Das Original

HMS Hermes (R12) war ein britischer Flugzeugträger der Centaur-Klasse. Ursprünglich als HMS Elephant 1944 auf Kiel gelegt, wurde der Bau jedoch 1945 unterbrochen. Erst 1952 ging es weiter, vorerst mit dem Ziel, die Helling für andere Projekte frei zu machen. So dauerte es bis 1959 zur Indienststellung unter dem Namen Hermes. Das Schiff erhielt einen Großteil der Neuerungen, die zeitgleich beim großen Umbau der HMS Victorious eingeführt wurden. Damit unterschied es sich wesentlich von den anderen Schiffen der Klasse. Es hatte leistungsfähige Dampfkatapulte, ein echtes Winkelflugdeck sowie ein massives 3D-Radar. Allerdings war es etwas kleiner als die Victorious, ein Hindernis für den Einsatz größerer moderner Kampfflugzeuge.

Zuerst setzte die Hermes die Starrflügler Supermarine Scimitar, De Havilland Sea Vixen und Fairey Gannet ein, zusammen mit Hubschraubern vom Typ Westland Whirlwind. Auch die Blackburn Buccaneer gehörte später zum Bordgeschwader der Hermes.

Bestrebungen, die britische Version der F-4 Phantom II von der Hermes aus einzusetzen, scheiterten an den zu kleinen Abmessungen des Schiffes. Ein zwischenzeitlich erwogener Verkauf an Australien kam ebenfalls nicht zustande. In den frühen siebziger Jahren wurde die Hermes zum „Commando Carrier“ umgebaut. Dabei wurden Katapulte und Fangeinrichtungen entfernt, ebenso wie das 3D-Radar. Statt dessen wurden nun Landungsboote geführt und Unterkünfte für Truppen eingerichtet. Das Bordgeschwader bestand komplett aus Helikoptern vom Typ Sea King.

Die wachsende sowjetische U-Boot-Gefahr führte Ende der Siebziger zu einem weiteren Umbau, nach dem die Hermes Harrier-Senkrechtstarter führte und eine „Skischanze“ zu deren effektiverem Einsatz erhielt. Sie war damit ähnlich wie die neuen Flugdeckkreuzer oder leichten Träger der Invincible-Klasse ausgerüstet, jedoch mit größerer Kapazität.

In der „Defence Review“ von 1981 wurde die Außerdienststellung des Schiffes für das kommende Jahr beschlossen. Kurz zuvor konnte das Schiff seine tatsächliche Leistungsfähigkeit beim Krieg im Südatlantik beweisen. Hermes wurde in größter Eile einsatzklar gemacht und fungierte als Flaggschiff des Flottenverbandes. Sie verließ die Heimat am 5. April 1982. Neben ihrem vollen Bordgeschwader führte sie zusätzliche Harrier der Royal Air Force mit sich, um möglichst viele Kampfflugzeuge einsetzen zu können. Insgesamt waren 26 Harrier (sechzehn der Royal Navy und zehn der RAF) sowie zehn Sea King an Bord.

Als kampfstärkstes und wertvollstes Schiff des Flottenverbandes war sie auch das wichtigste Ziel der gegnerischen Streitkräfte. Von daher wurde sie so weit entfernt von den Falklands platziert, wie für den Einsatz der Harrier eben noch tragbar war. Zum Glück der Briten wurde sie nicht beschädigt und ihre betagte Technik hielt durch, bis die argentinischen Verbände auf den Inseln kapitulierten.

Hermes kehrte am 21. Juli 1982 nach 108 Tagen auf See vom Einsatz nach Portsmouth zurück. Die Bilder mit den zahlreichen begleitenden Booten und den Menschenmengen, die das deutlich von den Elementen gezeichnete Schiff begrüßten, sind beeindruckend.

Hermes diente noch bis 1984 in der Royal Navy, bis sie in Reserve versetzt wurde. 1986 wurde sie an Indien verkauft; dort wurde sie in INS Viraat umbenannt und diente noch dreißig Jahre weiter. Erst 2016 wurde sie aus dem aktiven Dienst genommen und 2017 formell außer Dienst gestellt. Damit war sie das letzte indische Kriegsschiff, das noch in Großbritannien gebaut worden war, und der am längsten im Einsatz befindliche Flugzeugträger der Welt.

Wie so oft gab es einiges an Bemühungen, die Hermes als Museumsschiff für die Nachwelt zu erhalten, und wie so oft scheiterten diese an den enormen Kosten. 2020 wurde die Verschrottung beschlossen und das Schiff zum Abwracken nach Alang geschafft.

 

Der Bausatz

Orange Hobby hat zwei Versionen der Hermes als Bausätze herausgebracht, einmal die Version von 1982 und dann das Schiff im Dienst der indischen Marine. Ich schaffte mir kurz nach Veröffentlichung die britische Version an. In dem ziemlich kleinen, aber extrem prall gefüllten Karton drängen sich zahlreiche fein gegossene Resinteile, ein paar Drehteile für Satellitenantennen, ein Decalbogen und mehrere unterschiedlich starke Ätzplatinen mit extrem feinen Zurüstteilen. Die Anleitung ist sehr dicht gedrängt gedruckt. Der Bausatz ist sehr komplett, es fällt lediglich auf, dass viel zu wenige Flugzeuge dabei sind. Jeweils zwei Harrier und Sea King lassen ein Flugdeck doch sehr leer aussehen. An Decksfahrzeugen sind nur Zugmaschinen vorhanden, der sehr prominente Coles-Kran fehlt. Ich schaffte mir kurz nach dem Bausatz noch jeweils eine Viererpackung Harrier und Sea King von Orange Hobby sowie eine Viererpackung Sea King von L'Arsenal an.

Ich habe diesen Baukasten mehrfach über die Jahre geöffnet und darüber nachgedacht, ob ich ihn anfange. Jedes einzelne Mal war ich vom Blick auf die vollgepfropfte Bauanleitung und die extrem feinen Ätzteilplatinen so abgeschreckt, dass ich lieber die Finger davon ließ. Der Bau der HMS Ocean und zweier Schlepper vom gleichen Hersteller ließ den Respekt noch eher wachsen, so dass es bis zum Sommer 2020 dauerte, bis ich mir doch ein Herz fasste und das Projekt anging.

Das Modell

Zumindest die frühen Bausätze von Orange Hobby stellen beim Bau vor ein Problem. Farben haften ausgesprochen schlecht an den Resinteilen, das führt zur Farbablösung bei jedem Versuch des Abklebens. Normales Vorbehandeln reicht nicht aus. Ein Freund von mir hat ein Modell der schwedischen Stealth-Korvette von Orange Hobby deshalb weggeworfen. Ich hatte beim Bau der HMS Ocean die gleiche Erfahrung gemacht. Anscheinend war auf diesen frühen Bausätzen ein schwer zu entfernender Rückstand eines Formtrennmittels, der das Resin praktisch gegen die Farbe isolierte. Auf Empfehlung von Sven Schönyan von SSN Modellbau habe ich diesmal die großen Bauteile mit Silikonentferner eingepinselt, diesen einwirken lassen und ihn danach mit einer Zahnbürste und warmem Wasser entfernt. Mehrmals. Bei den kleinen und empfindlichen Bauteilen geht das nicht, ist aber auch nicht so wichtig wie dort, wo später abgeklebt werden muss.

Als nächstes ging ich mit einer Trennscheibe in meinem guten alten Lidl-“Dremel“ zu Werk und trennte die recht massiven Angüsse vom Rumpf ab. Der Rumpf sollte mir noch mehr Arbeit machen, weil er mir etwas zu niedrig war. Ich wollte das Schiff in Fahrt darstellen, dabei würde an Teilen des Rumpfes mehr vom Wasserpass sichtbar werden, als der Rumpf hergab. Also klebte ich einerseits einen Vierkant-Polystyrolkanal in den Rumpf ein, um meine Bauschrauben zu halten, und andererseits eine Polystyrolplatte von 1,5 mm unter den Rumpf zur Erhöhung. Das erforderte natürlich das eine oder andere an Schleifarbeit.

Ein solches Projekt hat so viele Baugruppen, dass es sich sehr gut parallel arbeiten lässt. Ich fange gern mit den schwierigsten Ätzteilkonstruktionen an, mit der Logik, dass ich das ganze Projekt abhaken und verwerfen kann, falls ich diese bestimmten Baugruppen nicht schaffe. So etwas betrifft gern Radargeräte, die Gitterkonstruktion bestimmter Raketenwerfer, Kräne, oder Unterzüge von Flugzeugaufzügen oder Gittermasten, wie in diesem Fall. Glücklicherweise bekam ich die besonders kniffligen Teile gebaut, so dass ich mich Schritt für Schritt weiterarbeiten konnte. Der Bausatz enthält z.B. eine wirkliche Unzahl an geätzten Flutlichtern für die Flugdecksbeleuchtung, die auf diversen Leisten zu montieren sind. Außerdem sehr viele setzkastenartige Konstruktionen, in denen Rettungsinseln gelagert wurden. Dazu natürlich Unmengen an Relings und das Flugdeck umgebende Laufgänge. Sowie zahlreiche Verkehrsboote, Seacat-Flugabwehrraketenwerfer sowie deren Feuerleitgeräte, Landungsboote und deren Davits usw. usf. Alles in allem habe ich bislang keinen derart anspruchsvollen Bausatz in diesem Maßstab gebaut.

Das ging auch nur über einen für mich recht langen Zeitraum, damit ich beim Bauen auch die entsprechenden Nerven und Selbstdisziplin dafür aufbringen konnte. Es gab auch ein paar Teile, bei denen ich streikte. So fehlen meiner Hermes die fotogeätzten Scheibenwischer an den Brückenfenstern. Die waren schlicht und einfach jenseits meiner Fähigkeiten.

Den Rumpf habe ich zuerst in seine Basis eingepasst, bevor ich ans Bemalen oder Detaillieren ging. Ich hatte mir nach längerem Zögern ein Schneidegerät für Styrodur angeschafft; mit diesem ließ sich das Material deutlich sauberer zuschneiden als mit einem Messer. Ich war sogar in der Lage, meine Basis etwas dünner zu schneiden – das wäre sonst nie möglich gewesen.

Ich markierte mir zuerst den Umriss des Rumpfes auf der Platte und legte dann mit dem Gasbrenner das Wellenbild an. Nun konnte ich den Ausschnitt für das Schiff anlegen und die Platte auf das gewünschte Maß schneiden – und erhielt saubere Abschlüsse. Um das Schiff herum legte ich Welleneffekte mit Anschlussacryl an, mit dem ich auch verbliebene Spalten um den (dazu isolierten) Rumpf verschloss.

Das Einfärben und Anlegen weiterer Welleneffekte verlief wie üblich bei mir.

Nun konnte ich den Rumpf entfetten und mit Stynylrez grundieren. Ich kenne derzeit keine bessere wasserbasierte Grundierung. Leider stellte es sich beim späteren Abkleben des Flugdecks heraus, dass die Haftung am Resin immer noch eher schlecht war.

Die Bemalung

Als Farbtöne wählte ich für die vertikalen Flächen Vallejo Model Air 71046 Pale Blue Grey, und für die Decks Stynylrez grauen Primer. Ein Teil des Flugdecks um die Insel wurde in einem sehr dunklen Grau abgesetzt. Das war alles eher knifflig, weil es mit den Decals zusammenpassen musste, die nicht einfach zu verarbeiten waren. Ich kopierte mir die Decals auf Papier und nutzte das als Schablonen zum Abkleben der dunklen Bereiche. Nachdem alles lackiert und die Schäden durch unzureichende Haftung beseitigt waren, glänzte ich das Flugdeck mit Future und ließ es gut trocknen. Das Aufbringen der Decals war nervenzerreißend, weil sie doch nicht komplett passten, besonders auf der „Skischanze“ und am Heck. Sie sind auch nicht 100% gerade, waren aber auch sehr schnell am Zerreißen und ließen sich nicht besser positionieren. Nachdem ich sie fertig aufgebracht hatte, erhielten sie noch eine Schicht Future und dann matten Klarlack.

Der Rumpf wurde gemäß den Bildern aus Portsmouth mit ausgiebigen Abnutzungsspuren versehen, wozu ich Künstlerölfarben nutzte.

Parallel zu diesen Arbeiten machte ich weiter an den sehr vielen weiteren Baugruppen, die alle markiert auf Styrodurblöcken befestigt werden mussten. Schließlich konnten sie grundiert, lackiert und gealtert werden. Die Insel wurde mit fast allen Anbauten getrennt vom Rumpf fertiggestellt und so spät wie möglich auf diesem angebracht, um Kollateralschäden zu vermeiden.

Schließlich hatte ich nur einige wenige Teile übrig, die an den Rändern des Flugdecks angebracht werden mussten. Diese hielt ich zurück, bis ich auf dem Deck selbst fertig war. Dazu benötigte ich zuerst Flugzeuge.

Das Bordgeschwader

Leider habe ich keine weiteren Harrier auftreiben können, so dass ich nur sechs davon präsentieren kann. Die kleinen Flieger von Orange Hobby sind ähnlich anspruchsvoll wie alles, was ich aus diesem Hause kenne. Ich deutete Sidewinder-Raketen aus dünnem Draht an, die Markierungen habe ich lieber gemalt, anstatt die Decals zu benutzen. Eigentlich hätten die Flieger noch Zusatztanks gebraucht, auf die habe ich aber verzichtet.

Während die blaugrauen U-Jagd-Sea King aus dem Kasten gebaut wurden, musste ich die olivgrünen „Commando“-Versionen mit ihren kürzeren Fahrwerksauslegern durch Veränderungen an den Sea King von L'Arsenal andeuten. Auch wenn sich die beiden Versionen noch deutlich anders unterscheiden. Auch hier wurden die Markierungen gemalt.

Die Endmontage

Glücklicherweise fand sich in meinem Fundus noch ein Gabelstapler und ein Coles-Kran von WEM, sie hatten dort locker 10 Jahre verbracht. Zusammen mit den Zugmaschinen und geätzten Zugstangen von Orange Hobby konnte ich hiermit das Deck weiter beleben. Für die Anordnung der Fluggeräte und Fahrzeuge nutzte ich Fotos und den Rat eines ehemaligen Besatzungsmitglieds der Hermes, vielen Dank dafür, Peter! Nachdem ich alle Fahrzeuge und Fluggeräte auf Deck verklebt hatte, bevölkerte ich das Modell mit geätzten Figuren von Lion Roar, die ich mit Sekundenkleber etwas dreidimensionaler gemacht und entsprechend bemalt hatte.

Zum Schluss fügte ich die Antennen an den Kanten des Flugdecks und den Flugzeugkran hinzu und überzog das gesamte Modell mit einem homogenisierenden Mattlacküberzug. Nun konnte ich es mit klarem Acrylgel in die Basis einkleben und das Projekt für abgeschlossen erklären.

Quellen

  • HMS Hermes (R12) (Wikipedia)
  • Brown, David K / Moore, George: Rebuilding the Royal Navy. Barnsley 2003
  • Hobbs, David: British Aircraft Carriers. Barnsley 2013

Fazit

Das Modell ist nicht besonders groß, aber vollgepackt mit sehr feinen Details. Es ist ein sehr anspruchsvoller Bausatz, aber es lohnt sich, ihn zu bauen. Mein persönlicher Wermutstropfen sind die Probleme mit der Haftung der Farbe am Resin, aber ich hoffe, dass das bei neueren Bausätzen kein Thema mehr ist.

Frank Spahr