Hallo Allesamt !
Zuallererst möchte ich die zum Teil nicht besonders gute Bildqualität entschuldigen. Meine Kamera hatte aber auf einmal Schwierigkeiten die zu fotografierenden Objekte richtig zu fokussieren. Bei den nächsten Beschreibungsabschnitten wird’s aber wieder garantiert besser.
Nach dem Takeln der unteren Masten und des Bugspriets darf ich endlich wieder etwas mit Holz machen. Heute habe ich die Grossmarsstenge fertiggestellt. Mancher wird jetzt denken, jetzt fängt er schon an einzelne Stengen zu beschreiben. Bevor ich im Buch von Petrejus nachgelesen habe, was man darüber so alles wissen muss, hätte ich wahrscheinlich auch so gedacht. So muss ich aber sagen das eine Marsstenge das reinste Kunstwerk ist.
Jetzt bestimmt gleich die nächsten Gedanken: Wie kann ein einfaches Holzstäbchen das reinste Kunstwerk sein???
Ich denke das es in der nachfolgenden Beschreibung klar wird, was ich meine und jedenfalls einige mir dann zustimmen. Ich beschreibe die Grossmarsstenge welche genau identisch mit der Fockmarsstenge ist. Einziger Unterschied ist, dass die Grossmarsstenge 10 mm länger ist. Im nachfolgenden Bild (abgewandelt aus Petrejus, "Das Modell der Brigg Irene") ist der Aufbau zu sehen. Es ist sehr gut zu erkennen das sie im Prinzip aus verschiedenen Abschnitten besteht.



Position 1 zeigt eine Standartstenge, Position 2 und 3 zeigen die Grossmarsstenge der Irene aus zwei verschiedenen Ansichten.

Die Marsstenge hat einen Durchmesser von 6,2 mm. In der obigen Abbildung ist die Stelle markiert, ab der sie sich anfängt zu verjüngen.
Unten befindet sich der Stengefuss, welcher mit einem Vierkant versehen ist, um ein Drehen der Stenge zu verhindern. In diesem Teil befindet sich auch das Schlossholz, welches auf den Längssalingen der Marsen (Plattform) auflag und das ganze Gewicht der Stengen tragen musste. Unterhalb des Stengefusses ist diese etwas verlängert. In diesem Teil, der rund oder achteckig sein konnte, befindet sich ein Scheibengatt (Gatt = Durchführung). Über dem Fuß ist die Stenge bis zum Eselshaupt achteckig ausgeführt. In diesem Teil befindet sich ein weiteres Scheibengatt (für das Stengewindreep welches zum Fixieren der Stenge dient).
Über dem Eselshaupt bis hinauf zu einem weiteren achteckigen Teil, dem sogenannten "Hummer", ist die Stenge rund und verjüngt sich. Zu Beginn des "Hummers" beträgt der Durchmesser exakt 5,0 mm. Der Durchmesser des "Hummers" nimmt nach oben hin etwas zu und beträgt an der Oberkannte 5,6 mm.
Der letzte Abschnitt ist das Stengetop. Dessen Querschnitt ist nun wieder quadratisch, hat an der Unterkante eine Kantenlänge von 4,3 mm und verjüngt sich nach oben hin so, dass die Kantenlänge nur noch 3,3 mm beträgt.
Ich glaube, dass jedem nun bewusst ist wo die Schwierigkeiten bestehen. Erstens wechseln ständig die Querschnitte. Hinzu kommt noch, dass man auf Grund der geringen Durchmesseränderungen exakt arbeiten muss. Ich hab lang gegrübelt, ob ich die Stenge aus mehreren Teilen zusammensetzen soll, hab mich dann aber dafür entschieden sie aus einem Guss herzustellen. Als Nächstes stellte sich die Frage Rundholz oder Vierkant? Hierbei hab ich dann die Vierkantvariante gewählt und aus Buchenholz einen quadratischen Stab mit den Maßen (in mm) 6,2 x 6,2 x 350 zurechtgesägt. Als Nächstes die Längen der einzelnen Abschnitte mit Bleistift markiert und mit Hilfe meiner Drechselvorrichtung die Rundung hergestellt. An dieser Stelle war aber auch Schluss mit Maschinen, der Rest war alles Handarbeit.
Im folgenden Bild sieht man das Ergebnis.


Und hier mal provisorisch hingesteckt:



Die Kanten der achteckigen Abschnitte sind mir noch nicht ganz exakt gelungen. Ich denke aber, dass die Nächsten etwas besser werden. Auch die Öffnungen für die Scheibengatts muss ich dann etwas sauberer ausführen. Ansonsten bin ich dafür, dass es das erste Mal war, ganz zufrieden.

Fockmarsstenge


Bevor ich die Fockmarsstenge begonnen habe, machte ich mir erst mal ein paar warme Gedanken, wie ich die Fertigung vereinfachen und damit auch beschleunigen konnte. Dabei fiel mir siedendheiß ein, dass ich ja im Frühjahr mir den kleinen Frästisch von Proxxon zugelegt habe. Tatsächlich war's damit möglich die Herstellung zu vereinfachen und zu beschleunigen. Immerhin brauchte ich nur noch in etwa die Hälfte der Zeit. Grund war, dass ich die achtkantige Form der Stenge damit hergestellt habe.
Eine weitere Hilfe war der Bohrständer von Proxxon, mit dem ich später die glatten Flächen nachgeschliffen hab, doch dazu später mehr.
Zur Herstellung eines Rohlings hab ich zuerst mit meiner großen Tischkreissäge aus einem Stück Buchenholz eine Latte mit den Maßen 7 mm x 7 mm x 350 mm zurechtgesägt und diese dann mit der kleinen Proxxon-Tischkreissäge auf den fertigen Querschnitt von 6,2 mm x 6,2 mm nachbearbeitet.
Im Gegensatz zur Großmarsstenge folgte nun aber das Zurechtfräsen des Achtkants mit Hilfe des Frästisches. Nachfolgend ist sehr schön zu sehen wie der Fräser ausgerichtet ist. So konnte ich sehr schön die Leiste am Anschlag entlangschieben und den Achtkant herstellen.



Zwar ist das Ergebnis noch relativ unsauber, doch war die Weiterverarbeitung um Einiges leichter als vorher.


Mit dieser Basis war das Runden des Mittelteils mit der Drechselvorrichtung, sowie das Verfeinern des Achtkants oberhalb des Stengefusses kein Problem mehr.
Für die Herstellung des Hummers hab ich, wie schon erwähnt, dann den Bohrständer zu Hilfe genommen. Einfach einen tellerförmigen Schleifstein in die Maschine eingespannt und wie folgt leicht schräg ausgerichtet:


Um die Stenge immer exakt positionieren zu können, hab ich noch eine kleine Halterung zusammengezimmert.


Dadurch war es möglich, die Stenge immer exakt auf die Kanten zu stellen.


Im runden Kreis ist die Stelle, die ich mit Klebeband etwas unterfüttert habe, um beim Schleifen ein Durchbiegen der Stenge zu verhindern und dann die glatten Flächen mit dem Schleifer zu bearbeiten.


Auf diese Weise habe ich Hummer und Stengetop hergestellt. Das Endresultat ist qualitativ etwas besser als die Grossmarsstenge, wenn auch nur minimal. Ist mal wieder der beste Beweis, dass man sich eine Menge Arbeit ersparen kann, wenn man sein Gehirn ab und zu mal früher einschaltet.
Da ich jetzt beide Stengen fertig habe, hat für mich einen Riesenvorteil, ich kann jetzt üben was ich schon lange mal vor hatte.


Sieht zwar noch ein bisschen verkrampft aus, habe ja aber noch genug Zeit bis ich die restlichen Teile für die Anbringung der Stengen fertig hab.

Jürgen Nicklis