Deckelbild

Modell: Russian Minelayer Amur/Enisej, 1901
Hersteller: Kombrig
Maßstab: 1/350
Material: Resin, Fotoätzteile
Art.Nr.: 3549WL (Wasserlinienmodell), 3549FH (Vollrumpfmodell)
Preis: 134 € (Wasserlinienmodelll) und 178,60 € (Vollrumpfmodell) (bei NNT)

Mit dem Modell des russischen Hochsee-Minenlegers Amur/Jenissei bietet der russische Hersteller Kombrig einen weiteren interessanten Bausatz im Maßstab 1/350 und bleibt dabei seinem Schwerpunkt, den Schiffen aus der Zeit um 1900, treu. Der Bausatz wird wie gewohnt in einer Vollrumpf und einer Wasserlinienversion angeboten. Doch bevor wir uns dem Bausatz widmen, einige Worte zur kurzen aber interessanten Geschichte des Originals.

Das Original

Amur und Jenissei waren für den offensiven und defensiven Minenkrieg gedacht und die ersten voll hochseefähigen Minenleger weltweit. Die Seemine spielte im 19. Jahrhundert keine große Rolle, das sollte sich in den kommenden Konflikten des 20. Jahrhunderts jedoch grundlegend ändern.

Beide Schiffe wiesen einige, für ihre Einsatzrolle spezifischen Baumerkmale auf. Die Minen sollten bei hoher Geschwindigkeit über das Heck abgeworfen werden. Am weit überhängenden Heck befanden sich hierfür zwei Türen, durch welche die Minen geworfen werden konnten. Schlittenbahnen im Minendeck führten direkt an die Türen und ermöglichten somit das Werfen in kurzen Zeitabständen. Die Schiffe konnten bis zu 300 Minen mitführen.

Gebaut wurden beide Einheiten auf der Baltischen Werft in St. Petersburg. Die Kiellegung erfolgte 1898, die Indienststellung 1901. Beide Schiffe wurden dem Pazifikgeschwader zugeteilt und befanden sich ab 1902 in Port Arthur.

Beide Schiffe nahmen von Beginn an am Russisch-Japanischen Krieg teil. Jenissei ging am 11. November 1904 auf einer eigenen Sperre verloren. Eine der Minen riss aus dem Ankertau und trieb auf Jenissei zu, beim Ausweichen lief das Schiff auf eine der eigenen Minen. Durch die folgende Explosion wurden auf den Schienen befindliche Minen gezündet, was letztlich zum Verlust des Schiffes führte. Von den rund 300 Besatzungsmitgliedern verloren 100 Seeleute ihr Leben. Der zur Hilfe eilende Kreuzer Bojarin lief ebenfalls auf eine Mine und musste geräumt werden.

Amur hatte eine wechselvolle, aber erfolgreichere Geschichte als ihr Schwesternschiff. Im Mai 1904 legte Amur vor Port Arthur eine offensive Sperre auf einem möglichen Anmarschweg der japanischen Flotte. Am 15. Mai 1904 lief ein zur Aufklärung und Beschießung von Port Arthur entsandtes japanische Geschwader, bestehend aus drei Linienschiffen, einem Kreuzer und einem Kanonenboot, auf die Sperre. Die Linienschiffe Hatsuse und Yashima liefen auf Minen und sanken unter hohen Personalverlusten. Bei einer Grundberührung im Juni 1904 wurde Amur erheblich beschädigt und musste in Port Arthur eingedockt werden. Aufgrund fehlender Minen und andauernder Reparaturarbeiten verbliebt Amur im Dock und wurde dort bei der Belagerung von Port Arthur im Dezember 1904 von Landartillerie getroffen und stark beschädigt. Nach der Einnahme von Port Arthur durch die Japaner wurde das Schiff abgebrochen und verschrottet.

Der Bausatz

Der Bausatz kommt in einem flachen, weißen Karton mit einem Deckelbild des Originals. Nach dem Öffnen des Kartons präsentieren sich erst einmal viele Styrochips. Überwasser- und Unterwasserschiff liegen nebeneiander, die weiteren Einzelteile in einem verschließbaren Klarsichtbeutel daneben. Die Ätzteile, ebenfalls in einem Klarsichtbeutel, zusätzlich geschützt durch einen eingelegten Kartonstreifen, liegen am Boden des Kartons. Eine Bauanleitung lag zum Zeitpunkt der Zusendung des Rezensionsmusters noch nicht bei, dürfte sich zukünftig aber in bekannter Manier ebenfalls im Karton befinden.

Trotz der vielen Styrochips waren bei beiden vorliegenden Rezensionsmustern diverse Teile beschädigt. Zwar gab es auf Nachfrage umgehend Ersatz von Kombrig, es wäre aber wesentlich sinnvoller, die Verpackung der teilweise sehr filigranen Bauteile zu optimieren. Hier sollte sich Kombrig zum Beispiel an White Ensign Models orientieren. Deren Resinbausätze sind vorbildlich verpackt - Rumpf in Knisterfolie eingeschlagen, Einzelteile in separaten Klarsichtbeuteln - und somit gegen Beschädigung geschützt!

Doch kommen wir zum Bausatz. Wie bei Kombrig üblich, sind die Einzelteile in einem grüngrauen Resin gegossen. Der Guss und die Detaillierung sind sehr gut! Scharfe und präzise Bauteilkanten und Details in Hülle und Fülle. Bei den Kleinteilen ist die Detaillierung derart fein, dass äußerste Vorsicht geboten ist, wenn die Teile von ihrem Anguss entfernt werden. Insgesamt 96 Resinteile sowie eine umfangreiche Ätzteilplatine warten darauf, zusammen gebaut zu werden. Masten liegen dem Bausatz leider nicht bei und müssen separat angefertigt werden. Leider schweigt sich die Bauanleitung über die Abmessungen der Masten aus.

Wie bereits beschrieben, ist der Bausatz in einer Vollrumpf- und einer Wasserlininversion erhältlich. Die Bausätze unterscheiden sich lediglich durch die Beigabe des Unterwasserschiffes in der Vollrumpfversion. Der Rumpf enthält bereits die wesentlichen Aufbauten in Form des achteren Deckhauses, einiger Oberlichter sowie Klüsen und Klampen. Für die noch zu montierenden Teile finden sich Aussparungen im Deck. Die Planken sind für meinen Geschmack zu fein wiedergegeben und es fehlen jegliche Trennfugen in Längsrichtung. Das Unterwasserschiff zeigt Schlingerkiele sowie die Ansätze für die Wellen. Allerdings sind an den beiden Hälften des an der Wasserlinie getrennten Rumpfes keine Fixierpunkte zur exakten Verbindung vorhanden. An dem mir vorliegenden Exemplar ist das Unterwasserschiff gut 0,8 mm breiter, was einiges an Schleifarbeiten erfordert, damit die Teile sauber zueinander zu passen. Eine weitere Besonderheit gegenüber den größeren Modellen: der Rumpf ist nicht hohl gegossen.

Die wenigen Aufbauten, sechs Bauteile inklusive der beiden Schornsteine, sind auf einer kleinen Platine angegossen und müssen vorsichtig herausgetrennt werden. Fenster, Türen und Luken sind bereits mit angegossen. Zur exakten Positionierung der Lüfter, Schornsteine etc. finden sich auch hier Aussparungen an den Bauteilen. Den größten Anteil an den Resinteilen machen die teilweise extrem filigranen Kleinteile aus. Es finden sich Davits, Anker – diese in zwei Ausführungen jeweils für Amur und Jenissei – Lüfter, Geschütze, Beiboote, Scheinwerfer, Ruder, Schrauben usw.. Die Kleinteile befinden sich an einem Anguss und sollten vorsichtig entfernt werden, um Beschädigungen zu vermeiden. Die Halterungen für die Scheinwerfer z.B. sind derart filigran, dass sie schon beim bloßen Berühren zerbrechen können.

Die Fotoätzteile

Die beiliegende Ätzteilplatine hat sich gegenüber den mir bekannten Ätzteilen des Herstellers deutlich verbessert. Neben Teilen für die Davits und die Boote liegen Teile zur Ergänzung der Aufbauten in Form von Podesten und Niedergängen bei. Neben Wanten ist erstmals eine Reling sowie ein Bugwappen enthalten. Die Ätzteilplatine ist eine gelungene und deutliche Verbesserung des Herstellers und für mich ein Highlight des Bausatzes.

Die Anleitung

Die Bauanleitung in Form von sechs Seiten ist in typischer Kombrig-Manier ausgeführt. Ein Seitenriss zeigt das wesentliche Aussehen des Schiffes. Ein Aufriss fehlt leider. Auf einem weiteren Blatt sind alle Einzelteile abgebildet. Auf den folgenden drei Seiten wird der Verbau der Einzelteile inklusive einer Übersicht über die Ätzteilplatine gezeigt. Die einzelnen Teile der Platine sind dabei nummeriert und die Nummern finden sich bei den Baugruppen wiederfinden. Somit sollten zum Verbau der Ätzteile kaum Fragen offen bleiben. Für diverse Baugruppen ist Messingdraht erforderlich, die Bauanleitung weist auf Durchmesser und Länge hin, der Draht liegt dem Bausatz aber nicht bei! Über den Verbau der Reling und über die Masten schweigt sich die Bauanleitung aus. Was die Reling anbelangt, kann der Modellbauer sich noch denken, wo diese verbaut wird. Für die Masten fehlen aber Durchmesser und Länge der einzelnen Stengen sowie die Abmessungen der Rahen und Ladebäume. Wie bei dem Hersteller üblich, liegt das dafür erforderliche Material ebenfalls nicht bei. Die Bauanleitung muss der Hersteller unbedingt nachbessern!

Fazit

Im Großen und Ganzen liegt hier ein sehr schöner Bausatz vor. Erstklassig gegossene Resinteile und eine umfangreiche Fotoätzplatine sind deutliche Pluspunkte. Die für die filigranen Teile ungenügende Verpackung sowie der Mangel der Bauanleitung zeigen leider deutlich ins Minus! Ein Bausatz wird sicher nicht unbedingt an der Verpackung gemessen und der versierte Modellbauer wird den Umstand mit den fehlenden Informationen in der Bauanleitung umgehen können, dennoch sind das Punkte, die zum Gesamteindruck beitragen.

Die Hinweise in dieser Rezension sollen den geneigten Käufer nicht abschrecken, sondern im Gegenteil den Hersteller dazu animieren, seine Produkte weiterhin zu optimieren und uns auch zukünftig mit erstklassigen Bausätzen zu erfreuen.

alt empfehlenswert

Christian Bruer (Text) und Guido Hopp (Fotos)

Wir danken Kombrig für die Bausatzmuster