Flugzeugträger HMS Vindictive

Ja richtig gelesen, tatsächlich haben sich zwei wackere Modellbauer dieses Jahr dahin aufgemacht. Glaubt man den Verlautbarungen hierzulande, sind Christoph und ich allerdings wohl eher dem Wahnsinn verfallen. Haben wir hier in Deutschland doch dramatische Umstände, einen nationalen Notstand nie gekannten Ausmaßes, dann muss doch in England mit höherer Inzidenz und Hospitalisierung quasi Agonie herrschen. Und da kann man hingehen und Modellbauveranstaltungen besuchen? Ja, kann man.

Als vollständig Geimpfter ist es sogar recht einfach. Die Flugbuchung bei Ryan Air war problemlos, von dort wurde ich dann fast schon im Tagesabstand bombardiert mit Hinweisen, Erinnerungen und Hilfestellungen. Zunächst muss man sich nach der Flugbuchung frühestens 48 Stunden über ein Online-Portal in GB anmelden, um ein Einreisezertifikat zu erhalten. Das bekommt man aber nur, wenn man über das Portal einen Corona-Test bestellt (nicht PCR), der direkt in das Hotel geliefert wird und am 2. Tag nach der Einreise zu verwenden ist. Kostet 24 Pfund. Express-Zustellung. Liest man dann im Kleingedruckten, das aber erst nach der verbindlichen Bestellung erscheint, steht da: Der Test benötigt 4-6 Werktage (ohne Wochenende) für die Auslieferung. Wer jetzt ein bisschen nachrechnet merkt schnell, dass das nicht funktionieren kann. Als wir am 4. Tag wieder abreisten, war der Test dann auch noch nicht im Hotel angekommen. Aber bitte: Der Test ist reine Eigenverantwortung. D. h. ist man positiv, erwartet man in GB dass man sich freiwillig und eigenverantwortlich meldet und in Quarantäne begibt. Dann ist noch ebenfalls online ein Einreiseformular für Deutschland auszufüllen. Außerdem hat Ryan Air noch ein Formular gesendet, dass schon seit Monaten obsolet ist aus Zeiten, wo Reisen nur aus geschäftlichen Gründen möglich waren. Genau dieses wurde dann aber beim Einchecken bei mir kontrolliert, nicht aber das Einreisezertifikat (…). Bei Chris war es genau anders herum.

Von einer gewissen Fehlbuchung des Mietwagens und etwas Aufregung dort am Schalter einmal abgesehen, was allein auf meine Kappe ging, verlief die Einreise problemlos. Da wir am Freitag früh ankamen, sind wir zunächst von Manchester nach Liverpool gefahren und haben dort die Docks und das Schifffahrtsmuseum besucht. Zwei Zerstörer der Daring-Klasse und ein Versorger lagen dort. Der Museumsbesuch erfolgte ohne Maske. Ebenso das Abendessen in einem wunderschönen Lokal an der Dockside, das zu einem großen Komplex gehörte mit vielen weiteren Lokalen und benachbart an ein großes Shopping-Center und die moderne Innenstadt. In der Letzteren gab es im Rahmen von Feierlichkeiten zum ‘Christmas-Welcome‘ High-Life, mit Straßenmusik, Tanzvorführungen, Ständen und Buden. Alles ohne Maske und bei dem Trubel auch größtenteils ohne Sicherheitsabstand. Und das für ein Land in Agonie. Sind die jetzt alle vollkommen wahnsinnig da drüben? Oder sie haben inzwischen ihren Weg gefunden, dauerhaft mit dem Virus zu leben. GB setzt auf die Eigenverantwortung der Bürger, was es bei uns nicht gibt. Wer sich nicht impfen lässt, hat eine (schwerwiegende) Erkrankung selbst zu verantworten. Niemand wird gezwungen eine Maske zum Schutz von Ungeimpften zu tragen. Und das Gesundheitssystem, das übrigens angeblich viel schlechter als unseres ist, wird damit fertig.

Ein kleiner Wehrmutstropfen waren die stark gestiegenen Hotelpreise. Mein ‘Stammhotel‘ war ausgebucht. Preiswerte Alternativen waren sehr weit weg. Wir entschieden uns dann für ein Hotel in Laufentfernung zur Messe. Allerdings war der stammbuchende Kollege, den wir dort treffen wollten, nicht vor Ort. Die ‘German Angst‘ or ‘French la Peur‘ vor Corona, wie es dort selbst in einer Talkshow am Abend genannte wurde, hatte hier Erfolg gehabt. Dafür waren die Zimmer groß, die Betten außergewöhnlich bequem und das Frühstück und Restaurant gut. Hatte ich schon erwähnt, dass dort niemand eine Maske aufhatte oder einen Impfnachweise kontrollierte?

Telford schließlich war deutlich besser organisiert als in den Jahren vor Corona. Die Tickets gab es ausschließlich im Vorfeld elektronisch. Die Warteschlange wurde so strukturiert, dass zumindest über weite Strecken ein Sicherheitsabstand möglich war. Ich meine, dass wir nach ca. 15 Minuten Wartezeit in der Halle waren, wobei wir schon vor der offiziellen Öffnung vor Ort waren. Drin war es dann vergleichsweise leer. Das Obergeschoß war nicht angemietet, die Competition umfasste einen Bruchteil der bisherigen Größe (max. 30 %) und der internationale Bereich war faktisch nicht existent dank Corona und Brexit. Pontos/Meng, L'Arsenal, Richard Harden von Tom's und Mike McCabe von Starling und viele andere waren damit leider nicht vor Ort. Die internationale Halle war halbleer, der Rest locker angefüllt mit vielen Tischen und Stühlen. Zudem waren die Gänge breiter. Geschätzt war die Messe um 1/3 kleiner als vor Corona, dafür waren die Eintrittspreise etwas erhöht. Jeder 12.-15. trug übrigens freiwillig eine Maske und folgte der Empfehlung der Veranstalter. Die Qualität der Flugzeug- und Fahrzeug-Exponate war in meinen Augen höher als in den letzten Ausstellungen. Die meisten Händler aus Großbritannien waren vor Ort, ich habe nur einen der großen Second Hand Dealer vermisst, der sonst immer (u. a.) Raumschiffmodelle angeboten hatte und ein paar Buchhändler/Verlage. Es gab wie immer viele Schnäppchen, sowohl bei den Second Hands als auch an vielen Buch- und Modellbauständen, ganz besonders am Sonntagnachmittag. Leider waren die Schiffe wie vor Corona auch etwas unterrepräsentiert im Vergleich vor allem zu Flugzeugen. Auch Fahrzeuge gab es dort mehr. Was in Telford immer gut, günstig und in reichlicher Auswahl zu erhalten ist, sind Zubehör und Hilfsmittel wie Pinsel, Werkzeuge oder Farben. Sowohl Christoph als auch ich selbst haben einige Plastik- und Resin-Schiffe zum Teil außerordentlich günstig eingekauft sowie Zubehör. Ich habe zudem noch einige Matchbox Vintage Bausätze zu einem sehr guten Preis ergattert, die selbst über ebay nicht oder nur zu horrenden Preisen erhältlich sind. Am zweiten Tag war noch mehr als ausreichend Zeit viele Fotos zu schießen, einige Exponate sehr genau unter die Lupe zu nehmen und fachzusimpeln. Außerdem hat es sich gelohnt, einige Stände ein zweites Mal anzugehen und Dinge zu entdecken (und zu kaufen), die man am Vortag noch nicht gesehen hatte.

Für mich war dieser Kurztrip von Freitag auf Montag ein sehr gelungener echter Urlaub, der mir wenigstens ein Stück weit ‘die alte Zeit‘ und Unbeschwertheit zurückbrachte. Ich sehne mich jetzt schon wieder nach einem Urlaub in GB. Ich werde wohl nächstes Jahr zwei Flugshows an aufeinanderfolgenden Wochenenden und evtl. das Tankfest in Bovington und im November wohl auch wieder Telford besuchen. Anders als hier besteht eine hinreichende Planungssicherheit.

Zu den Reisekosten:

  • Flug Ryan Air Köln nach Manchester und zurück inkl. 1 Gepäckstück 20 kg und ein kleines Handgepäck knapp 80 € (ja richtig, nicht ganz achtzig Euro und nur 2,5 Wochen zuvor gebucht)
  • Hotel 3 Nächte ca. 320 € zzgl. € 11 Frühstück
  • Mietwagen 3,5 Tage inklusive Navi knapp 70 € (insgesamt, nicht pro Tag, 1000 Pfund SB bei Unfall, Polo-Klasse) bzw. 130 € mit Vollversicherung
  • Eintritt Telford etwa 38 € für beide Tage
  • Zwangsselbsttest als Spende für das Hotel wie oben ausgeführt etwa 28 €
  • Fakultativ kommt noch die Parkgebühr am Flughafen dazu sowie Verpflegung (Kosten wie hier).

Insgesamt ist das ein überschaubarer Betrag wie ich meine. Ihr seht - es lohnt sich in jedem Fall. Und das Wichtigste: Wir konnten beide der Agonie entfliehen. Und wir sind sogar gesund geblieben.

Bilder der ausgestellten Modelle und von der Competition:

 

André Huber