Titel

Modell: Medieval Cargo Ship/Knarr
Hersteller: Valdemar Miniatures/Medievalmodelships
Maßstab: 1/72
Material: Nylon Kunststoff
Preis: 61 €

Das Original

Die Überschrift "Das Original" ist an sich schon nicht korrekt, da dieser Schiffstyp der Knarr, Knorr oder auch Knorre genannt wird, keine standardisierte Konstruktion mit fixen Massen darstellt. Archäologische Funde belegen unterschiedlich große Knarr-Schiffe, die aber viele gemeinsame Charakteristika aufweisen. Nach allgemeiner Auffassung waren Knarr-Schiffe das Handelsschiff-Pendant zum kriegerischen Langschiff.

Die Knarr war robuster, hochwandiger, kürzer und völliger als das Langschiff. Um viel Fracht mitnehmen zu können hatten diese Schiffe auch einen größeren Tiefgang. Rekonstruktionen zeigen stark zurück gebogene Steven und wegen der rundlichen Bug und Heckpartien spricht man auch von "knarrbusig". Frachtmengen mit bis zu 40 Tonnen Gewicht konnten mit einer großen Knarr, wie der in Haithabu gefundenen (Haithabu III), transportiert werden. Die Knarr wurde generell gesegelt und wohl nur beim Aus- und Einlaufen mit wenigen Riemen gerudert. Für die räumliche Expansion der sog. Wikinger und den nordischen Seehandel des 9. Jahrhunderts hatte sie wohl die gleiche Bedeutung wie später die Kogge im Hochmittelalter.

Der Bausatz

Das Modell besteht aus vier (Bau)teilen. Dem Schiffskörper, einem Mast, einer Rah mit einem locker gepackten Segel, sowie einem Seitenruder. Es ist als Wasserlinienmodell ausgeführt. Wie schon von Wolfgang bei der Vorstellung des "Medieval Riverboat" beschrieben, sind die Modelle von medievalmodelships 3-D gedruckt. Der Nylonkunststoff besitzt eine gewisse Flexibilität, was sich besonders bei den dünnen Teilen negativ auswirkt. Doch dazu später mehr. Die Oberflächen weisen eine ziemlich "sandige" Struktur und auch eine gewisse, produktionsbedingte Rasterung auf.

Der Rumpf

Der Rumpf entspricht in seiner Form nicht der allgemeinen Vorstellung einer Knarr. Weder sind die Steven rund, noch nach innen gezogen. Von "knarrbusig" kann auch keine Rede sein, da Bug und Heck spitz zulaufen. Bedingt durch die Konstruktion als Wasserlinienmodell ist der mittschiffs angeordnete Frachtraum nicht tief genug. Das rudimentäre Kielschwein hat kaum Ähnlichkeit mit den gefundenen Vorbildern. Es ist eckig anstatt gerundet. Die beiden Halbdecks fallen merkwürdigerweise zu den Steven hin schräg nach unten ab. Die dargestellte Klinkerbeplankung entspricht ebenfalls nicht der Art, in der nordische Schiffe beplankt waren. Sie verlaufen von Bug zu Heck absolut parallel, ohne jede Verjüngung zu den Steven bzw. ohne sich auf zu schwingen. Querversteifungen des Rumpfes im oberen Bereich der Beplankung, wie sie bei auf Funden basierenden Rekonstruktionen zu finden sind, sucht man vergebens. Für die Montage des Ruders ist einer kleiner Klipp vorgesehen. Der weiter unten am Außenrumpf zu suchende, gerundete Block an dem das Ruder befestigt wurde, fehlt komplett. Der Rumpf ist laut Hersteller 22,418 cm lang, 8,78 cm breit und an den Steven gemessen 3,418 cm hoch und entspricht somit einer 16 m Knarr, was einer mittleren Größe gleichkommt.

Ruder, Mast und Rah

Das Ruder ist ein Ruder dem der Unterwasserteil fehlt. Fertig! Der Mast ist aufgrund seines geringen Durchmesser das Bauteil, bei dem sich die Flexibilität des Nylon-Kunststoffs am negativsten auswirkt. Er ist sehr leicht zu verbiegen, was beim Takeln ein Problem geben dürfte. Die notwendige Verdickung unterhalb der Mastspitze, über die man die Wanten und das Stag "warf" und durch die man auch das Tau zum Hissen der Rah führte, fehlt komplett. Zur Befestigung der Rah weist der Mast drei unterschiedlich hoch angeordnete Vertiefungen auf: voll gehisst, halb abgesenkt und fast ganz abgesenkt. Die Rah mit dem locker und dabei sehr eintönig gepackten Segel ist recht kurz ausgefallen. An diesem Bauteil bekommt man wegen der Falten des Segels die größten Probleme, wenn man die sandige Oberflächenstruktur entfernen möchte. Also am besten gleich neu bauen. Übrigens: einen Takelplan oder so etwas ähnliches gibt es ebenso wenig, wie die dafür notwendigen Kleinteile wie Blöcke etc. !

Verpackung

Eine Schachtel gibt es scheinbar nicht. Die Teile kamen in einer verschweissten Plastiktüte mit einem Label/Barcode-Aufkleber.

Fazit

Ich weiss nicht so recht, was ich von diesem Modell halten soll. Welche Zielgruppe soll dieses Modell eigentlich kaufen? Vermutlich eher die table-top "Schlachtenlenker" als historisch interessierte Modellbauer. Ich sehe sehr wohl die Möglichkeiten, die in der 3-D Drucktechnik stecken, aber hier hat der Hersteller diese nicht mal annähernd ausgeschöpft, was wirklich schade ist! Das dem Druck vorausgehende CA-Design ist in diesem Fall mangelhaft! Etwas mehr Recherche und Grundwissen über diese Art Schiff bzw. den Holzschiffbau dieser Epoche generell, hätte zwangsläufig zu einem besseren Endergebnis geführt, denn der Drucker macht ja nur was man ihm "sagt". So musste der Drucker etwas drucken, was eher Spielzeug-Charakter und kaum historischen Anspruch hat. Da es in diesem Sortiment auch noch ein anderes Modell, mit der Bezeichnung "Medieval Russian Ship" gibt, das im Kern diesem Modell hier entspricht, unterstreicht dies noch die Beliebigkeit der Konstruktion. Unterm Strich erhält man ein Modell, das noch einiges an Eigenleistung erfordert um wenigstens etwas korrekter auszusehen. Mast, Rah und Segel sollten besser gleich selbst gebaut werden. Da das ganze dann leider auch noch 61,- Euro kosten soll, ist es in meinen Augen nur eingeschränkt empfehlenswert.

alt brauchbar

Olaf

Wir danken Valdemar Miniatures/Medievalmodelships für das Bausatzmuster