Hochseefischerei ist ein gefährliches Geschäft und das nicht nur in den USA. Mit jährlich 128 Toten auf je 100.000 Arbeiter ist die Fischerei in den Vereinigten Staaten von Amerika jedoch 26-mal gefährlicher als jeder andere Beruf. Nur Navy-Piloten und Astronauten leben hier – statistisch gesehen – gefährlicher.
Am 21. September 1991 lief das Schwertfisch-Boot Andrea Gail unter dem Kommando von Frank W. Tyne Jr. aus Gloucester, Massachusetts in Richtung Flämisches Kap aus. Auf dem Rückmarsch, am 28. Oktober, meldet sich die Andrea Gail zum letzten Mal aus einem Orkantief. Frank Tyne und seine fünf Weggefährten werden Opfer des Sturms.
Inspiriert durch das Sachbuch „The Perfect Storm“, das die Geschehnisse um die Andrea Gail und Ihre Besatzung zum Thema hat, verfilmte Wolfgang Petersen im Jahre 2000 die Geschichte ihrer letzten Fahrt und ihres Unterganges.
Nach einer umzugsbedingten Zwangspause nahm ich im Spätsommer dieses Jahres das Bastelmesser wieder in die Hand. Da lagerten zwar einige angefangene Projekte auf der Werkbank, von denen mich allerdings im Moment keines so recht reizte. Warum also nicht ein kleines Scratch-Projekt von absehbaren Ausmaßen beginnen, um die Finger wieder geschmeidig zu machen.
Die letzten Minuten der Andrea Gail darzustellen, ging mir schon seit einem guten Jahr immer wieder durch den Kopf. Nach einem Tag Internet-Recherche war klar, dass es kaum möglich wäre, die echte Andrea Gail zu bauen, da sie von Eigner völlig umgebaut wurde und es nur ein einziges Foto von dem Schiff in seinem Zustand zum Zeitpunkt des Unterganges zu finden war. Dieses Foto bot jedoch nicht einmal annähernd die Informationsdichte, die zum Bau eines anständigen Modells notwendig sind. Daher entschloss ich mich, das Schiff zu bauen, das die Andrea Gail im Film verkörperte und die Szene mit dem anrollenden Kaventsmann gemäß der filmischen Vorlage nachzustellen. Das in Film gezeigte Schiff heißt tatsächlich Lady Grace. Im Internet sind sehr gute Fotos zu finden und natürlich bietet der Film eine Fülle an Informationen. Es dauerte gut einen Tag, Planskizzen anhand der Daten und Bilder der Lady Grace anzufertigen. Recht schnell setzte ich den Maßstab des Projektes auf 1/350 fest, um die vielen Details anständig umsetzten zu können.
Zunächst fertigte ich ein Sandwich aus Polystyren an, das bereits die wesentlichen Abmessungen, wie Rumpf- und Deckshöhen in sich trug.
Den Umriss übertrug ich auf simple Aufkleber und entfernte die Überstände mit meiner Tellerschleifmaschine.
Mit viel Geduld und einem frischen Satz Sandfeilen formte ich aus dem Rohling die grundsätzlichen Linien des Schiffes heraus. Auf Detailarbeit am Unterwasserschiff konnte ich dabei natürlich verzichten.
Im nächsten Schritt befasste ich mich bereits mit kleinen Details wie Netzrampe, am Heck die zwar für das Schwertfischen nicht benötigt wurde und aus diesem Grund abgedeckt ist, aber dennoch von achtern zu erkennen ist. Das Wetterdeck erhielt eine Anzahl von Stosslinien und erste Ätzteile fanden ihren Platz.
Neben vier asymmetrisch angelegten Bullaugen gehören zwei dicke Scheuerleisten unterhalb des Wetterdecks zu den wenigen Details auf der Rumpfaußenseite. Beim Anbringen ist Geduld gefragt, denn die Klebstoffe müssen immer ganz durchhärten bevor man die Haltebänder entfernt. Um die Wartezeiten sinnvoll zu nutzen habe ich mich derweil mit dem Vordeck (bei diesem Schiffstyp auch „whaleback“ = Walrücken genannt) beschäftigt. Ich verwendete einen weiteren Aufkleber, um die Form auf transparentes Stryren-Sheet zu übertragen. Dabei achtete ich drauf, dass das so entstandene Deck um ca. 0,5mm kleiner war als die Vorgabe. Dadurch erhielt ich eine schöne Lippe an der später die Schanz des Vordecks befestigt werden sollte. Die verlängerte achterliche Kante aber, formte den Überhang zum Wetterdeck. Hier könnt Ihr bereits die Niedergangsluke, die Unterzüge und den Grundriss des Ruderhauses erkennen.
Bevor nun das Oberdeck angebracht werden konnte, ergänzte ich die Details der vorderen Schottwand.
Nunmehr wurden Oberdeck und Bugschanzen angebracht.
Letztere wurden dann noch von vorne nach hinten abgeschrägt. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die Übergangsblenden am Wetterdeck ergänzt. Die außen sichtbare Klebenähte habe ich dann großzügig mit Putty verfüllt und über Nacht trocknen lassen.
Mehrmaliges Schleifen und Füllen führten letztlich zum gewünscht lückenlosen Resultat. Zwischenzeitlich blieb Zeit zum Herstellen der Ladeluke auf dem Wetterdeck.
Nach der Versäuberung habe ich die Schanz für das Wetterdeck vorgeformt und angebracht.
Die Klebenaht wird durch die nun folgende, zweite Scheuerleiste verdeckt. Die Trockungszeiten für den Kleber nutzte ich u. a. zum Anbringen von Kleinteilen.
Die nunmehr fixierte Schanz erhielt eine weitere Scheuerleiste an der Oberkante. Die Speigatten und Versteifungen an der Innen- und Außenseite wurden ergänzt.
Das Ruderhaus wurde mit dem Computer erstellt, auf Papier gedruckt, ausgeschnitten und aufgestellt. Lediglich die dünnen Traversen der Fenster an der Vorderseite machten dabei Schwierigkeiten, so dass ich diese kurzerhand abschnitt und später durch Messingstäbe ersetzte. Der Aufbau wurde von der Innenseite mit Superkleber bestrichen und wurde so hart und belastbar. Dann erhielt das Ruderhaus noch eine Einrichtung bestehend aus Armaturenbrett, Kapitänsstuhl, Kartentisch und Sideboards.
Das ganze Innen leben wurde dann mit dem Pinsel angemalt und, um ihm Leben einzuhauchen, durften auch die Protagonisten nicht fehlen.
Dann kam der sprichwörtliche Deckel oben drauf und alle Decks, Schottwände und das Ruderhaus erhielten einen Anstrich mit Grey White von Vallejo per Airbrush.
Das schönste Grün für den Anstrich des Überwasserschiffes fand ich in Form von Mitsubishi Green aus dem Hause White Ensign, während das Unterwasserschiff in Revells Feuerrot mit einem Tropfen Schwarz gehalten ist.
Guido Hopp
Fortsetzung folgt