Prolog


Mit wenigen Ausnahmen war der Großteil der Kriegsmarine-Schnellboote während des gesamten Krieges einfarbig weiß oder hellgrau lackiert. Einzig die Boote der Klassen S26/S38, die im Ostseeraum eingesetzt waren, besaßen über einen längeren Zeitraum komplexe, mehrfarbige Tarnmuster, und so bot sich mir die fast einmalige Chance, dem Rumpf eine außergewöhnliche Lackierung zu geben. Das Problem besteht darin, die richtigen Farbtöne zu finden. Zwar gibt es eine stattliche Anzahl aussagekräftiger s/w-Fotos, aber außer einigen Grafiken und wagen Farbbezeichnungen findet man in der gängigen Literatur kaum verbindliche Farbangaben. Der Weg zum getarnten Boot war deshalb ein Prozess, der sich über einige Wochen hinzog.

Kapitel 1: Die bunte Kuh


Der erste Versuch einer Tarnlackierung entstand bereits kurz nach der Fertigstellung des Ruderhauses. Dieses Muster habe ich einer Grafik aus einer russischen Publikation entnommen.
Tarnschema 1
Die Farben sind etwas zu intensiv wiedergegeben, aber aus anderen Quellen geht hervor, dass die Farbtöne Hellgrau, Graublau und Hellbraun verwendet wurden.
Nachdem die Fensterscheiben abgeklebt waren, wurden zunächst -freihand- graue, graublaue und ockerfarbene Längsstreifen auf die weiß grundierten Außenflächen aufgetragen.
Tarnschema 1-2
Die farbigen Felder wurden anschließend mit Flüssigmaske abgedeckt, um das Streifenmuster der Grafik halbwegs nachzuempfinden.
Tarnschema 1-3
Danach wurde die komplette Kabine erneut weiß lackiert. Bereits während des Lackieren zeigte sich, dass zum Überdecken der farbigen Bereiche eine sehr dicke Lackschicht erforderlich war. Langsam verschwanden die Nieten unter einem weißen Lackfilm. Ein dunkelgrauer Zwischenlack wäre hier wahrscheinlich sinnvoll gewesen.
Tarnschema 1-4
Das Abziehen der Latexmasken wurde dadurch zum Geduldsspiel. Im Gegensatz zu angetrockneten und elastischen Enamelschichten wird Acrylfarbe sehr schnell hart und spröde. So war es kaum möglich die Latexflicken in einem Stück abzuziehen. Außerdem brach an einigen Stellen die weiße Farbe an den Rändern aus.
Tarnschema 1-5
Das Ergebnis hat mich dann ziemlich entsetzt: Viel zu wenig Streifen, viel zu harte Kontraste, viel zu bunt und die weiße Deckschicht ist zu dick. Die Lösung für diese Anhäufung von Unzulänglichkeiten: Entlacken im Spiritusbad.
Tarnschema 1-6

Kapitel 2: Die graue Maus


Im nächsten Anlauf habe ich versucht ein - vermeintlich einfaches - grau-weißes Tarnschema zu lackieren. Als Muster diente mir hierzu das abgebildete Foto, das ich im Internet fand.
Tarnschema 2-1
Zuerst wurde die komplette Kabine mit Tamiya Metal Primer grundiert und bekam einen Grundanstrich in Weiß. Mit einem Pinsel wurden danach die grauen Längsstreifen aufgemalt (Tamiya XF 54 Dark Sea Grey). Anschließend habe ich alle Flächen mit stark verdünntem Weiß eingenebelt und so die grauen Bereiche aufgehellt und die grau/weißen Übergänge „weicher“ gemacht. Durch die, aufgrund der starken Verdünnung geringe Pigmentierung lässt sich der Prozess sehr gut kontrollieren.
Tarnschema 2-2Auf den ersten Blick sah diese Tarnung sehr überzeugend aus, aber schon nach kurzer Zeit stellte sich mir die Frage, ob es sich bei dem abgebildeten Grauton wirklich nur um eine einzige Farbe gehandelt hat. Nachfolgend zwei Abbildungen, um das neu entstandende Problem aufzuzeigen. Das obere Bild stammt aus dem Buch "Schnellboote in action 1939-1945" von Pierre Dallies-Labourdette. Es zeigt das Boot, das ich als Referenz verwendet hatte, allerdings mit viel kräftigeren Farben. Die Steifen, die bisher Grau waren, erscheinen hier Grau, Grün oder Braun. Das Bild darunter zeigt dieselbe Fotografie, allerdings wurden die Farbwerte mittels Bildbearbeitungssoftware massiv verstärkt. Die Vielzahl der nun erkennbaren Farben schien die Vermutung zu bestätigen, das ich es mit mehr als nur mit einer Farbe zu tun hatte. Aber ich konnte nicht klären, welche Farben es gewesen seien könnten, und so habe ich mich schweren Herzens auch von diesem Tarnschema getrennt und das Ruderhaus erneut vollständig entlackt.
Tarnschema 2-3

Kapitel 3: Der Sturmvogel


Nach zwei fehlgeschlagenen Versuch ein passendes Tarnmuster zu erzeugen, begann ich mit genaueren Recherchen. Für die vorangegangenen Tarnlackierungen fanden sich keinerlei verbindliche Farbangaben und die Struktur der Farbflecken war auch nicht eindeutig zu entschlüsseln. Darum habe ich mich für ein anderes Pattern entschieden, von dem ich einige S/W-Fotos, ein Farbfoto, eine Grafik und - am allerwichtigsten – alle FS-Codes hatte. Das Boot ist als Grafik im Squardron/Signal Band 18 abgebildet, allerdings als „early S38“ mit einem 20mm MG auf dem Achterschiff. Da die S38 aber recht früh mit polnischen Beute-Bofors und "heimgeholten" österreichischen Waffen umgerüstet wurden, nahm ich diese Abweichung in Kauf.
Tarnung 3-1
Dieses Boot gehörte zur 5. Schnellbootflottille, und war 1941 im Ostseeraum stationiert. In dem Band finden sich auch die Farbangaben: Mittelgrau ( FS 26280 u. FS 26440 ) und Mittelbraun ( FS 20318 ) auf Schnellbootweiß ( FS 27875 ). Zusätzlich hatte ich noch von genau diesem Boot eine Farbaufnahme. Die Farbtöne kann man sich recht bequem auf dem IPMS-Colorserver anzeigen lassen indem man einfach die FS-Nummern eingibt (rechte Bildseite).
Tarnung 3-2
Zuerst hatte ich mich darauf festgelegt, dass die Farben damals mit einem dicken Pinsel oder Quast aufgemalt wurden, dies schienen eine Vielzahl von S/W-Nahaufnahmen dieses Musters zu belegen. Es gab also keine Kantenverläufe und ich konnte auf den Einsatz der Spritzpistole und auf das Schneiden von unzähligen von Masken verzichten. Von einer Pinsellackierung erwartete ich auch zufälligere Muster, als es beim Verwenden von geschnittenen Masken der Fall gewesen wäre. Beim Anfertigen von Lackiermasken sah ich die Gefahr, irgendwann in ein gleichmäßiges „Schneidschema“ zu verfallen. Ich entschied mich für die Verwendung von Humbrol-Farben, weil die Auswahl sehr groß ist, alle Farben problemlos mischbar sind und ich jahrelange Erfahrungen im Umgang mit ihnen habe.
Um ein Gefühl für die Farbabstufungen, Kontrastwerte, Verteilung und Form der Streifen zu bekommen, wurde die Bootsgrafik maßstabsgetreu ausgedruckt und eine Reihe von Farbmustertafeln angefertigt. Nach mehreren Versuchen waren die Ergebnisse schon ganz brauchbar, obwohl ich die richtigen Farbennuancen noch immer nicht getroffen hatte.
Tarnung 3-3
Letztendlich erzielte ich mit nachfolgenden Farbmischungen die beste Übereinstimmung mit der Bildvorlage. Am einfachsten war es beim Hellgrau. Die Farbe >Hu196< passte hervorragend. Das Dunkelgrau mixte ich aus >Rev374 + Rev5< im Verhältnis 10:1 und einen passenden Braunton mischte ich mit >Hu95 + Hu 64 + Rev5< im Verhältnis 10:10:4.
Trotzdem fehlte mir noch immer der Mut die Farbe auf das vormontierte Modell aufzutragen, und deshalb habe ich mir noch einen weiteren S100- Bausatz gekauft. Dadurch hatte ich einen Rumpf zum Testen und eine neue Bugkanone (als Ersatz für meine verlorene Lafette), und irgendwann baue ich sowieso wieder ein S-Boot – also keine überflüssige Ausgabe.
Eine Rumpfhälfte wurde wieder mit Weiß und Schwarz von Tamiya grundiert, geschliffen und danach mit dem neuen Tarnmuster lackiert.Tarnung 3-4
Mit dieser "Testlackierung" war ich sehr zufrieden, und auf die gleiche Art wurde danach der echte Rumpf angemalt.
Tarnung 3-5
Um die Kontraste der Tarnstreifen zum weißen Rumpf zu dämpfen, das Tamiyaweiß etwas abzudunkeln und um eine einheitlich matte Oberfläche zu bekommen, trug ich anschließend mehrere Schichten Klarlack, welcher mit einigen Tropfen Hu28 (Camouflage Grey) eingefärbt war, auf. Nach je zwei Lackschichten wurde der Rumpf mit P1000-Körnung geglättet. Anschließend sah der Rumpf so aus:
Tarnung 3-6

Epilog


Vor kurzem gelangte ich in den Besitz des Buches "Schnellboote vor !" vom Kriegsberichterstatter Hugo Bürger, Gerhard Stallig Verlag 1943. Untertitel: "Mit 104 einfarbigen und 11 mehrfarbigen Abbildungen nach Aufnahmen des Verfassers." Dieser Hugo Bürger hat seinerzeit das Farbfoto des finnischen Schnellbootes geschossen, dem mein zweiter Lackierversuch galt. Im Buch ist es auf einer ganzen Doppelseite (37x23 cm) abgebildet, und nun erkennt man, dass die Tarnfarbe tatsächlich nur aus einem einzigen Grauton besteht: Der Decksfarbe Hellgrau. Wieder ein Rätsel gelöst.
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Ende Teil 8