Seit dem ersten Überfall auf das britisches Kloster Lindisfarne im Jahr 793 verbreiteten die Wikinger über Generationen Angst und Schrecken an den Küsten Europas. Der Bau eines ihrer Drachenschiffe wurde nun im fernen Bayern zum Projekt für zwei Generationen.
Das Wikingerschiff „Gokstad“ von Emhar kam schon vor einigen Jahren auf den Markt, nachdem es bereits seit mehreren Jahren angekündigt lange auf sich warten lassen hatte. Dementsprechend groß war auch meine Vorfreude und dementsprechend groß dann auch meine Enttäuschung, als ich das Modell in den Händen hielt. Die Kanten waren rund und weich, ähnlich warmer Butter; am ehesten vergleichbar mit alten Bausätzen aus den 50’ern und 60’ern; reihenweise Sinkstellen anstelle von Holzmaserung, lediglich die wie verschmolzene Schallplatten aneinander klebende Schilde zeigten einige tiefe Furchen. Das glatte, glänzende Segel war ebenfalls ohne Oberflächenstruktur dargestellt und so wanderte das Modell sehr schnell weit hinten auf die Ablage.
Familiäre Entwicklungen förderte es nun wieder zu Tage und zurück auf meinen, oder -inzwischen besser gesagt- auf unseren Basteltisch. So ist das eben, wenn man zwei neugierige Söhne hat, die als Wikinger verkleidet durch die Wohnung toben, alles über Normannen wissen wollen und dann, nach erfolgreichem Beutezug auch noch mit großen, leuchtenden Augen und der Schachtel von Emhar vor einem stehen. Da ist man genauso chancenlos, wie seinerzeit die Mönche von Lindisfarne.
Nach dem Zusammenkleben der beiden Rumpfhälften, das besonders an den beiden Schiffsenden etwas sanfter Gewalt bedurfte, ging es an das Imitieren der fehlenden Holzmaserung. Mit einer Drahtbürste rückte ich dem Modell zu Leibe und zerkratzte sämtliche (später sichtbaren) Oberflächen an Rumpf, Deck und den Anbauten.
Die Montage des aus Segmenten bestehenden Decks war interessant, da die Einzelteile in einer wahllos erscheinenden Reihenfolge in den Rumpf einzukleben waren. Meine Jungs hatten Spaß am Suchen des jeweils passenden Teiles. Auch beim Grundieren der Teile waren meine Helfer hoch konzentriert bei der Arbeit.
Entgegen dem ersten Eindruck entwickelte sich langsam ein schönes, elegantes Schiffchen. Die überschaubare Zahl der Bauteile ist schnell montiert. Die Bauanleitung ist einfach und verständlich und auch bei der Passgenauigkeit gibt es keine Probleme.
Während des gesamten Projektes durchlöcherten mich meine beiden Nachwuchsforscher mit Fragen über die Normannen und ihre Drachenboote. Um ihnen das Thema etwas anschaulicher zu präsentieren entschloss ich mich ein kleines Diorama rund um das Modell zu bauen, das einen für die Wikinger typischen Überfall zeigt. Der Bau von Emhars Gokstad fing an, Spaß zu machen. Die ideale Ergänzung für das Dio war das liebevoll und detailreich in Resin gestaltete „Wikingerhaus II“ von „norsemen miniatures“. Leicht modifiziert sollte es als Fischerhütte am Strand stehen. Um eine kindgerechte Darstellung zu gewährleisten erzählte ich, dass die Bewohner rechtzeitig fliehen konnten und ihr Haus verlassen hatten.
Schon die erste Stellprobe auf dem aus Styroporplatten gebauten Untergrund gefiel meinen Söhnen. Am liebsten hätten sie gleich die Figuren dazu gestellt, die sie sich aus mehreren Packungen (Emhar, Revell, Hät und Zvezda) ausgesucht und bereits von ihren Gussästen abgetrennt hatten. Dann entschieden sie sich aber doch lieber wieder fürs Rumtoben im Kinderzimmer. Nachdem ich sämtliche Römer, Wehrmachtssoldaten und einen britische WW1 Piloten aussortiert hatte blieben mir etwa 40 Wikinger). Diese befreite ich von den angegossenen Sockeln und klebte jedem einen dünnen Stahlstift in einen Fuß, um sie später einfach auf den Untergrund (Styropor) stecken zu können. Da das Bemalen der Figuren nicht unbedingt zu meinen Lieblingsaufgaben gehört und ich hier außerdem über das Schiffsmodell berichten will, werde ich im Weiteren auch nicht näher auf die Figuren eingehen.
Die Holzoptik der Gokstad kam durch mehrere Schichten verschiedener Brauntöne zustande. Teils deckend aufgetragen, teils trockengemalt ergaben diese einen leicht verwitterten und gebrauchten Eindruck des Bootes. Die Abbildungen auf dem bekannten Teppich von Bayeux inspirierten mich zur farblichen Gestaltung der oberen Planken, auch wenn eine derartige Bemalung am Originalschiff laut Forschung nicht existierte. Die Schilder meiner Wikinger entnahm ich den verschiedenen Figurensets, da mir die von Emhar so ganz und gar nicht gefielen. Auch hierbei ließ ich meiner Fantasie –und der meiner Jungs- etwas mehr Spielraum und beschränkte mich nicht auf die nachgewiesene, abwechselnd schwarz gelbe Bemalung der originalen in Gokstad gefundenen Schilde.
Das Segel besteht aus Papier. Dieses weichte ich in verdünntem, wasserlöslichem Holzleim ein. Erst nach der Bemalung mit den kinderfreundlichen rot-weißen Streifen tränkte ich es nochmals mit Wasser und verdünntem Holzleim, um es am Schiff in die passende Form bringen zu können.
Die Styroporplatten am Ufer erhielten –zur Abrundung der Formen- als Erstes einen Überzug Spachtelmasse aus dem Baumarkt. Nach dem Austrocknen kam eine dünne Schicht Acrylgel darüber, auf das ich feinen Sand streute. Wiederum eine Trocknungsphase später kippte ich allen überflüssigen Sand ab und bemalte den Strand mit stark verdünnten Enamelfarben. Für die Wasserfläche verwendete ich dasselbe Acrylgel, das sich -einmal getrocknet- mit den üblichen Enamelfarben problemlos übermalen lässt. Erst später, nach dem Einpassen des Schiffes, kamen noch ein paar dünne Schichten Gel zum Modellieren der Wasseroberfläche dazu.
Während mehreren Trocknungsphasen, in denen ich nicht aus „Asterix und die Normannen“ oder dem Buch „Die Wikinger“ aus der Serie „WAS IST WAS“ vorlesen musste, schmökerte ich in älteren Modellfan-Heften und holte mir bei den Figuren- und Dioramenbauern ein paar Anregungen zur etwas lebhafteren Gestaltung des Ufers.
Die Takelage der Gokstad blieb an mir hängen. Meinen Helfern war das Knoten und Fäden ziehen nach kürzester Zeit zu langweilig. Zum Ausgleich war ihr Enthusiasmus beim Aufstellen der inzwischen fertig bemalten Figuren umso größer. Aus dem kinderfreundlichen Diorama wurde bald ein wüstes Durcheinander schwertschwingender Wikinger. So wie es damals eben war, wenn die Drachenboote landeten…
Mit dem Gokstad Wikingerschiff ist Emhar sicherlich nicht der große Wurf gelungen, dennoch bietet das Modell eine solide Ausgangsbasis, auf der sich mit ein wenig Eigenleistung aufbauen lässt. Außerdem machte die schöne gemeinsame Zeit mit meinen Jungs unglaublich Spaß und das Ganze somit unbezahlbar. So bleibt mir nur noch zu sagen: Danke Maxi und danke Alex! Mein Großer will inzwischen Archäologe werden und Wikingerschiffe ausgraben, der Kleine bleibt vorerst lieber Lokführer. Sagt er, grinst unter seinem Helm hervor und stürmt mit Rundschild und Schwert davon. Bei Odin!
Verwendete Bausätze und Zubehör:
- Emhar „Gokstad“ 9th Century Viking Ship Kit EM9001
- Norsemen miniatures „Wikingerhaus II“ Art Nr. 1707203
- Zvezda „Medieval life boat“ Art Nr. 9033
- Emhar „Viking Oarsmen“ Art Nr. 7218
- Zvezda „Vikings“ Art 8046
- Revell „Angelsachsen“ Art Nr 02551
- HäT „Robin Hood“ Art Nr.7015
Alex, Maxi und Wolfgang Kring