Direkt im Anschluss an die Prinz Eugen hatte ich ein weiteres Schiff der Deutschen Kriegsmarine in der Werft: die Scharnhorst. Von vielen Historikern gern als „Schlachtkreuzer“ klassifiziert, wurde die Scharnhorst innerhalb der Kriegsmarine als Schlachtschiff bezeichnet und gesehen. Dies weiß ich aus sicherer Quelle, mein Großvater diente nämlich auf der Köln. Anders als beispielsweise die Bismarck war die Scharnhorst relativ lange im Dienst, immerhin fast fünf Jahre. Dazu kommen zahlreiche Umbauten wie Steven, Mastversatz, Brücke u.v.m.

Man hat also eine relativ hohe Variantenvielfalt im Ausrüstungsstand. Dafür stehen drei Bausätze von Dragon zur Verfügung: 1062 (1940), 1036 (1941) und 1040 (1943). Tatsächlich variieren die Teile in allen drei Bausätzen aber nur geringfügig, so dass man meines Erachtens mit gewissem Aufwand aus jedem Bausatz jede Version bauen könnte. Dazu kommt noch, dass die Bausätze immer schwerer erhältlich sind.


Schon im Januar 2021 hatte ich mir Draminskis Buch Battleship Scharnhorst besorgt, welches eine wahre Fundgrube für Modellbauer darstellt. Auf dessen Basis entschied ich mich sofort für das doch recht ungewöhnliche Tarnschema während der Operation Cerberus – dem berühmten Kanaldurchbruch im Februar 1942.

Bei ebay erstand ich dann später den Dragon-Bausatz 1062. Über diverse Umbauten (1940 bis 1942) war ich mir von Anfang an im Klaren, aber Teile komplett selbst herstellen ist ja eh mein Ding. Des Weiteren kamen u.a. ein Ätzteileset von KA-Models, ein Holzdeck und Veteran-Sets zum Einsatz.


Was musste alles angepasst werden:

  1. Turbinenkühlwassereinlässe am Rumpf fehlen: selbst gebaut
  2. Bugschallanlage/Horchgeräte/Magnetischer Eigenschutz (MES) am Rumpf fehlen: selbst gebaut
  3. 9,2 m-Motorpinasse fehlt: bei Trumpeter/Faller entsprechende Teile bestellt
  4. Vormarsplattform muss korrigiert werden: selbst gebaut unter Verwendung der beiden vorhandenen
  5. Korrektur Brückendeck nötig: selbst gebaut
  6. Rettungsflöße fehlen (15 Stück): selbst gebaut
  7. FuMOs: Flyhawk-Set verwendet; Timor: selbst gebaut
  8. Leichte Flak:  Veteran-Sets
  9. Plattformen für Flakvierlinge auf vorderen 15ern: selbst gebaut
  10. Torpedorohrsätze und Lagerkästen: selbst gebaut
  11. Admiralsbrücke (Nocks wurden Ende 1940 gekürzt), Improvisation der beiden vorhandenen
  12. Beobachtungsstand auf Vormars-E-Messer: selbst gebaut
  13. Fehlende Reling: zusätzliches Fotoätzteilset von KA-Models

…und einige weitere Details.

Da war wieder einiges zu tun! Punkt 1 wurde mit etwas handwerklichem Geschick gelöst. Verwendung fanden hier: Plastikplatten, Dremel, Schlüsselfeilen, Schleifpapier, Spachtelmasse und Messer.


Auch für Punkt 2 war Improvisationstalent gefragt: Bugschallanlage mittels Plastikplatten, Magnetischer Eigenschutz (MES) mittels Kupferdraht, Horchgeräte wie schon bei Bismarck und Tirpitz umgesetzt.


Zu Punkt 3 muss ich sagen hat Dragon gepatzt, statt der Pinasse gibt es ein zweites Chefboot, was aber zu keinem Zeitpunkt an Bord der Scharnhorst war. Von allen mir bekannten Bausätzen von Schiffen der Kriegsmarine bietet nur der Prinz Eugen-Bausatz 5313 ein solches Boot. Die entsprechenden Teile habe ich mir über den Faller-Vertrieb beschafft.


Bei den Vormarsplattformen gab es in der Realität drei Varianten, dabei waren nur 1 und 3 im Bausatz darstellbar, die Zwischenvariante habe ich aus beiden improvisiert.


Während des Baufortschritts fiel mir auf, dass Dragon Teile des Brückendecks falsch umgesetzt hat. Dies habe ich mit Riffelblech-Plastikplatten korrigiert (Punkt 5).


Das Thema Rettungsflöße ist so ein Kapitel für sich. In vielen Bausätzen gar nicht berücksichtigt oder zumindest der falsche Typ. Im Dragon-Bausatz fehlten sie ganz. Der original verwendete Typ 1942 war 1SAb-VW56 (wie auch auf Bismarck und Tirpitz). Ich habe die 15 Flöße mit Plastik, Spachtel und Ätzi-Resten umgesetzt.


Die FuMOs von Dragon und KA-Models sagten mir nicht zu und das „Timor“-Gerät musste ohnehin selbst gebaut werden. Dies alles entstand im Wesentlichen aus Flyhawk-Fotoätzteilsets.


Für die leichten Flak kamen die bewährten Veteran-Sets zum Einsatz. Die Plattformen auf den vorderen 15-cm-Türmen mussten auch improvisiert werden, da nur für Ausrüstungsstand 1943 im Bausatz vorhanden war.


Die Torpedorohre und Lagerkästen für die Ersatztorpedos sind nur im Bausatz 1040 vorgesehen. Die Torpedorohrsätze habe ich aber ohnehin komplett selbst gebaut. Die Lagerkästen entstanden aus Holz und Plastikplatten, der kleine Transportkran war im Dragon-Fotoätzteilset enthalten, die Torpedowiege wieder aus der Restekiste.


Punkt 11 war wieder eine besondere Herausforderung. Anfang 1942 hatte die Scharnhorst eine offene Admiralsbrücke mit bereits gekürzten Brückennocks. Dragon bietet aber nur eine offene Brücke mit langen Nocks oder eine geschlossene Brücke mit kurzen Nocks. Somit wiederum eine Anpassung nötig. Ich habe die Nocks quasi ausgetauscht. Weiterhin fehlten die Fenster der offenen Brücke.


Auch der Vormars-Beobachtungsstand war bei Dragon nicht originalgetreu vorgesehen. Meine 42er Version entstand u.a. aus einer 35 mm²-Aderendhülse aus dem Elektrofachhandel.


Dass diverse Reling im Dragon-Bausatz fehlt (u.a. Hauptdeck) und per Upgrade-Set zusätzlich beschafft werden müsste, ist ein dicker Minuspunkt des Bausatzes. Ich habe das Set KA-Models MS-35022 verwendet, welches sich zwar gut verarbeiten ließ, aber insgesamt im Umfang doch eher spartanisch war. Bei der Reling waren auch noch ein paar Anpassungen nötig.

Ansonsten habe ich noch den Schornstein etwas aufgehübscht…


…sämtliche Bullaugen am Rumpf nachgebohrt und teilweise neu positioniert, anschließend mit neuem Laufwasserschutz aus Feinstlitze versehen...


…Ladekanonen vorbildgetreu gestaltet…


den Hauptmast stabiler gemacht, indem ich diverse Dragon-Plastikteile durch Kupfer und Messingrohre ausgetauscht habe…


sowie ähnlich wie unter Punkt 5 den achteren Leitstand korrigiert.


Die Takelage war dann quasi das Sahnehäubchen. Als Vorlage diente wie bereits erwähnt Draminskis Buch. Verwendet wurde das bewährte Material von Infini Models sowie Kupferfeinstlitze und Kristal Klear für Isolatoren.


Der Bau hat mir viel Freude bereitet. Zirka 538 Arbeitsstunden habe ich innerhalb von 59 Wochen dafür aufgewendet, wobei 5 Wochen ausnahmsweise auf ein anderes Projekt fielen.

 

Das Original

Hier noch einige Eckdaten zum historischen Vorbild:

  • Erste Kiellegung am 14.02.1934 in der Kriegsmarine-Werft Wilhelmshaven.
  • Stapellauf am 03.10.1936
  • Indienststellung am 07.01.1939
  • Einsatzbereit ab April 1939
  • Umbauten im Sommer und Ende 1939
  • Handelsstörkrieg Ende 1939
  • Operation „Nordmark“ Februar 1940
  • Umbauten im März 1940
  • Operation „Weserübung“ im April 1940
  • Operation „Juno“ im Juni 1940, dabei britischen Flugzeugträger HMS Glorious und zwei Zerstörer versenkt
  • Reparaturen und Umbauten in Kiel im Sommer bis Spätherbst 1940
  • Erster Ausbruchsversuch in den Atlantik mit Gneisenau, Abbruch wegen Sturm (Dezember 1940)
  • Reparatur in Gotenhafen im Januar 1941
  • Atlantik-Operation „Berlin“ im Frühjahr 1941
  • Verlegung von Brest nach La Pallice im Juli 1941, 2 schwere Bombentreffer am 24.07.41 erhalten
  • Reparatur und Umbauten in Brest August 1941 bis Januar 1942
  • Kanaldurchbruch im Februar 1942 (Unternehmen „Cerberus“) zusammen mit Gneisenau und Prinz Eugen.
  • Reparaturen und Umbauten in Kiel im Februar bis Dezember 1942
  • Verlegung nach Norwegen (zusammen mit Tirpitz) im März 1943
  • Operation „Sizilien“ zusammen mit Tirpitz und neun Zerstörern im September 1943
  • Nach Feuergefecht mit überlegenen britischen Verbänden am 26.12.1943 am Nordkap gesunken
 


Technische Daten

Länge/Breite/Tiefgang                   235,4/30,0/9,9 m

Wasserverdrängung                       38.100 t

Antrieb                                        12 Dampfkessel auf  3 Satz Getriebeturbinen, 3 Propeller

Leistung                                      125.000 PS (projektiert), 161.764 PS (maximal erreicht)

Höchstgeschwindigkeit                  31,0 kn (57 km/h)

Besatzung                                   1.669 bis 1.968

Panzerung                                   20 bis 360 mm

Ausrüstung (02/1942)                  5 Scheinwerfer, 4 Leitgeräte für Artillerie, 1 Nacht-Leitgerät, 4 Flak-Leitstände, 7 größere Beiboote, 3 Anker, 3 x Radaranlagen (FuMO22/27/Timor), Unterwasserhorchgeräte, MES-Kabelschleife, Minenräumgeräte „Otter“

(vom 04.07.41 bis 08.08.42 keine Arado-Aufklärer an Bord)

Bewaffnung (02/1942)                 9 x 28 cm (L/54,5-SK) in 3 Drillingstürmen

                                                 12 x 15 cm (L/55-SK) in 4 Zwillings- und 4 Einzeltürmen

                                                 14 x 10,5 cm (L/65) in 7 Doppellafetten

                                                 16 x 3,7 cm (L/83) in 8 Doppellafetten

                                                 34 x 2 cm (L/65) in 10 Einzel- und 6 Vierlingslafetten

                                                 6 Torpedorohre 53,3 cm in 2 Drillingssätzen

 


Ein vollständiger Baubericht findet sich im Modellboard.


Marco Berger