Vorwort
Wie manch anderer hab auch ich mich zu meinem ersten Baubericht hinreißen lassen. Der Bericht handelt von meinem ersten und auch bis jetzt einzigen Holzmodell, der Brigg Irene. Was den Lebenslauf der Irene betrifft mach ich mir es einfach und nehm einfach den von Lars (maxim) und seiner Brigg-Sloop GRASSHOPPER die er gerade im Maßstab 1:700 baut. Bietet sich an, da es sich bei der GRASSHOPPER und der IRENE um das ein und selbe Schiff handelt, wie aus der nachfolgenden Erzählung hervorgeht.
Lebenslauf
Die IRENE wurde als HMS GRASSHOPPER wurde 1806 von Richards & Davidson in Hythe, Hampeshire gebaut. HMS GRASSHOPPER war ein Brigg-Sloop der Cruizer-Klasse. Diese Klasse war eine Weiterentwicklung früherer 18-Kanonen-Sloops. Das Typschiff Cruizer wurde 1797 nach einen Entwurf von Sir William Rule gebaut. Auf dem gleichen Rumpf basierten auch die gleichzeitig gebauten Schiffs-Sloops Snake und Victor. Die Brigg bewährte sich und insgesamt wurden 100 Schiffe der Klasse bis 1815 gebaut, was diese Klasse zur größten je gebauten Klasse von Segelkriegsschiffen machte. Der Entwurf wurde auch in den Niederlanden und Russland kopiert. Noch 1844/45 war ein Schiff dieser Klasse – eine spätere, 1818 gebaute Cruizer – Teil eines Versuchsgeschwaders von Sir William Symonds und war den jüngeren Brigg-Sloops vor dem Wind überlegen. Der Einsatzzweck dieser Sloops bestand in Kreuzeraufgaben wie Aufklärung, Handelsstörer und Geleitschutz, sowie Versorgung, Nachrichtenübermittlung und Küstenschutz.
HMS GRASSHOPPER war auf dem Oberdeck 30,48 m lang und 9,31 m breit. Sie verdrängte bei einem Tiefgang von 3,05 m 383 ts und hatte eine Besatzung von 121 Mann (28 davon Marinesoldaten).
Bewaffnung
16 x 32-Pfünder Carronaden
2 x 6-Pfünder Kanonen
Nach ihrer Fertigstellung wurde die GRASSHOPPER zur Durchsetzung der Kontinentalsperre in den Napoleonischen Kriegen eingesetzt. Hierbei kaperte die GRASSHOPPER gemeinsam mit der 36-Kanonenfregatte Renomée am 6.11.1807 bei Cartagena ein spanisches und ein französisches Handelsschiff und am 11.12.1807 die spanische 12-Kanonenbrigg San José. Im Jahr darauf griff sie am 4.4.1808 gemeinsam mit der 38-Kanonenfregatte Alceste und dem 28-Kanonensloop Mercury nördlich von Cadiz einen spanischen Geleitzug an, der von 20 Kanonenbooten und Küstenbatterien gesichert wurde. Eine Küstenbatterie wurde zerstört, zwei Kanonenboote versenkt, mehrere zur Strandung gezwungen und sieben Schiffe des Konvois gekapert. Am 23.4.1808 griff GRASSHOPPER gemeinsam mit der Rapid (14 Kanonen) einen Konvoi aus Südamerika an und kaperte zwei spanische Handelschiffe und zwei Kanonenboote. Zwei weitere Kanonenboote wurden zum Stranden gebracht. Am 24.12.1811 fuhr sie mit dem 74-Kanonen-Linienschiff Hero und dem Transporter Archimedes aus Göteborg kommend in einen schweren Sturm, wobei die Hero und der Transporter vor Texel strandeten und vernichtet wurden. Im gleichen Sturm sinken vor Jütland auch das 98-Kanonen-Linienschiff St. George und das 74-Kanonen-Linienschiff Defence. Die GRASSHOPPER hatte mehr Glück und wurde unbeschädigt über die Sandbänke getrieben, musste sich aber der niederländischen Flotte ergeben.
In niederländischen Besitz – genauer im Besitz der Batavischen Republik, eines französischen Vasallenstaats – blieb sie wegen der britischen Blockade inaktiv. Im Januar 1813 wurde sie in IRENE umbenannt, wobei ein Namenstausch mit einer 6-Kanonenschulbrigg erfolgte. Nachdem die Niederlande 1814 wieder unabhängig wurden, wurde die Irene für Geleitfahrten nach Spanien, ins Mittelmeer und die Wiederinbesitznahme der Kolonien in Westindien verwendet. Im Oktober 1819 wurde sie erneut in den diesen Kolonien gegen Aufständische auf Sumatra eingesetzt, wobei sie gemeinsam mit der Wilhelmina (44 Kanonen), Eendragt (20 Kanonen), Ajax (20 Kanonen) und mehreren kleineren Schiffen den Fluss Palembang hoch segelte, aber sich gemeinsam mit den anderen Schiffen nach schweren Verlusten zurückziehen und auf eine Blockade der Küste beschränken musste. 1821 wurde IRENE zurück in die Niederlande beordert und 1822 in Vlissingen abgewrackt.
Vorgeschichte
Nach einigen Schiffsmodellen aus Kunststoff (u. a. La Couronne, Cutty Sark, USS Constitution) entschloss ich mich vor ca. 5 Jahren mir einen ewigen Traum zu erfüllen und ein historisches Segelschiff aus Holz zu bauen. Also gings erstmal los mit Bücher wälzen um auch nur annähernden mal einen Schimmer von der Materie zu bekommen. Hierbei entpuppte sich das Buch "Historische Schiffe als Modell" von Wolfram zu Mondfeld als wahrer Glücksgriff, hatte ich doch keinen blassen Schimmer wer der Typ überhaupt war. Aufgrund dieses Buches viel meine Wahl auf den Schiffstyp Brigg und fing an in diese Richtung zu recherchieren. Hierbei fand ich das Buch "Das Modell der Brigg Irene" von E.W.-Petrejus welches sich auch gleich in meinem Besitz befand (der 2. Glücksgriff). Während ich das Buch verschlang, besorgte ich mir die Baupläne und begann mich mit Material und Werkzeug einzudecken. Das war dann vor ca. 4 Jahren und der Bau konnte beginnen. Da ich bis zur Fast-Fertigstellung des Rumpfes keine Bilder gemacht habe ich die aktuellen eingefügtdamit's nicht zu trocken wird.
Der Rumpf
Entgegen der im Buch beschrieben Schichtbauweise aus einzelnen Brettchen habe ich mich zu der allgemein verbreiteten Spantbauweise aus Sperrholz mit einer Doppelbeplankung entschieden. Lediglich Bug- und Heckbereich sind in Schichtbauweise (Abachiholz) ausgeführt. Nach dem Aufbringen der Erstbeplankung erfolgte eine Korrektur von Unsauberkeiten durch Spachteln und Verschleifen. Danach wurden in der angegebenen Reihenfolge Bergholz, breiter Gang und die Planken aufgeklebt. Im nächsten Schritt habe ich innen am Schanzkleid zur Verstärkung senkrechte Leisten von der Stärke der eigentlichen Relingstützen angebracht um die Stückpforten auszusägen sowie die Rojepforten anzubringen (was ich immer noch machen muss). Das Back- und Hüttendeck wurden durch länger lassen der senkrechten Verstärkungen gleich berücksichtigt. Nun war es an der Zeit den Kiel, Achtersteven (für diesen war dann auch das Hennegat fällig)

In diesem Bild das Hennegat gut zu erkennen. Die Kalfaterung wird noch korrigiert und den Vorsteven mitsamt Gallionscheg anzubringen. Hierbei ist mir wohl der größte Fehler passiert indem ich Fichte/Tannenholz (aus Leimholzbrettern) verwendet habe. Kann nur jedem empfehlen dies nicht zu tun, ist einfach nur grässlich.
Tja nun musste ich doch an das Teil vor dem mir am meisten Graute, jedenfalls was den Rumpf betrifft. Das Heck, zwar relativ Schlicht aber trotzdem genug Tücken für ein Greenhorn wie mich. Am Ende sah es zwar dann doch ziemlich gut aus aber lagen doch genug gebrochene Zierleisten zwischendrin.

Die Decks
Die IRENE verfügt über vier Decks. Das Unterdeck (welches beim Modell vernachlässigt ist), das Oberdeck, Back- und Hüttendeck.

In dieser Draufsicht sind die Decks gut zu erkennen
Das Oberdeck ist auf einer Balkenkonstruktion aufgebracht. Dies hat den Vorteil das die Deckbucht (Wölbung nach außen) sowie der Decksprung sehr genau bestimmt werden kann. Vor dem Einleimen der Deckbalken sind die Mastspuren von Fock- und Großmast am Schiffsboden eingeklebt worden. Beim Anbringen der Deckbalken habe ich die Öffnungen für Luken, Niedergänge, Masten und Befestigungsmöglichkeiten für Bettinge gleich berücksichtigt. Die Zeit war gekommen Fock- und Großmast sowie die Bettinge die sich nicht im innern der Lukenecken befanden zu befestigen.
Beispiel:

Ankerbetting am Fockmast
Die nachfolgend aufgebrachte Beplankung konnte so optimal an die Bettingstützen angepasst und die Masten falls nötig noch ausgerichtet werden. Alle Lukenöffnungen wurden gleich offen gelassen.


Betting innerhalb der Lukenöffnung
Als nächstes folgte das Anbringen er Trempelrahmen (in die Stückpforten), der Schanzkleidbeplankung, des Leibholzes und zu guter letztz des Schandeckels inclusive der Rüsten für die Wanten. Nun kamen Deckdetails wie Lukensülle, Gangspill, Bettinge, Oberlichter, Lukendeckel, Grätings, Nagelbänke, Runder mit Pinne, sämtlicher Augbolzen, Püttinge, der 2 Jagdgeschützen am Bug und des Bugspriets n die Reihe..

Details zwischen Großmast und Hüttendeck

Jagdgeschütze unter dem Backdeck
Nach alledem war der letzte Decksakt geradezu eine Kleinigkeit. Back- und Hüttendeck und die dazwischen liegende Finknetzreling waren relativ flott fertiggestellt.
Weiter gings mit den Marsen von Fock- und Großmast:


Die Reling wird erst angebracht wenn's an die Tagelage geht
War zwar eine fummlige Arbeit, hat mir aber unheimlich Spass gemacht.
Galion
Den Galionscheg mit Ausleger für die Galionsfigur waren ja schon in Verbindung mit dem Vorstehen angebracht. Um den Galion weiterbauen zu können war auf jeden Fall der nächste Schritt die Galionsfigur, was jetzt Schnitzen bedeutete. Na ja, immerhin hab ich davon ja schon mal gehört. Also aus meinen Nussbaum-Vierkantleisten ein Holzklötzchen zusammengeleimt und mit Säge, Feilen, Schnitzmessern und Fräser ein Figürchen zurechtgestutzt. Konnte es kaum glauben und war richtig Stolz am Ende dann so etwas wie eine Galionsfigur zwischen den Fingern zu halten. Nach dem anbringen der Schliesknie hab ich dann die Galionarbeiten erst einmal zur Seite gelegt.
Bewaffnung
Die Bewaffnung ist eigentlich der Grund für die schöpferische Pause von ca. 2,5 Jahren. Ich hätte nicht gedacht das Carronaden so schwer zu bekommen sind. Während der Suche nach ihnen begann ich schon mal mit den Lafetten. Trotz intensiver Suche waren keine Carronaden aufzutreiben. Zinngießen und das damit verbundene fertigen einer Gießform traute ich mir nicht zu. Hoffnung keimte auf, als ich jemanden kennen lernte der mir die Dinger drehen konnte und dies auch tat (natürlich gegen Bares). Hab die Rohre endlich bekommen (oh Freude) und musste (ich Hammel) zu Hause feststellen das die Bohrung vorne nicht angebracht war. Auf Nachbesserung hat sich der Typ nicht eingelassen und mein Frust war perfekt, wie schon erwähnt für ca. 2,5 Jahre.
Doch jetzt hab ich, Modellboard.de sei Dank, die Arbeiten wieder aufgenommen. Die Bilder sind allerdings aktueller Stand und zeigen ein paar neue Details wie Heckdavits, Kalfaterung der Decks und Ankerklüse mit Klüsbacken. Auch hab ich die Finknetzreling auf der Backbordseite erneuern müssen da sie dem Angriff einer biegsamen Bohrerwelle nicht gewachsen war.
Fortsetzung folgt!
von Jürgen Nicklis