boden aus Styrene-Platten der Stärke 1mm aufgebaut und wie schon im Schwimmdock mit Leitungen, Türen, Feuerlöschstationen, Galerien, Materialregalen und Rolltoren detailliert. Dafür verwendete ich unterschiedliche Profile: 0,5 und 0,75 mm Rundstäbe sowie Türen und Feuerlöscher von GMM. Die Tore zu den Fahrstuhlöffnungen wurden aus Styrene-Strukturplatten mit Stärke 1,5 mm geschnitten. Der achtere Fahrstuhlschacht sowie das Tor an Backbord wurden entsprechend detailliert.
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Als Referenz für das Hangardeck wählte ich Fotos, die Charles Landrum gemacht hat, als er auf der USS Saipan Dienst tat. Sie sind in einer ausgezeichneten Sammlung auf www.steelnavy.com zu finden. Diese Bilder gehören zu den raren Aufnahmen vom Inneren eines Hangars dieser Schiffe. Zusammen mit dem Hangar-Grundriss, den ich in meinen Planunterlagen habe, ergaben sie eine ausreichende Grundlage.
Die Farbgebung orientiert sich an den Standards: Flightdeck grey für den Hangarboden und ein gebrochenes Weiß für die Wände. Ich verwendete White Ensign Colorcoats für den Boden und Modelmaster Mattweiß, mit etwas Schwarz abgetönt, für die Seitenwände.
Weitere Detaillierung erreichte ich durch die Positionsschilder für die einzelnen Einheiten der Sprinkler-Anlage, die ich auf dem PC mit Hilfe eines Grafikprogramms erstellte und ausdruckte. Der Boden des Hangardecks wurde mit der Markierung der Munitionsaufzüge und von Elektro-Entnahmepunkten weiter detailliert. Die Position entnahm ich dem Grundriss, die Markierungen selbst stammen vom GMM-Abziehbilderbogen für 1:350 Superträger.
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An dieser Stelle ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum ewigen Thema Tie-down-Punkte. Diese Zurrpunkte für die Flugzeuge und Hubschrauber gelten ja üblicherweise als die ultimative Detaillierung eines Trägerdecks. Sind sie auch – in den Maßstäben 1:32, 1:48 oder 1:72. Aber nicht in 1:350 oder gar in 1:700. Tie-down-Punkte haben höchstens den Durchmesser einer Fußlänge. Das wäre bei 35 Zentimetern Länge im Original gerade mal ein Millimeter im Maßstab 1:350 und nur ein halber Millimeter Durchmesser in 1:700. Die Zurrpunkte schließen obendrein flach mit dem Deck ab, damit die wertvollen Fluggeräte nicht über das Deck hoppeln müssen wie über eine Maulwurfwiese und ihre Elektronik kaputt rütteln. Also bitte, wenn schon Tie-down-Punkte, dann allenfalls als Abziehbilder, aber nicht als Löcher im Deck, wie sie unsere ostasiatischen Hersteller anbieten. Für deren Kartoffeläcker gilt: Zuspachteln und plan schleifen. Sorry, Trumpeter und Dragon, aber so ist es nun einmal. Ich verzichte auf Tie-downs, sie sind eh in Deckfarbe gestrichen und fallen nicht ins Auge.sa04
Wie schon das Schwimmdock sollte auch der Hangar „belebt“ werden. Ich entschied mich für zwei Reparaturteams, die jeweils an einer CH-53 „Super Stallion“ und an einem „Cobra“ Kampfhubschrauber herumschrauben. Ergänzend sollten Gabelstapler und diverses Zuggerät den Hangar beleben, sowie einige Preisser-Figuren als Mannschaften. Ich verzichtete darauf, weitere Hubschrauber im Hangar einzustellen, denn zum einen gibt es durch die beiden Fahrstuhl-Öffnungen auch mit Hilfe einer Lampe nur begrenzte Sicht auf das Innenleben. Zum anderen ist bei den Ladungsschiffen das Flugdeck die wesentliche Abstellfläche für Hubschrauber und Harrier-Jets. Die „Stallion“ stammt aus dem Programm von White Ensign, die „Cobra“ ist von Commander models. Beide Modelle werden mit fotogeätzten Rotoren und Details geliefert. Die „Cobras“ müssen allerdings noch nachgespachtelt und überarbeitet werden. Bei der „Stallion“ ergänzte ich Seitentanks aus Rundstäben und eine Betankungssonde an der Hubi-Nase. Sie wurden mit Modelmaster Light ghost grey, dass ich 1:1 mit Weiß aufgehellt habe, lackiert und von oben mit derselben Farbe, allerdings ohne Aufhellung. Die Abziehbilder stammen von dem ausgezeichneten Commander-Bogen „US Marine Helicopters“. Beide Hubschrauber positionierte ich so, dass sie wie bei einer Theaterkulisse durch die Hangartore besonders gut zu sehen sind.sa05sa06sa07sa08
Abschließend bekam der Hangar eine Decke aus einer 1mm Styrene-Platte, die mit 1,5x1mm Profilen detailliert und hellgrau lackiert wurde.
Danach verabschiedete ich mit endgültig von den Innenansichten eines Landungsschiffs und klebte das Flugdeck auf, das eine Stärke von 2mm hat und damit der gesamten Rumpfstruktur weitere Stabilität gegen Verwindung bringt.

Seitengalerien


Die Landungsschiffe der Tarawa-Klasse und auch ihre Nachfolger, die Wasp-Klasse, fallen optisch besonders durch die Galerien auf, die an beiden Seiten unter dem Flugdeck entlang führen. Diese Laufgänge ermöglichen einerseits, schnell von vorn nach achtern – oder umgekehrt - zu kommen, ohne über das gefährliche und belebte Flugdeck zu tapern oder sich durch den Schiffskörper mit seinen zahlreichen Funktionsräumen wühlen zu müssen. Zum anderen sind sie die Aufhängungspunkte für die eigentlichen Servicegänge (catwalks), die entlang des Flugdecks führen und die Tankstationen sowie Feuerlösch- und weitere Service-Stationen bereit halten.
Und sie sind die aufwendigste Baustufe beim Modell.
In 1:700 werden die Galerien durch Fotoätzteile von GMM dargestellt, auch schon eine echte Fummelarbeit. Bei einem Scratchbau in 1:350 muss jede Stütze und jeder Unterzug aus Styrene-Profilen geschnitten werden – rund 120 Streben pro Seite und ebenso viele Unterzüge. Später folgt in etwa noch einmal die gleiche Anzahl für die Catwalks samt Unterzügen und Verstrebungen. Galerieboden und Catwalks selbst hinzugerechnet kommen rund 1000 Teile und Teilchen zusammen.
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Einen Kompromiss habe ich geschlossen: Im Original werden die einzelnen Galeriestreben von Relingszügen verbunden, die zwischen den Streben sitzen. Ich entschied mich, die Galeriestreben beim Modell auf die Relingsstützen zu kleben, die Reling läuft also dahinter, ein Unterschied von 0,25 mm, der die Puristen stören mag, mir aber einen großen Vorteil verschafft: Ich kann die Galeriestreben ausrichten.
Nach einigem Probieren und heftigem Fluchen schälte sich folgende Verfahrensweise heraus:
Zunächst wurde ein Stück Galerieboden aus 0,5 mm Styrene-Platte passend geschnitten. Die Stücke sind zwischen zehn und 15 Zentimeter lang. Dann wurde die Reling - in diesem Fall White Ensign Fotoätzteile aus dem 1:350 Enterprise-Satz – rechtwinklig auf den Boden geklebt, kleine Stücke, nie größer als sechs Felder. Abstand zur Außenkante des Bodenstücks ist 0,5 mm. Anschließend wurden die Streben aus 0,5 mm Rundstab mit Relingsstützen und Boden verleimt. Die Streben habe ich vorher geschnitten und etwas länger gelassen. Auf die richtige Länge wurden sie gestutzt mit Hilfe eines Styrene-Streifens, den ich dann als Schablone auflegte. Das fertige Galeriestück wurde dann unter den Überhang des Flugdecks geklebt.
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Danach wurden die Unterzüge aus 0,5 mm Profilleisten im Abstand der Galeriestützen aufgeleimt. Den sauberen Abschluss bilden Leisten in 0,25 mm Stärke, die am oberen und unteren Rand der Galerien entlang laufen.
Unter dem Strich habe ich für die Galerien beinahe sechs Wochen gebraucht, ich habe allerdings zwischendurch Pausen gemacht, denn diese Arbeit kann man unmöglich an einem Stück durchziehen.
Im nächsten Abschnitt wird der Rumpf fertig detailliert und dann das gesamte Schiff lackiert und gealtert, bevor als Schlussarbeit die Catwalks angebracht werden. Schaun mer mal......
Frank Ilse