Das Original
Die RICHELIEU hat weder an einer der großen Seeschlachten des zweiten Weltkriegs teilgenommen, noch durch sonstige, spektakuläre Einsätze Berühmtheit erlangt. Ihre Karriere verlief verhältnismäßig ruhig aber dennoch ungewöhnlich. Die vier Schiffe der RICHELIEU-Klasse wurden 1935 als Antwort auf die italienischen LITTORIOS genehmigt. Die Besonderheit ihres Entwurfes lag in der Zentrierung der Hauptartillerie in zwei Vierlingstürmen auf dem Vorschiff. Beim Ausbruch des zweiten Weltkrieges waren nur die RICHELIEU und Jean Bart schwimmfähig, die CLEMENCEAU nicht mehr als ein Torso und die GASCOGNE noch nicht einmal auf Kiel gelegt.
Kurz vor der Eroberung Brests durch die Deutsche Wehrmacht floh die RICHELIEU, nur unzureichend ausgerüstet und teilweise bewaffnet nach Dakar (im heutigen Senegal) an der westafrikanischen Küste. Bei alliierten Angriffen, die die Vernichtung der französischen Flotte zum Ziel hatten (um deren Einsatz auf deutscher Seite zu verhindern) wurde auch die RICHELIEU mehrfach beschädigt. Am 08. Juli 1940 erhielt sie einen Torpedotreffer beim Angriff britischer Trägerflugzeuge der HMS HERMES, gut zwei Monate später wurde sie von einigen Geschossen britischer Schiffe getroffen, die aber keine irreparablen Schäden verursachten. Sie selbst erzielte auf der HMS BARHAM einen Treffer. Während dieser Angriffe ereigneten sich im zweiten 38´er Turm zwei Explosionen und die RICHELIEU verfügte nur noch über drei (von acht) einsatzbereite Rohre. Die Alliierten brachen die Angriffe ab und die RICHELIEU schien in Vergessenheit zu geraten. 1943 setzten sich die auf alliierter Seite kämpfenden Freifranzösischen Truppen zusammen mit amerikanischen Einheiten in Westafrika fest. Die Besatzung der RICHELIEU schloss sich ihnen an und überquerte den Atlantik Richtung New York zur Ausbesserung der Schäden und endgültigen Ausrüstung und Bewaffnung. Dort erhielt sie auch ihren (im Bausatz dargestellten) Tarnanstrich. Ab Ende 1943 der britischen „Homefleet“ unterstellt nahm sie im Februar ´44 an einer Küstenbeschießung in Norwegen teil, bevor sie in den indischen Ozean befohlen wurde. Erst nach dem Krieg kehrte sie nach Frankreich zurück und wurde 1968 abgewrackt.
Vorbemerkungen
In den letzten Jahren überschlugen sich die bekannten Hersteller mit einer wahren Flut an ausgezeichneten Schiffsbausätzen in 1:350. Ob japanische Kreuzer, amerikanische Flugzeugträger, englische Schlachtschiffe und natürlich auch unsere guten alten deutschen Schlachtrösser – für jeden Schiffsbauer war was dabei. Fast für jeden. Die französische Marine blieb außen vor. Fast schien es, als ob mit dem Beinahe-Ende der Firma Heller auch die französische Modell-Flotte untergegangen wäre. Doch jetzt füllt Trumpeter aus China mit ihrer RICHELIEU im Maßstab 1:350 diese Lücke.
Der Bausatz
Noch bevor ich den Bausatz der RICHELIEU in Händen halten konnte, hagelte es im Internet schon reihenweise Kritik; vor allem aus Frankreich. Es war von gravierenden Fehlern die Rede und am Bausatz wurde kein gutes Haar gelassen. Meine Vorfreude erhielt einen merklichen Dämpfer und ich sah meine RICHELIEU schon als eines dieser großartigen Bauprojekte, das neben unzähligen anderen, ebenso großartigen Bauprojekten ungeöffnet im Regal verstauben würde. Und tatsächlich schien schon der erste Blick alle Befürchtungen zu bestätigen. Sowohl das Deckelbild, als auch die inliegende Farbtafel zeigten ein völlig falsches Tarnschema des Schiffes. Während die Backbordseite gerade noch so als grobe Vereinfachung hätte durchgehen können, entsprach die Steuerbordseite keinesfalls dem Original - und das, obwohl sogar das Deckelbild von Trumpeters eigener RICHELIEU in 1:700 das richtige Tarnschema zeigt! Der Rumpf bestand aus einem einzigen großen Teil, ganz ohne stabilisierende Streben und ohne Option ein Wasserlinienmodell zu bauen. Für Trumpeter eigentlich ein Rückschritt, denn z.B. bei deren HMS HOOD wie auch den Liberty-Schiffen gab es diese Möglichkeit. Wenig Arbeit bot sich auch für Nietenzähler. Der Rumpf ist abgesehen von den Ankerklüsen und den vielen - nebenbei gesagt: zu vielen- Luken unstrukturiert und glatt.
Dem zum Trotz entsprachen Passgenauigkeit und Gussqualität des Modells durchaus dem heutigen Stand und es fanden sich kaum Sinkstellen oder Fischhäute. Aber auch ein passgenauer Fehler bleibt ein Fehler. Dazu kam, dass viele Formen für diesen Maßstab stark vereinfacht waren und die Detailfülle verhältnismäßig mager ausfiel, was besonders deutlich bei den 4 cm Flak-Geschützen zu sehen war -dazu aber später. Meine Befürchtungen schienen sich also zu bestätigen, die vielen Kritiker Recht zu behalten und die RICHELIEU dem Modellfriedhof ganz hinten im Regal immer näher zu kommen. Ihre Rettung kam ausgerechnet aus Frankreich, in Form eines Zurüstsatzes von L´Arsenal. Aber auch dieser wurde schon mit dem Hinweis angekündigt, nicht alle Fehler des Bausatzes korrigieren zu können, zumindest aber eine etwas realistischere Darstellung zu ermöglichen. Neben den Standards, wie Relings und Leitern beinhaltet der Satz die komplette 4 cm Bofors Vierlingsflak und die 2 cm Flak aus Resin- und Fotoätzteilen. Ebenso die Rettungsflöße, Bootskräne, Antennen und Halterungsringe für die 4 cm Geschosse.
Die ersten Schritte
Wie üblich bildete der Rumpf den Anfang. Um die RICHELIEU als Wasserlinienmodell zu bauen blieb mir nur, den einteiligen Rumpf zu zersägen. Das stabilisierende Unterwasserschiff einfach abzutrennen hätte aber einen wabbeligen, ovalen Ring hinterlassen. Als Lösung bot sich das Einkleben der Decksplatten von Heck und Bug an, wobei ich besonders mit dem Bugsegment meinen Spaß haben sollte. Die RICHELIEU hatte ihre drei Ankerketten auf dem Vorschiff liegen. Die Steuerbord- und die mittlere Kette liefen an zwei nebeneinander liegende Spills auf der rechten Seite zusammen. Die Backbordkette an ein abgesetztes Spill über der linken Bordwand. Beim Trumpeter-Modell war das genau andersrum. Ein Fehler, der zwar mit etwas Arbeit behoben werden konnte, aber meiner Meinung nach im Internet-Zeitalter, mit all den offen zugänglichen Vorlagen zum Original bei keinem namhaften Hersteller vorkommen dürfte. Zuerst schabte ich die angegossenen Ketten vom Deck, danach trennte ich die Spills mit einer fotogeätzten Säge ab und verschliff das Vordeck. Anschließend ersetzte ich die zerstörten Sockel aus Plastiksheet und klebte sie in richtiger Position aufs Deck. Alles in Allem kein großes Problem; einfach nur ärgerlich, weil überflüssig.
Nachdem dann endlich die beiden stabilisierenden Deckplatten am Rumpf verklebt waren konnte ich das Unterwasserschiff absägen. Als nächstes waren die Brücke und der Schornstein mit seinen Anbauten an der Reihe. Die Bauanleitung war hier sehr übersichtlich und führte mich logisch Schritt für Schritt zum Ziel. Ein weiterer kleinerer Makel, der mir hierbei auffiel waren einige, an sichtbaren Stellen liegende Auswurfmarken. Doch auch diese stellten kein unüberwindliches Hindernis dar. Nicht von einem Fehler, mehr von einem Fehlen, quasi einem kompletten Nicht-Vorhandensein konnte man bei allen optischen Geräten der Brücke sprechen. Obwohl auf der obersten Plattform halbrunde Sockel zu erkennen waren hatte Trumpeter „vergessen“ die passenden Ferngläser, Richtgeräte oder einen Kompass mit in den Bausatz zu legen. Um der RICHELIEU einen „Blindflug“ zu ersparen bestückte ich in deutscher Handarbeit das chinesische Modell eines französischen Schlachtschiffes, das in den USA umgebaut wurde und unter britischem Kommando fuhr, mit japanischen Instrumenten aus der Krabbelkiste „made in Italy“.
Der Ätzteilsatz und die Geschütze
Jetzt war es Zeit, den Ätzteilsatz von L´Arsenal ins Spiel zu bringen. Den größten Brocken bildeten die Flakgeschütze. Die 4 cm Vierlingsflak bestand aus je einem Sockel aus Resin, sieben geätzten Kleinteilen und zwei Doppelrohren, ebenfalls aus Resin. Diese Kleinbausätze stellten eine wesentliche Verbesserung zum groben zweiteiligen Geschützklotz des eigentlichen Bausatzes dar. Ähnlich verhielt es sich mit der 2 cm Flak und den Rettungsflößen. Um einiges filigraner ließen sich auch, die beiden Bootskräne, die Bootsaufleger der oberen Boote und Radar-Antennen des Hauptmastes mit L´Arsenals Ätzteilen darstellen. Gerne trennte ich für letztere den unstrukturierten Klotz Plastikantenne des Bausatzes ab.
Eine erfreuliche Zugabe von L’Arsenal sind weitere Antennen, die die RICHELIEU erst in einem späteren Ausrüstungszustand (nach dem zweiten Weltkrieg) trug. Aber auch dieser Ätzteilsatz zeigte einige kleinere Tücken. Das Metall war relativ starr und beim Biegen ein wenig widerspenstig. Etwas Arbeit verursachten auch die Halterungen für die 4 cm Geschütze. Da diese Ringe einen minimal zu großen Durchmesser hatten musste ich sie erst kürzen, um sie in die runden Schutzschilde der Flakstände einpassen zu können. Die Reling für das Vordeck war zwar etwas kürzer als das Deck selber, konnte aber leicht durch andere geätzte Segmente aus dem Satz ergänzt werden. Die beiliegende Reling reichte leicht für sämtliche Aufbauten und Decks der RICHELIEU. Bei L´Arsenals Zurüstsatz handelt es sich eigentlich „nur“ um einen Basissatz, trotzdem ist er der Held des gesamten Projektes. Seit Langem habe ich kein Modell mehr gebaut, das ein „Upgrade“ mit Ätzteilen so nötig hatte, wie Trumpeters RICHELIEU. Für die Geschütztürme der 38’er Hauptartillerie und die 15,2 cm Seitengeschütze bestellte ich mir bei BMK die passenden Rohre, wobei ich für das feuernde Geschütz eine durchbohrte Sonderanfertigung brauchte.
Bemalung und Diorama
Die RICHELIEU gewann langsam an Form. Was noch fehlte war die Farbe. Wie bereits erwähnt ist das im Bausatz wiedergegebene Tarnschema einfach nur unbrauchbar. Das tatsächliche Muster habe ich mir mit Bildern aus dem Internet und einigen Büchern zusammengesucht. Das Tarnmuster erhielt sie bei ihrer Ausrüstung 1943 in den USA, wurde aber schon wieder 1944, als sie in den indischen Ozean verlegte, einheitlich grau übermalt. Um sie in meinem Diorama „bunt“ darstellen zu können suchte ich mir mit der Küstenbeschießung des besetzten Norwegens eine der wenigen Einsätze aus dieser kurzen und ansonst ruhigen Zeit aus.
Premiere –und Herausforderung- für mich dabei bildete vor allem die Darstellung eines feuernden Schiffsgeschützes. Dass der Rauch rundherum aus in verschiedenen Graustufen gefärbter Watte bestehen würde war mir ziemlich schnell klar; für den Feuerball brauchte ich ein paar mehr Versuche. Schließlich steckte ich verschiedene „Kügelchen“ getrockneten Bauschaums auf ein Stück Stahldraht. Die Zwischenräume füllte ich mit Acrylgel. Abgetrocknet erhielt das Ganze seine knall-gelbe Farbe und noch mal einen Überzug Acrylgel zur „Abrundung“ des Feuerballs. Die einzelnen Wattefransen klebte ich ebenfalls mit Acrylgel an der gelben Keule fest. Diese wiederum konnte ich mit dem stabilen Stahldraht durch das durchbohrte Geschützrohr weit in den Turm hineinstecken, ein wenig ausrichten und dann mit Sekundenkleber fixieren. Der Draht war so stabil, bzw. das Gewicht des Bauschaums derart gering, dass ich keine weiteren Stützen benötigte. Rund um die dunkle Wattewolke arrangierte ich noch hellerer Wattestücke als Wasserdampf, bzw. Rauch vorheriger Salven. Zum Schluss erhielt die RICHELIEU noch ihre Besatzung; und fertig war das ungeliebte Modell, aus dem dann doch noch ein „kleiner“, 75cm langer Hingucker geworden ist.
Fazit
Der Bausatz ist sicherlich nicht das Glanzlicht im Trumpeter Sortiment. Einige Fehler sind mit Mehrarbeit und L´Arsenals Zurüstsatz zu korrigieren, andere muss man einfach ignorieren. Ob Zeitdruck, fehlende Vorplanung und Recherche oder sogar Schlamperei im Hause Trumpeter zu diesen Mängeln führte kann ich nicht sagen. Aber es ist schade; denn das ganze Modell wirk wie ein liebloser, hurtig auf den Markt geworfener Schnellschuss. Alles in Allem kann ich den Bausatz ohne Zurüstsatz nur bedingt empfehlen. Aus der Schachtel gebaut gibt es eher ein leicht zu bauendes Einsteigermodell. Trotzdem: Mit dem nötigen Aufwand lässt sich doch ein nettes Modell bauen, das nicht zuletzt durch seine Größe beeindruckt. Außerdem ist es momentan das einzige Modell eines französischen Schlachtschiffes dieser Ära in 1:350. Und mit meinem „großen Knall“ (oh, wie zweideutig...) habe ich versucht, von so manchem Fehler abzulenken.
Wolfgang Kring