Nachdem ich drei von vier Schlachtschiffen der Kriegsmarine eigenhändig modelliert hatte, wuchs in mir immer mehr der Wunsch, auch das letzte noch fehlende Schlachtschiff, die Gneisenau mein Eigen zu nennen. Das Problem ist nur, dass der Modellmarkt bis heute leider keinen passenden Bausatz im Maßstab 1/350 anbietet. Angeblich sollte mal einer von Trumpeter erscheinen, immerhin haben die einen im Maßstab 1/200 herausgebracht. Dragon macht lieber drei fast identische Bausätze der Scharnhorst, als mal einen für die Gneisenau abzuleiten. Heller 1/400 kam nicht in Frage, nicht nur wegen dem abweichenden Maßstab, das Niveau der Bausätze dieses Herstellers ist doch recht niedrig.
Letztendlich kam ich zu dem Entschluss, aus dem Dragon-Bausatz 1062 (Scharnhorst 1940) eine Gneisenau zu kreieren, und zwar Ausrüstungsstand Februar 1940. Ich war mir dabei dessen bewusst, dass wirklich viel zu improvisieren sein wird, da sich Scharnhorst und Gneisenau doch sehr unterschieden haben. Hauptsächlich hier:
- Rumpf: Bullaugen abweichend, Gneisenau ohne Bugankerklüse. Deck am Bug anders.
- Gneisenau schon ab Januar 40 geschlossene Brücke mit langen Nocks (hatte Scharnhorst nie).
- Masten: Hauptmast bei Gneisenau stets direkt am Schornstein, vorn anders als bei Scharnhorst
- Batteriedeck neben Schornstein: Scharnhorst: Stahl (dunkelgrau gepönt); Gneisenau: Teakholz.
- Alles hinter dem Schornstein bis zum Turm C unterscheidet sich total von dem, was die Dragon-Bausätze hergeben. Im Gegensatz zu Scharnhorst hatte Gneisenau 1940 keinen großen Flugzeughangar.
Eine Menge Material musste also für die Konvertierung beschafft werden, hier nur das Wichtigste aufgeführt:
- Dragon 1062 ,,Battleship Scharnhorst 1940" (den gleichen hatte ich für meine Scharnhorst 1942 verwendet)
- Ätzteil-Set und Katapult-Set von KA Models
- zwei Holzdecks Scharnhorst (1941+1943) und Sheet 240x110 mm von Woodhunter
- Messing-Geschützrohre von Master
- Flak & diverse Ausrüstung von Veteran
- Oberlichter und Ladekanonen von Bunker Studio
- Basis für Flugzeugschleuder (3D-Druck) von Model Monkey
- Beiboote von Very Fire
u.v.m.
Das Nächste waren gescheite Vorlagen. Leider ist mein diesbezügliches Fazit am Ende des Baues sehr ernüchternd. Die Gneisenau ist das am schlechtesten dokumentierte Schlachtschiff der Kriegsmarine.
Was es gibt und was ich auch verwendet habe:
- Hochauflösende Originalpläne (Downloads vom Bundesarchiv Invenio): Im Wesentlichen Ansichten und Querschnitte für 1938 und den geplanten Umbau 1942 verfügbar, für 1940 oft nicht sehr hilfreich.
- Originalfotos aus verschiedensten Quellen (Punkt 4 bis 7 und andere): Eine insgesamt überschaubare Anzahl, sehr oft in der Frühphase (1938), sehr viele Fotos von weitem aufgenommen und nicht wenige auch falsch zugeordnet, d.h. als Gneisenau ausgewiesen und tatsächlich aber Scharnhorst gezeigt. Inzwischen bin ich in der Lage, an diversen Details sofort zu erkennen, ob es sich um Gneisenau oder Scharnhorst handelt.
- Kagero Top Drawings: Theoretisch eine gute Vorlage, Detailzeichnungen der Gneisenau Stand Sommer 41. Praktisch nur sehr begrenzt nutzbar, da schlecht recherchiert und zu viele offenkundige Fehler enthalten. Viele der Darstellungen sind durch Originalfotos widerlegbar, dadurch keine zuverlässige Quelle.
- Kagero ,,Scharnhorst & Gneisenau Vol. 2": siehe Punkt 3 – selber Autor. Die 3D-Farbdarstellungen sind auf der Grundlage von dem Top Drawings-Heft entstanden. Dass der Autor schlecht recherchiert, haben mir andere namhafte Buchautoren bestätigt. Einzig als Fotoquelle verwendbar (Punkt 2), da sind etliche enthalten.
- Marinearsenal, Band 2: siehe Punkt 2
- Holger Nauroth „Scharnhorst & Gneisenau“: siehe Punkt 2. Sehr viele Fotos, aber auch viele falsche Zuordnungen, z.B. zeigt ein als Gneisenau ausgewiesenes Foto tatsächlich die Bismarck.
- Gerhard Koop „Die Schlachtschiffe der Scharnhorst-Klasse“: siehe Punkt 2. Nicht viel, was man nicht schon kennt.
Der Bau begann im September 2023 und ich nahm mir zunächst den Rumpf vor, welcher erstmal grundsätzlich mit Scharnhorst identisch ist. Die Ausschnitte für die Kühlwassereinlässe im Unterwasserschiff habe ich wie bei Scharnhorst mit Bohrer, Dremel und Schleifpapier bewerkstelligt. Vorlage waren hier Originalpläne. Leider werden solche Dinge (wie auch Bugschallanlagen und Horchgeräte) praktisch nie von den meisten Herstellern (Dragon, Trumpeter) berücksichtigt. Eine Ausnahme bildet hier nur Revell für Bismarck und Tirpitz.
Wenig später stellt ich fest, dass die Anordnung der Bullaugen bei Scharnhorst und Gneisenau doch ziemlich unterschiedlich war, Gneisenau hat 331 und Scharnhorst sogar 369. Diese wurden zugespachtelt und nach Originalplänen neu angeordnet und einzeln aufgebohrt, später noch mit Laufwasserschutz aus Kupfer-Feinstlitze versehen und mit Kristal Klear verglast. Weiterhin wurden (auch ähnlich wie bei meiner Scharnhorst) die besagte Bugschallanlage und die Horchgeräte improvisiert.
Das Schiff erhielt am Heck den Reichsadler, welcher erst im März 1940 entfernt wurde. Dafür wurde das passende Ätzteil aus dem KA-Models-Set verwendet. Ferner noch die Ruder mit Opfer-Anoden, die Propeller und die Kabelschleife für den magnetischen Eigenschutz (MES, aus Kupferdraht).
Dann noch die übliche Lackierung, oben RAL7000, Wasserpass Anthrazit Unterwasser RAL8013 und fertig war der Rumpf nach ca. 60 Arbeitsstunden.
Als nächstes habe ich mir das Aufbaudeck neben dem Schornstein vorgenommen, dieses war bei Gneisenau holzbeplankt (bei Scharnhorst hingegen aus Stahlblech).
Nicht ganz einfach war auch die Erstellung der Kleinaufbauten auf dem Hauptdeck vorn und hinten. Bei dem verwendeten Holzdeck-Set, welches passende Ausschnitte für Scharnhorst hatte, mussten diese teilweise geschlossen werden.
Weitere wichtige Abweichungen/Änderungen waren:
- Hinteres Aufbaudeck im Bereich vom achteren Mittelartillerie-Zwillingsturm
- Brückendecksbereich (wie Scharnhorst, aber im Bausatz falsch)
- Barbettenbereich Turm B
- Decksbereich am Bug
- Bootsauflieger neben dem Schornstein (Vorlage: Originalpläne)
- Verschanzungen 3,7-cm-Flak hinter Turm B
- Ausführung Unterbau vordere SL-6 (Scharnhorst abgeflacht, Gneisenau spitz zulaufend)
- Ausführung Vormars-Plattform
- Geschlossene Admiralsbrücke mit langen Nocks
- Bordkräne (total abweichend von Scharnhorst, meine sind kompletter Selbstbau)
- Ausführung Masten (den hinteren Großmast hatte Gneisenau nie, der vordere war auch anders)
- Schornstein teilweise abweichend
- Bereich hinter Schornstein bis zum achteren Leitstand (Schleuder-Unterbau ist ein 3D-gedrucktes Teil)
- Bootsbestückung (Gneisenau Chefboot an Backbord statt Motorpinasse)
- Zahlreiche Oberlichter auf dem Hauptdeck (hatte Scharnhorst nie)
Als besonders schwierig gestaltete sich das Rigging, nicht diese Arbeit selbst, sondern vielmehr eine Vorlage zu finden. Kagero und auch die Originalpläne waren da wenig bis nicht hilfreich. Auf historischen Fotos konnte man die Darstellungen dort widerlegen. Letzten Endes waren es tatsächlich Fotos, aus denen ich mühselig meine Informationen bezog. Daher kann ich keine 100%-ige Garantie für die historische Korrektheit meiner Gneisenau-Takelage geben, aber immer noch korrekter als Kagero.
Verwendet wurde wieder das bewährte Material von Infini Models sowie Kupferfeinstlitze und Kristal Klear für Isolatoren.
Der Bau hat mir trotz viel notwendiger Recherche sehr viel Spaß gemacht. Innerhalb 68 Wochen habe ich ca. 621 Arbeitsstunden für den Bau benötigt, die Recherchen nicht mitgerechnet.





















Hier noch ein paar Eckdaten zum historischen Vorbild.
- Kiellegung am 06.05.1935 in den Deutschen Werken Kiel
- Stapellauf am 08.12.1936
- Indienststellung am 21.05.1938
- Einsatzbereit ab August 1939
- Teilnahme an Flottenparade am 22.08.1938 in Kiel
- Erste Umbauten im Sommer & Ende 1938 sowie Mai 1939
- Handelsstörkrieg Ende 1939
- Operation „Nordmark“ Februar 1940
- Umbauten im Februar/März 1940
- Operation „Weserübung“ im April 1940, am 09.04.1940 Treffer von HMS Renown erhalten
- Operation „Juno“ im Juni 1940, dabei britischen Flugzeugträger HMS Glorious und die Zerstörer HMS Ardent und HMS Acasta versenkt
- Am 20.06.1940 Torpedotreffer durch britisches U-Boot HMS Clyde erhalten
- Reparaturen in Trondheim und Kiel im Sommer bis Spätherbst 1940
- Erster Ausbruchsversuch in den Atlantik mit Scharnhorst, Abbruch wegen Sturm (Dezember 1940)
- Reparatur in Gotenhafen im Januar 1941, anschließend Werft in Kiel
- Atlantik-Operation „Berlin“ im Frühjahr 1941
- 1 Lufttorpedotreffer und 4 Bombentreffer Anfang April 41 in Brest
- Reparatur und Umbauten in Brest Juni 1941 bis Dezember 1941
- Kanaldurchbruch im Februar 1942 (Unternehmen „Cerberus“) zusammen mit Scharnhorst und Prinz Eugen
- Reparaturen und Umbauten in Kiel ab 15.02.1942
- Schwerer Bombentreffer im Trockendock durch RAF am 26.02.1942
- Überführung nach Gotenhafen am 04.04.1942, am 01.07.1942 Außerdienststellung
- Geplanter Umbau im Februar 1943 eingestellt, Bewaffnung teilweise als Küstenbatterien verwendet (siehe Fotogalerie)
- Als Blockschiff in der Hafeneinfahrt Gotenhafen am 27.03.1945 auf Grund gesetzt
- Ab September 1951 durch Polen verschrottet
Technische Daten
Länge/Breite/Tiefgang 234,9/30,0/9,9 m
Wasserverdrängung 38.500 t
Antrieb 12 Dampfkessel auf 3 Satz Getriebeturbinen, 3 Propeller
Leistung 125.000 PS (projektiert), 153.893 PS (maximal erreicht)
Höchstgeschwindigkeit 30,7 kn (57 km/h)
Besatzung ca. 1.750 (1940)
Panzerung 20 bis 360 mm
Ausrüstung (02/1940)
5 Scheinwerfer, 6 Leitgeräte für Artillerie, 1 Nacht-Leitgerät, 4 Flak-Leitstände, 7 größere Beiboote, 3 Anker, 1 x Radar (FuMO22), Unterwasserhorchgeräte, MES-Kabelschleife, Minenräumgeräte „Otter“, 1 Arado Ar 196 A-2-Aufklärer
Bewaffnung (02/1940)
9 x 28 cm (L/54,5-SK) in 3 Drillingstürmen
2 x 15 cm (L/55-SK) in 4 Zwillings- und 4 Einzeltürmen
14 x 10,5 cm (L/65) in 7 Doppellafetten
16 x 3,7 cm (L/83) in 8 Doppellafetten
10 x 2 cm (L/65) in 10 Einzellafetten
Kompletter Baubericht:
https://www.modellboard.net/index.php?topic=68491.0
Marco Berger