Aller Anfang ist teuer
Schon in den Jahren zuvor bin ich mit gierig lustvollen Blicken um den Stand von YS Masterpieces auf der Scale Modelworld herumgeschlichen. Der innere Schweinehund brüllte lautstark: „kaufen...kaufen!“ „viel zu viel Geld!“ hielt die Vernunft etwas kleinlaut dagegen.
Das kleine, aber feine Angebot von Yannis Sagidarios, an erstklassigen Schiffsbausätzen war zu verlockend. Lediglich der, mir damals doch sehr hoch erscheinende Preis, hielt mich davon ab, einen - oder am besten gleich alle drei - Bausätze zu erwerben.
Anlässlich der Scale Modelworld 2004 in Telford war es dann soweit. Der innere Schweinhund war erledigt. Geläutert durch meine eigenen Erfahrungen, was Kosten in der Produktion von Kleinserienbausätzen betrifft, wurde ich schwach und kaufte sämtliche Bausätze der 1/350er Serie, die G.Averoff, die USS Oregon und die USS Brooklyn. Alles Schiffe aus der Zeit vor dem I. Weltkrieg, meinem Lieblingsthema, und Bausätze von allerfeinster Qualität.
Nach dieser heroischen Tat drückte das Gewissen schon etwas. Ich hatte wirklich viel Geld ausgegeben und drei verhältnismäßig kleine Bausätze erworben. Meine Freunde füllten voll Stolz, für weit weniger Geld ganze Kofferräume mit Bau- und Zurüstsätzen.
Aber was soll`s! Um den wieder zu Kräften gekommenen Schweinehund zu beruhigen, wartete ich bis Weihnachten und machte mir aus meiner Beute noch ein Geschenk draus. So konnte ich diese Summe auch meinem Quälgeist gegenüber gut vertreten.
Satt und voll gefressen, der Feiern und der weihnachtlich bedingten Gefühlsduseleien überdrüssig, zog ich mich in mein Arbeitszimmer zurück. Dort gab mich den Wonnen des Modellbaus hin. Wollüstig sabbernd vor Vergnügen.
Dieser Bausatz ist einfach ein Genuss.
Der Rumpf wurde in einem Stück gegossen, mit einer extrem feinen Detaillierung und auf der Oberseite absolut blasenfrei. Lediglich auf der Rumpfunterseite, im Bereich des Angusses, befinden sich produktionsbedingt einige Blasen.
Hier muss aber sowieso geschliffen und gekittet werden und das ist auch schon die einzige Stelle, wo dies erforderlich ist.
Zwei umfangreiche Bögen mit superfeinen Ätzteilen und ein Heftchen mit einer ausführlichen Bauanleitung liegen ebenfalls bei.
Grundsätzlich kann dieses Modell ohne weiters vollständig, wie es so schön grauslich heißt „aus der Schachtel“ gebaut werden. Dass ich dies nicht tat, liegt ausschließlich in meinem unerfindlichen Trieb, etwas „Eigenes“ bauen zu müssen begründet und keinesfalls an der Qualität der Bauteile.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Lange konnte ich mich nicht entscheiden, ob das Modell in ein Diorama als Wasserlinienmodell versenkt werden, oder als Vollrumpfversion entstehen sollte. Einerseits reizte es mich rund um dieses wunderschöne Schiff eine entsprechende Hafenatmosphäre zu inszenieren, anderseits wollte ich unbedingt die bizarr sinnliche Form des Rumpfes darstellen. Nachdem ich dann aber Jim Baumanns perfektes Modell im Wasser sah, entschied ich mich für die Vollrumpfversion oder wie enthusiastische Waterliner etwas abschätzig meinen, für ein „aufgespießtes Schiffchen“.
Die Kiellegung
An sich ist die Bauanleitung logisch aufgebaut. Da die Bemalung und die Takelage gänzlich unberücksichtigt sind, ergibt sich jedoch so manch notwendiger Sidestep. Auch ist es nicht besonders nachahmenswert, die Geschützerker erst aufzubohren, wenn der Rumpf im Wesentlichen fertig gebaut und bemalt ist. Etwas mehr Überlegung und Entschlossenheit zahlen sich hier absolut aus. Trotz zahlreicher Flüche und Angstschweißausbrüche, die herrlich gegossenen Teile mit dem Bohrer wild zu devastieren und in unförmige Löcher zu verwandeln, es war es wert.
Unzählige Arbeitsstunden später und von großen Zweifeln gemartert, ob das Ding jemals noch etwas wird, bin ich jetzt froh, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Die offenen Klappen und Luken geben dem bulligen Schiff etwas Leichtes und Filigranes. Die Öffnungen und hauchdünnen Bleche vermitteln den Eindruck, dass das Schiff hohl ist.
Wirklich wichtig ist, dass man sich die Abfolge der einzelnen Bauabschnitte gut überlegt. Denn es gibt Bereiche, an die man später einfach nicht mehr herankommt. Das ganze Modell wird quasi von innen nach außen gebaut.
Ein besonders Schmankerl sind die zahlreichen I-Träger für das Zwischendeck. Sie bestehen jeder einzelne aus 3 Ätzteilen Obergurt, Steg, und Untergurt , das ganze hat einen Querschnitt von 0,8 x 0,8 mm. Eine wahrlich reizende Fummelei. Natürlich ist das Ergebnis hübsch anzusehen, doch unter den vielen Booten bemerkt man es kaum.
Ein Schiff ringt um Atem
Ähnlich vielfältig wie bei den Booten verhält es sich bei den Lüftern. Die Konstrukteure der Brooklyn waren unglaublich einfallsreich bei Formgebung und Größengestaltung dieser notwendigen Atmungsorgane.
Ob ich, trotz genauer Beschriftung und sorgfältiger Kontrollen, letztendlich alle richtig positioniert habe, weiß ich nicht, denn hier ist die Bauanleitung leider nicht ganz eindeutig. Die Fotos sind auch nicht sehr hilfreich, denn sie zeigen immer einen leicht veränderten Zustand.
Chloé Plattner