Das Original

Koggen faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Diese relativ einfach gebauten Frachtschiffe des Mittelalters waren ohne besondere Werftplätze oder tiefes technisches Wissen konstruiert. Vermutlich bauten Zimmerleute vom Hausbau die Schiffe dort, wo sie gebraucht wurden. Die Handwerker gaben ihr Wissen mündlich von Generation zu Generation weiter. Koggen waren zweckmäßig und nach den zu erfüllenden Erfordernissen individuell konstruiert. Technische Neuerungen wie das Heckruder und eine seemännisch einfach zu bedienende Takelage sicherten dem Schiffstyp Kogge über 200 Jahre lang seine beherrschende Stellung auf den Seerouten der Hanse zwischen Portugal und dem heutigen Russland. Die genannten Vorteile müssen es gewesen sein, warum die Kogge allen anderen Schiffstypen über eine so lange Zeit hinweg überlegen war.


Lange Zeit war die genaue Form und Bauart einer Kogge nur spekulativ zu umreißen. Als 1962 bei Baggerarbeiten in der Weser bei Bremen ein Schiffswrack gefunden wurde, standen die Fachleute zunächst ratlos vor dem Fund. Schnell stellte sich heraus, dass bei es sich dem Wrack, dessen Steuerbordseite fast komplett erhalten ist,um eine Kogge handeln muss. Der Fund wurde auf das Jahr 1380 datiert. Seitdem definieren Experten die Kogge grob umrissen als ein überwiegend klinkergebautes, hochbordiges und einmastiges Schiff mit einem Rahsegel. Der Achtersteven war gerade um das Heckruder zu führen, der Vordersteven konnte auch konvex sein. An Deck gab es anfangs vereinzelt Kastelle auf Stützen, später – wie beim Bremer Fund – gab es ein festes Achterdeck mit umbauten Räumen. 


Bereits vor dem Fund der Bremer Kogge gaben Siegelbilder wie das Wappen der Stadt Danzig aus dem Jahr 1299 Aufschluss über das Aussehen dieser Schiffe. Diese idealisierten Darstellungen zeigten vermutlich die größten und wichtigsten Schiffe ihrer Zeit die als Stolz der Hafenstadt auf deren Siegeln gezeigt wurden.

Das Modell

Der polnische Schifffahrtsexperte Jerzy Litwin erstellte 1977 basierend auf dem Danziger Siegelbild eine Modellrekonstruktion, die in der Zeitschrift „Modelarz” veröffentlicht wurde. Diese Pläne erschienen 1990 in leicht abgeänderter Form auch in „Modellbau heute”. Merkmal dieses Schiffs sind die zinnenbewehrten Aufbauten an Bug und Heck, die wohl militärischen Zwecken dienten und nicht fest mit dem Rumpf verbunden waren und die große Plattform im Masttopp.


Basierend auf diesen Plänen habe ich ein Modell im Maßstab 1/250 aus Karton und Papier gebaut. Über ein Spantgerippe aus Graupappe zog ich Papierstreifen die am Ende mit der Sichtbeplankung überklebt wurden. Das Deckschema folgt dem Bremer Koggenfund: Die Planken sind quer zur Schiffslängsrichtung als herausnehmbare Deckel angelegt. Vor dem Mast habe ich das Deck geöffnet gezeigt um diese besondere Konstruktion verständlich zu machen. Auch der durchbalkte Rumpf – schwere Querbalken, die den Rumpf seitlich durchstoßen – habe ich nach dem Vorbild der Bremer Kogge ausgeführt. Die Aufbauten vorn und achtern sind mit einer Leiter zu erreichen. Im Kampffall wurde die Leiter weggenommen, um ein Stürmen der Plattformen durch den Feind zu erschweren. Die markante Plattform im Topp diente sicherlich einem guten Armbrustschützen als Kampfplatz.


Nun plane ich, ein neues Modell im Maßstab 1/100 anzufertigen, das sich stärker an den Erkenntnissen des Bremer Koggenfunds orientiert. Dabei werde ich die etwas vollere, „bauchigere“ Rumpfform sowie das Deckschema entsprechend anpassen. Im Berliner Technikmuseum steht eine sehr schöne Interpretation dieses Schiffes nach dem Danziger Siegel. Bei dem Modell von Werner Zimmermann ist die Mastplattform deutlich kleiner als bei meinem Modell. Das erscheint mir mittlerweile auch glaubhaft sodass ich auch diesen Aspekt in mein kommendes Modell einarbeiten werde.


Klaus Lingenauber