Modell: RMS Titanic (easy-click system mit 3D-Puzzle-Diorama)
Hersteller: Revell
Maßstab: 1/600
Material: Polystyrol (Spritzguss), 3D-Puzzle
Art.Nr.: 05599
Preis: 51,99 €

Schiffe waren seit jeher ein edler Bestandteil im Angebot der Modellbaufirmen. Weil die Möglichkeiten in dieser Sparte von der antiken Galeere über die Großsegler militärischer und ziviler Art bis zu den legendären Passagierschiffen und den Kriegsschiffen aus der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges und weiter bis zu Segeljachten und Seenotrettungsschiffen reicht, waren die Angebote entsprechend auch sehr heterogen, was Ausführung und insbesondere die Maßstäbe anbelangt. Es ist eine immer wieder gern erzählte Mähr, dass sich der Maßstab früher an einer einheitlichen Schachtelgrösse orientieren musste – se non è vero, è ben trovato.

Airfix war eine Firma, die schon in ihren Anfängen einen Großteil ihrer Schiffe im einheitlichen Maßstab 1/600 anbot. Leider gab Airfix nach einer stattlichen Anzahl von ca. 35 Modellen diese Produktionsreihe mit dem Erscheinen der HMS Repulse und der HMS King George V. anno 1982 auf. Mit dem gleichzeitigen Aufkommen der japanischen Modelle im Wasserlinien-Maßstab 1/700 und von Modellen im Einheitsmaßstab 1/350 gerieten die alten Maßstäbe mit größeren Sortimenten in 1/600, 1/500 und 1/400 immer mehr ins Hintertreffen.

Persönlich fand ich den Maßstab 1/600 als eine ideale Modellgröße. Gerade groß genug, um Feinheiten jeglicher Art darstellen zu können und klein genug, um sich eine größere Sammlung für das persönliche, maritime Museum anzulegen, ohne gerade in Platznot zu geraten.

Die Modelle in 1/700 geraten bezüglich ihrer Feinheit in der Detaillierung oft an ihre Grenzen. Man denke dabei an Relings- und Antennengestaltungen, die oft kaum der vorgegebenen maßstäblichen Verkleinerung entsprechen, von den hölzernen Decksfolien ganz zu schweigen. Unzweifelhaft sind Schiffe im gängigen Maßstab 1/350 von ihrer Größe her handlicher zu bauen, doch bedingt eine größere Sammlung schon einiges an Platz. Modelle in der neuesten Maßtabsteigerung 1/200 und mehr eignen sich zur Herstellung von Museumsmodellen. Die mögliche Genauigkeit und Detailfülle lassen sie auf Abbildungen – eine gute Fototechnik vorausgesetzt – kaum mehr vom Original unterscheiden. Man betrachte dazu die Großmodelle unseres Kollegen Wolfgang Wurm. Dass man nicht all zu viele davon bauen kann, erklärt sich bei Modellgrößen im Meterbereich von selbst.

Welche Überraschung darum, als Revell vor zwei Jahren die RMS Titanic ausgerechnet im Maßstab 1/600 herausbrachte. Neu bei diesem Modell ist die konsequente Anwendung des Easy Click-Systems, also in der Technik eines Steckbausatzes mit kleinen Nocken, die beim Zusammenbau einrasten, um die Teile ohne Kleber zusammenzuhalten. Damit man das Schiff nicht bemalen muss, finden sich verschieden eingefärbte Plastikteile im Baukasten, nämlich dunkelrot für den Unterwasserteil, schwarz für die Bordwände, beige für die Decks, weiß für die Aufbauten und gelb für die Kamine.

Das Erstaunliche dabei ist, dass entgegen der Befürchtung, es handle sich eher um ein grob modelliertes Spielzeug als um ein ernst zu nehmendes Modell, die Teile äußerst akkurat und mit großer Detailtreue gestaltet sind, gespritzt ohne jeglichen Versatz und Fischhäute, bezüglich Formenbau überraschend perfekt und absolut auf der Höhe der Zeit. Ja, ich würde gar behaupten, es ist nebst den 700er Ausgaben (RMS Olympic & RMS Titanic) des gleichen Herstellers eines der heute besten Modelle des Schiffes, mal abgesehen von den Großmodellen in 1/400 und größer. Beim Zusammenbau fällt auf, dass die Teile naht- und fugenlos aufeinander passen, Nocken etwa sind nach dem Zusammenbau nirgends sichtbar. Die Oberflächen haben eine matte Anmutung, was eine Bemalung als nicht zwingend notwendig erscheinen lässt. Dies kommt besonders den Jugendlichen mit noch wenig Bemalungserfahrung entgegen.



In relativ kurzer Zeit hat man die rund hundert Teile verbaut. Der bei Revell übliche, farbig illustrierte Bauplan führt in 45 Schritten zu einem prächtigen Modell des Ocean-Liners.

Da der Rumpf sinnigerweise aus zwei, in der Wasserlinie getrennten Teilen besteht, kann das Schiff wahlweise als Wasserlinienmodell oder als Vollrumpfreplik dargestellt werden.


Natürlich ist auch dieser Bausatz noch zu toppen, wenn man will. Niemandem ist verboten, das Modell vollständig zu bemalen bzw. per Spritzpistole zu lackieren, mindestens aber sollte man die Dächer der Deckshäuser grau bemalen und weitere Details gemäß den Angaben im Bauplan farblich behandeln. Der Anbau einer geätzten Reling und eine vollständige Takellage wären dann noch die ultimative Ergänzung. Gebrauchtspuren, gar eine Alterung würde der Wirklichkeit nicht entsprechen, da die Titanic als nagelneues Schiff zu ihrer ersten und letzten Fahrt antrat.

Weil die Schwesterschiffe der RMS Titanic, die RMS Olympic und die HMHS Brittannic mit wenigen Abweichungen baugleich sind, können auch diese Schiffe aus dem vorgestellten Modell gebaut werden. RMS Olympic trug zur Zeit des Ersten Weltkrieges ein interessantes Tarnkleid; die HMHS Brittannic könnte als Hospitalschiff mit grünem Band auf weissem Rumpf mit roten Kreuzen gestaltet werden. Ein kleiner Haken hätte eine dieser Absichten: Woher nehme ich die Unzahl an Rettungsbooten und die dazugehörenden Davits, von der ganz besonderen Konfiguration der Davits für die HMHS Brittannic ganz zu schweigen?

 

3D Puzzle Diorama

Zum Schluss möchte ich noch eine besondere Zutat zum Bausatzes erwähnen, das 3D-Puzzle-Diorama. Zuerst dachte ich an eines der üblichen Puzzlebilder mit einer dramatischen Abbildung des sinkenden Schiffes als Beilage. Hier aber wird die Puzzletechnik für den Zusammenbau einer dreidimensionalen Dioramaplattform mit dem ominösen Eisberg drauf verwendet, in die das fertige Modell eingesteckt werden kann. Also nichts als konsequent, wenn hier ein weiteres Stecksystem zur Anwendung kommt. Die einzelnen Teile lassen sich problemlos und sauber herausbrechen und passen nahtlos zueinander. Einzig der Eisberg braucht etwas an Fingerspitzengefühl, bis alle Laschen eingesteckt sind.


Zugegeben, das kitschige Moment in dieser Darstellungsform ist nicht zu verleugnen, ist aber für die Aufstellung im Regal eines Jugendlichenzimmers zu tolerieren, insbesondere weil die Bedürfnisse eines jungen Modellbauer andere sind, als die des erfahrenen Modellbauers, welcher ein Diorama sicher selbst mit allen Mitteln der Kunst gestalten wird.

 

Fazit

Es ist wohl sehr selten, dass ein Modell die Bedürfnisse sehr unterschiedlicher Zielgruppen erfüllen kann. Schon Kindern ab 10 Jahren gelingt durch die erwähnte Technik eine sehr befriedigende  Modelldarstellung, und selbst dem anspruchsvollen Modellbauer kann diese Neuentwicklung als ausgezeichnete Basis für ein höchst gelungene Abbildung des Originals dienen. Bedauernswert ist nur, dass es bis dato (noch) keinen massgeschneiderten Ätzteilesatz gibt, wie etwa für die 1/700er Modelle der Olympic-Klasse, verdient hätte es der Bausatz jedenfalls.

Der Bausatz ist ohne Einschränkung

sehr empfehlenswert


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Wir danken Revell für das Bausatzmuster